Folgen der Inflation: Preisfalle Index-Miete – Familie muss wegziehen
München - Anna M. (39) möchte ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Was die Münchnerin möchte, ist: ihre Geschichte erzählen. Denn so wie ihr, glaubt sie, geht es gerade vielen Münchnern. Als sie kürzlich das Einschreiben über die Mieterhöhung erhält, bleibt ihr die Luft weg - sie kann sich die neue Miete nicht mehr leisten.
Einzug im Jahr 2019 mit Indexmietvertrag
Von vorne: M. zieht im Januar 2019 in eine 2,5-Zimmer-Wohnung mit großer Wohnküche an den Rand von Harlaching. Blick ins Grüne, Platz für den Nachwuchs und die drei Katzen. Mit ihrem Vermieter schließt sie einen Indexmietvertrag ab.
1.650 Euro zahlt sie gemeinsam mit ihrem Mann für die 63 Quadratmeter. "Das war für uns damals viel Geld, aber die Wohnung hatte alles, was wir gesucht haben", sagt die gelernte Hotelfachfrau, die heute im Marketing tätig ist. Ihr Mann arbeitet in Vollzeit in der Gastronomie.
Baby-Pause und Gastro-Kurzarbeit wegen Lockdown
"Früher sind wir gerne drei Wochen ins Ausland gereist, Thailand und so. Durch die Wohnung mussten wir ein wenig kürzertreten. Aber das war okay", sagt die 39-Jährige. Vor drei Jahren kommt der gemeinsame Sohn zur Welt. M. tritt beruflich kürzer; ihr Mann geht weiter arbeiten. Bis die Pandemie in Deutschland Einzug hält. Ihr Partner kann wegen Lockdown teils gar nicht arbeiten, teils bekommt er Kurzarbeitergeld.
Saftige Nebenkostenabrechnung 2022
M. steigt wieder in den Beruf ein, arbeitet von zu Hause aus. Sie können die Miete bezahlen, leben aber sparsamer. Mittlerweile sind beide wieder Vollzeit für die Arbeit im Einsatz. Dieses Jahr erreicht sie zusätzlich eine saftige Nebenkostenabrechnung. Für die Familie kein Pappenstiel.
Indexmiete: Erhöhung um 360 Euro monatlich
Vergangene Woche wird der Alltag der jungen Familie erschüttert. M. bekommt per Einschreiben Post vom Vermieter. Die Miete wird um 282,15 Euro erhöht, dazu kommt eine Erhöhung der Nebenkosten von 78 Euro. M. wird ganz anders, als sie das liest. Rund 360 Euro mehr im Monat kann sich die Familie nicht leisten.
Mieterschutzbund: Die Erhöhung ist rechtens
Die Erhöhung ist rechtens. Das hat sich M. auch vom Mieterschutzbund bestätigen lassen. Sie macht ihrem Vermieter keinen Vorwurf. "Es wird ja alles teurer, das ist klar. Aber ich bin einfach nur geschockt, was durch eine Indexmiete in München möglich ist", sagt sie. Anders als bei anderen Vertragsformen gilt die Mietpreisbremse bei Indexmieten nicht, sondern steigt automatisch mit den Verbraucherpreisen.
Miete zu teuer: Familie wird aus München wegziehen
"Welche Krankenschwester oder junge Familie kann sich denn München noch leisten? Wie soll das weitergehen?", fragt sich die Mutter. Sie appelliert an die Politik, es müsse sich etwas ändern. M.: "So wandern immer mehr Fachkräfte ab. So wie mein Mann, der hervorragend ausgebildet ist." Aber 30,53 Euro pro Quadratmeter kalt könnten eben nur wenige bezahlen.
Die Konsequenz für Familie M.: Sie werden München verlassen und ins weite Umland ziehen. Für etwas weniger Geld eine gleichwertige Wohnung mieten. Ihre jetzige haben sie zum 1. Januar 2023 gekündigt.
Schlaflose Nächte nach Kündigung
M. versucht sich mit der Idee anzufreunden. Wenn sie sich ihre Zukunft malen könnte, wünschte sie sich, in München bleiben zu können. Eine neue Wohnung hat die Familie noch nicht; das lässt M. nachts wach liegen. "Die Angebote sind alle ab sofort. Aber wir haben drei Monate Kündigungsfrist und müssen die erhöhte Miete schon jetzt bezahlen. Wir werden uns Geld leihen müssen."
"Obwohl wir beide nicht schlecht verdienen..."
Anders wird es wohl nicht gehen. "Obwohl wir beide nicht schlecht verdienen. Das ist alles wirklich furchtbar", sagt sie und seufzt schwer. So ganz mag sie noch nicht glauben, wie es in ihrem München so weit kommen konnte.
M. ist kein Einzelfall. Schon in den vergangenen Monaten warnten Sozialverbände und der Mieterverein vor stark steigenden Indexmieten; weil die Inflation hoch bleibt, ist ein Ende derzeit nicht absehbar.
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