Flugblätter gegen Münchner Arzt: Abtreibungsgegner vor Gericht

"Mord", "Zerstückelung", "Schlachtung": Ein Aktivist verteilt Flyer, auf denen er Ärzte, die Abbrüche durchführen, übelst anprangert. Nun hat ihn das Landgericht eingebremst.
Nina Job
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Abtreibungsgegner bei einem Demonstrationszug im Oktober vergangenen Jahres in München. In der Mitte: Der Mann, der mit Flugblättern gegen Ärzte hetzt, die legal Abtreibungen durchführen.
Abtreibungsgegner bei einem Demonstrationszug im Oktober vergangenen Jahres in München. In der Mitte: Der Mann, der mit Flugblättern gegen Ärzte hetzt, die legal Abtreibungen durchführen. © imago/Sachelle Babbar

München - Seit einigen Wochen stecken sie in vielen Briefkästen: Flugblätter, auf denen ein Münchner Arzt mit großem Foto abgebildet ist. Darunter dessen voller Name und die Behauptung, dieser Arzt "schlachtet Fachkräfte vor der Geburt".

Auf der Rückseite des DIN-A-5-großen Blattes wird dem Mediziner vorgeworfen, dass er seit über vierzig Jahren "wie am Fließband ermordet". Auch von "Kinderschlachtung im Akkord" ist die Rede oder von "Zerstückelung". Sind solche Flugblätter erlaubt? Gelten solche Zuspitzungen und Diffamierungen noch als freie Meinungsäußerung?

Vergleich von Abbrüchen mit dem Holocaust

Im Justizpalast vor dem Landgericht München I fand vor einer Woche ein ungewöhnlicher Prozess statt. Der Vorsitzende Richter befürchtete Störungen und ließ vorsorglich mehrere Justizbeamte anrücken. Hans M. (Name geändert), der für das Flugblatt gegen den Münchner Arzt verantwortlich ist, kam mit Unterstützern, die sich als "Lebensschützer" bezeichnen. Sie verfolgten den Prozess als Zuschauer.

In der Szene militanter Abtreibungsgegner ist M. kein Unbekannter. Er wohnt in Haar, ist auch in anderen Städten aktiv. Kurz vor Weihnachten hatte er in Nürnberg ähnliche Flugblätter in Umlauf gebracht. Darauf hatte er eine niedergelassene Frauenärztin, die ambulant Schwangerschaftsabbrüche durchführt, namentlich als "Kindermörderin" bezeichnet. Dazu veröffentlichte er ein verfremdetes Foto. Auf dem Flyer nannte er zudem eine große Klinik, auf deren Gelände der "Kinderschlachthof" betrieben werde.

Ärztin und Klinik erwirken einstweilige Verfügung

Derartige Diffamierungen hat M. zudem auf einer Internetseite, die er betreibt, veröffentlicht. Dort rückt er Abtreibungen bewusst in die Nähe des Holocausts. Er benutzt dafür eine Abbildung, die dem Tor von Auschwitz nachempfunden ist. "Abtreibung macht frei", hat er dazugeschrieben.

Sowohl die Ärztin als auch die Klinik haben jeweils eine einstweilige Verfügung gegen die extremen Äußerungen erwirkt. Sie begründeten das damit, dass sie bewusst in herabwürdigender Weise und rechtsverletzend an den Pranger gestellt werden. M. gehe es nicht um eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch, sondern um Bloßstellung. Dagegen wiederum hatte Hans M. Widerspruch eingelegt.

Kläger verliert vor Gericht 

Gütlich einigen, wie es der Vorsitzende Richter der 26. Zivilkammer vorgeschlagen hatte, wollten sich beide Seiten nicht. "Würde ich nicht einsehen", meinte M. vor Gericht. "Nein", sagte der Anwalt.

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Diese Woche hat die Zivilkammer ihr Urteil gesprochen: M. darf die Diffamierungen nicht weiter veröffentlichen, er ist vor Gericht gescheitert, muss die Kosten des Verfahrens tragen.

Laut Urteil hat er mit der vollen Namensnennung die Persönlichkeitsrechte der Ärztin verletzt. Sie ist nicht prominent, keine Persönlichkeit des öffentlichen Interesses und übt ihre Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Regeln aus. Ihre Persönlichkeitsrechte wiegen in diesem Fall schwerer als das Recht auf freie Meinungsäußerung. Und auch die Klinik habe einen Anspruch darauf, nicht verzerrt dargestellt zu werden.

Münchner Arzt erstattet Anzeige wegen Verleumdung

Auch das neue Flugblatt wird wohl wieder ein juristisches Nachspiel haben. Der Münchner Arzt (77), der auf dem Flugblatt angeprangert wird, das derzeit in der Stadt verteilt wird, hat Strafanzeige wegen Verleumdung erstattet.

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22 Kommentare
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  • Rudi B. am 24.03.2023 17:17 Uhr / Bewertung:

    Bei jährlich etwa 100.000 Abtreibungen sollte man die Mehrzahl der Abtreibungswilligen wegen Dummheit, Leichtsinn und Fahrlässigkeit bestrafen.

  • Der wahre tscharlie am 24.03.2023 17:16 Uhr / Bewertung:

    Alleine schon die Wortwahl auf den Flyern, dazu noch die Bloßstellung der Personen, ist ganz schön radikal.
    Es ist ein richtiges Urteil gegen diesen Mann.
    Wobei das ja ein Mann ist, und keine Frau. Aber nachdem er in ganz Deutschland unterwegs ist, verfolgt er anscheinend ein bestimmte Agenda.

  • Unbesorgter Bürger am 24.03.2023 14:09 Uhr / Bewertung:

    Lieber ein abgetriebenes Kind, als statt dessen das Neugeborene dann einfach im Müll zu entsorgen. Klar sollte man, mittlerweile so gescheit sein, es sich vorher zu überlegen und zu verhüten. Aber diese Entscheidung, ob Abtreibung oder nicht, soll jede Frau selber entscheiden dürfen, ohne von einem Mop an den Pranger gestellt zu werden. Und es ist gut, dass es Ärze gibt, die das vornehmen, anstatt dass dann die Frauen zu einem illegalen Pfuscher zu gehen, oder es mit Selbstmedikation zu machen.

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