Grünen-Chef Krause: Grün-rote Pläne in der Sicherheitspolitik
München - Dominik Krause im AZ-Interview: Der 29-Jährige ist Münchner Grünen-Chef und Fraktions-Vize im Rathaus.
Alkoholverbot am Hauptbahnhof wird evaluiert
AZ: Herr Krause, es soll Münchner geben, die sich von Trinker-Gruppen am Hauptbahnhof belästigt fühlen. Wollen Sie wirklich dafür verantwortlich sein, dass sich das Problem durch die Aufhebung des Alkoholverbots verschärft?
DOMINIK KRAUSE: Das steht so nicht im Koalitionsvertrag. Dort steht, dass wir das Alkoholverbot am Hauptbahnhof evaluieren und mit allen betroffenen Gruppen sprechen werden. Das hat übrigens auch schon die CSU so mitbeschlossen, die Große Koalition hat bei der Einführung des Alkoholverbots festgelegt, dass es bis Januar 2021 gilt und bis dahin evaluiert wird. Außerdem steht im Vertrag, dass wir Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen als letztes Mittel sehen. Das bedeutet nicht, dass wir sie per se ausschließen, aber auch nicht, dass wir leichtfertig damit umgehen.
Was sagen Sie denen, die sich unsicher fühlen?
Die eigene Freiheit hört immer dann auf, wenn ich in die Freiheit anderer eingreife. Das gilt für Betrunkene, die andere Leute anpöbeln. Es gilt aber auch, dass man nicht aufgrund des eigenen Gefühls Menschen aus dem öffentlichen Raum verbannen kann. Die Politik muss hier maßvoll vorgehen und alle Anliegen berücksichtigen, deswegen wollen wir die Situation ja evaluieren.
Innenminister Joachim Herrmann hat Grün-Rot zuletzt via "Bild" attackiert. Der Koalitionsvertrag sei "getragen von dem naiven Leitgedanken: Wünsch Dir Sicherheit, dann bleiben Verbrecher zu Hause".
Verbrechensbekämpfung ist Aufgabe der Polizei und somit des Freistaates. Der einzig naive Gedanke ist hier vielleicht, dass wir einen Innenminister haben, der seine Arbeit erledigt, anstatt so zu tun, als sei die Kommune zuständig. Was er behauptet ist noch dazu populistischer Unsinn. Allen voran: das Ausspielen des Koalitionsvertrags gegen die Polizei, obwohl hier vieles genau der Position der Polizei entspricht.
Und zwar?
Etwa beim Thema Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Die Polizei sagt selbst, dass sie diese erst einsetzt, wenn ein echter Kriminalitätsschwerpunkt entstanden ist, alle anderen Mittel ausgeschöpft sind und ein schlüssiges Gesamtkonzept besteht. Genau das steht im Koalitionsvertrag. Auch die Sicherheitswacht, die wir abschaffen wollen, hat der Chef der Polizeigewerkschaft in Bayern als Nullnummer bezeichnet.
Münchens Sicherheit: Ordnungs- und gute Sozialpolitik
Warum sind Sie auch gegen die Sicherheitswacht?
Bei der Sicherheitswacht sollen Ehrenamtliche nach einer 30-stündigen Ausbildung die Aufgabe von Polizisten übernehmen, die dafür jahrelang geschult werden. Das ist in so einem sensiblen Bereich sehr problematisch und schwächt das Gewaltmonopol des Staates. Man muss andersherum fragen: Warum wurde die Sicherheitswacht überhaupt eingeführt? Weil es eine Überlastung bei der Polizei gibt und das Innenministerium nach einer kostengünstigeren Alternative zu mehr Polizisten gesucht hat.
Herrmann wirft Ihnen auch vor, Sie würden die Sicherheit in München verschlechtern.
Da kann man gleich an das Beispiel Sicherheitswacht anschließen. Wenn es dem Innenminister um die Sicherheit geht, soll er seine Hausaufgaben machen und die Münchner Polizei personell besser ausstatten. Stattdessen zeigt er mit dem Finger auf München, weil wir seine Sparpolitik nicht mit Notbehelfen abfangen wollen. Abgesehen davon will ich Herrn Herrmann daran erinnern, dass München seit rot-grünen Zeiten die sicherste Großstadt Europas ist. Dank der Polizei, aber auch dank der rot-grünen, jetzt grün-roten städtischen Politik.
Was für einen Einfluss hat da die Stadtpolitik?
Experten sind sich einig: Eine sichere Stadt ist das Ergebnis einer guten Ordnungspolitik, aber auch einer guten Sozialpolitik. Die Ordnungspolitik verlagert nur, die Sozialpolitik packt das Problem grundlegender an.
Menschen in Not helfen, nicht verdrängen
Deshalb wollen Sie das Bettelverbot aufweichen?
Auch das stimmt so nicht. Das Bettelverbot in der Fußgängerzone bleibt. Wir wollen die von der CSU neu eingeführte, sogenannte Allgemeinverfügung reformieren. Das ist eine Grauzone, in der zwischen "guten" und "schlechten" Bettlern unterschieden werden soll und die nicht transparent ist. Wenn jemand, beispielsweise über die oft zitierten Bettelbanden, zum Betteln gezwungen wird, ist er kein schlechter Mensch, sondern ebenso jemand in Not, dem es zu helfen gilt.
Was heißt das konkret?
Wenn man bettelnde Menschen verdrängt, verschwinden sie und ihre Not nicht. Viel besser ist es, die Leute ganz von der Straße zu holen.
Wie wollen Sie das machen?
Es gibt zum Beispiel gut ausgebildete Streetworker und ein unter Rot-Grün entstandenes starkes städtisches Sozialsystem. Das übrigens auch die Münchner CSU in den letzten sechs Jahren nicht in Frage gestellt hat, auch wenn Herr Herrmann es jetzt despektierlich als Sozialromantik bezeichnet.
Credo: "Sicherheit und öffentlicher Raum für alle"
Herrmann spricht in der "Bild" auch davon, dass die Einbrecher sich in München freuen dürfen. Was hat das denn mit dem Koalitionsvertrag zu tun?
Gar nichts. Im Koalitionsvertrag steht nichts, was irgendwie mit Einbrüchen zu tun hat.
Im Bahnhofsviertel haben die Initiativen vor Ort den KAD als Hilfe sehr begrüßt. Jetzt über seine Abschaffung zu diskutieren – ist das nicht ein seltsames Signal von den Grünen, die sich selbst bestimmt nicht jeden Tag im Viertel rumtreiben?
Dass er abgeschafft wird, ist nicht richtig. Es soll einen neuen Fokus geben: Sicherheitsdienstleistungen für städtische Gebäude, die bisher an private Firmen vergeben wurden. Einsätze im öffentlichen Raum werden in begründeten Fällen auch weiterhin möglich sein – als Beispiel sind im Koalitionsvertrag die Isarauen und eben der Hauptbahnhof genannt. Was wir nicht wollen, ist eine städtische Hilfspolizei.
Was finden Sie problematisch an der schwarz-roten Sicherheitspolitik der vergangenen sechs Jahre?
Die CSU hat unter dem angeblichen Argument der Sicherheit versucht, Gruppen aus dem öffentlichen Raum zu drängen. Dabei ist sie nicht mit dem Vorschlaghammer vorgegangen wie seinerzeit ein Peter Gauweiler, sondern hat geschickt ausgelotet, welche Gruppen viel gesellschaftlichen Rückhalt haben und welche nicht. Unser Credo für die nächsten sechs Jahre ist deswegen: Wir gewährleisten Sicherheit und öffentlichen Raum für alle.
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