Folgen der Inflation: Preisfalle Index-Miete – Familie muss wegziehen

Weil der Verbraucherpreisindex so stark steigt, haben Menschen mit Indexmiete ein Problem. Durch eine Mieterhöhung muss eine junge Münchner Familie plötzlich 360 Euro mehr bezahlen. Die Wohnung kann sie sich nicht mehr leisten.
Carmen Merckenschlager
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Anna M. kann sich mit ihrer Familie die Miete ihrer Wohnung nicht mehr leisten. Auf einen Schlag müssen sie 360 Euro mehr für ihre 63-Quadratmeterwohnung am Rand der Stadt bezahlen.
Anna M. kann sich mit ihrer Familie die Miete ihrer Wohnung nicht mehr leisten. Auf einen Schlag müssen sie 360 Euro mehr für ihre 63-Quadratmeterwohnung am Rand der Stadt bezahlen. © Daniel von Loeper

München - Anna M. (39) möchte ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Was die Münchnerin möchte, ist: ihre Geschichte erzählen. Denn so wie ihr, glaubt sie, geht es gerade vielen Münchnern. Als sie kürzlich das Einschreiben über die Mieterhöhung erhält, bleibt ihr die Luft weg - sie kann sich die neue Miete nicht mehr leisten.

Einzug im Jahr 2019 mit Indexmietvertrag 

Von vorne: M. zieht im Januar 2019 in eine 2,5-Zimmer-Wohnung mit großer Wohnküche an den Rand von Harlaching. Blick ins Grüne, Platz für den Nachwuchs und die drei Katzen. Mit ihrem Vermieter schließt sie einen Indexmietvertrag ab.

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1.650 Euro zahlt sie gemeinsam mit ihrem Mann für die 63 Quadratmeter. "Das war für uns damals viel Geld, aber die Wohnung hatte alles, was wir gesucht haben", sagt die gelernte Hotelfachfrau, die heute im Marketing tätig ist. Ihr Mann arbeitet in Vollzeit in der Gastronomie.

Baby-Pause und Gastro-Kurzarbeit wegen Lockdown

"Früher sind wir gerne drei Wochen ins Ausland gereist, Thailand und so. Durch die Wohnung mussten wir ein wenig kürzertreten. Aber das war okay", sagt die 39-Jährige. Vor drei Jahren kommt der gemeinsame Sohn zur Welt. M. tritt beruflich kürzer; ihr Mann geht weiter arbeiten. Bis die Pandemie in Deutschland Einzug hält. Ihr Partner kann wegen Lockdown teils gar nicht arbeiten, teils bekommt er Kurzarbeitergeld.

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Saftige Nebenkostenabrechnung 2022

M. steigt wieder in den Beruf ein, arbeitet von zu Hause aus. Sie können die Miete bezahlen, leben aber sparsamer. Mittlerweile sind beide wieder Vollzeit für die Arbeit im Einsatz. Dieses Jahr erreicht sie zusätzlich eine saftige Nebenkostenabrechnung. Für die Familie kein Pappenstiel.

Indexmiete: Erhöhung um 360 Euro monatlich

Vergangene Woche wird der Alltag der jungen Familie erschüttert. M. bekommt per Einschreiben Post vom Vermieter. Die Miete wird um 282,15 Euro erhöht, dazu kommt eine Erhöhung der Nebenkosten von 78 Euro. M. wird ganz anders, als sie das liest. Rund 360 Euro mehr im Monat kann sich die Familie nicht leisten.

Mieterschutzbund: Die Erhöhung ist rechtens

Die Erhöhung ist rechtens. Das hat sich M. auch vom Mieterschutzbund bestätigen lassen. Sie macht ihrem Vermieter keinen Vorwurf. "Es wird ja alles teurer, das ist klar. Aber ich bin einfach nur geschockt, was durch eine Indexmiete in München möglich ist", sagt sie. Anders als bei anderen Vertragsformen gilt die Mietpreisbremse bei Indexmieten nicht, sondern steigt automatisch mit den Verbraucherpreisen.

Miete zu teuer: Familie wird aus München wegziehen

"Welche Krankenschwester oder junge Familie kann sich denn München noch leisten? Wie soll das weitergehen?", fragt sich die Mutter. Sie appelliert an die Politik, es müsse sich etwas ändern. M.: "So wandern immer mehr Fachkräfte ab. So wie mein Mann, der hervorragend ausgebildet ist." Aber 30,53 Euro pro Quadratmeter kalt könnten eben nur wenige bezahlen.

Die Konsequenz für Familie M.: Sie werden München verlassen und ins weite Umland ziehen. Für etwas weniger Geld eine gleichwertige Wohnung mieten. Ihre jetzige haben sie zum 1. Januar 2023 gekündigt.

Schlaflose Nächte nach Kündigung

M. versucht sich mit der Idee anzufreunden. Wenn sie sich ihre Zukunft malen könnte, wünschte sie sich, in München bleiben zu können. Eine neue Wohnung hat die Familie noch nicht; das lässt M. nachts wach liegen. "Die Angebote sind alle ab sofort. Aber wir haben drei Monate Kündigungsfrist und müssen die erhöhte Miete schon jetzt bezahlen. Wir werden uns Geld leihen müssen."

"Obwohl wir beide nicht schlecht verdienen..."

Anders wird es wohl nicht gehen. "Obwohl wir beide nicht schlecht verdienen. Das ist alles wirklich furchtbar", sagt sie und seufzt schwer. So ganz mag sie noch nicht glauben, wie es in ihrem München so weit kommen konnte.

M. ist kein Einzelfall. Schon in den vergangenen Monaten warnten Sozialverbände und der Mieterverein vor stark steigenden Indexmieten; weil die Inflation hoch bleibt, ist ein Ende derzeit nicht absehbar.

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25 Kommentare
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  • Kaiser Jannick am 08.11.2022 01:43 Uhr / Bewertung:

    Das ist wieder typisch. Erst den Vertrag für eine ohnehin schon sündteure Miete mit 26 €/m² im bekannten "Glasscherben-Viertel" Harlaching unterschreiben, anstatt deutlich günstiger in einem bezahlbaren Stadtteil. Und auch noch statt auf eine turnusgemäße kalkulierbare Mieterhöhung auf die vermeintlich günstigere Indexmiete zu setzen. Und wenn man sich dann verkalkuliert hat, zur Zeitung rennen und losheulen. Das würde ich dann auch lieber anonym, weil einfach nur peinlich, machen. Ebenso könnte man an der Börse spekulieren und dann bei Verlust-Realisierung zur AZ laufen und sich über den bösen Kapitalismus beschweren.

  • eule75 am 07.11.2022 21:32 Uhr / Bewertung:

    Armes München, wo steuerst Du hin? in ein paar Jahren werden wir Dich nicht mehr erkennen. Liebenswerter wirst Du leider nicht.

  • dakaiser am 07.11.2022 19:05 Uhr / Bewertung:

    Das Problem wird sich noch verschärfen. Nicht nur in München......

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