Flüchtlinge stricken an ihrer Zukunft

München - Im ersten Stock einer stillgelegten Druckerei in Freimann senkt sich ein Fuß auf das Pedal einer Nähmaschine aus den 50er Jahren. Der Fuß einer Frau, die einen weiten Weg gekommen ist, um sicher in Deutschland zu leben: Sie ist aus Somalia geflohen. Ein mechanisches Rattern ertönt. Und ein zufriedenes Lächeln breitet sich über ihrem Gesicht aus. Einer der Momente, für die Eva Schatz, Sophie Graber und Viola Zimmer in den letzten Wochen gearbeitet haben.
Im „BieBie“, dem Kreativenquartier in einer stillgelegten Druckerei in Freimann, ist die Initiative „BieBie One“ entstanden: Kreative aus verschiedenen Bereichen tun sich mit Flüchtlingen zusammen, um spannende Projekte entstehen zu lassen. Die freien Autorinnen Eva Schatz und Sophie Graber haben gemeinsam mit Viola Zimmer, die in der Künstlervermittlung arbeitet, Nähkurse auf die Beine gestellt. Sie haben mit dem Münchner Flüchtlingsrat zusammengearbeitet, Designer begeistert, Nähmaschinen aufgetrieben.
Lesen Sie hier: Pegida darf doch vor der Feldherrnhalle demonstrieren
Nähen, das ist etwas, das man gemeinsam, auf Augenhöhe machen kann. „BieBie One“ ist ein Projekt, das dann ansetzt, wenn die Erstversorgung überstanden ist: Eines, das die Menschen hier einbindet. Integriert. Eines Tages könnten hier vielleicht richtige Arbeitsstellen entstehen.
„Wir stehen noch am Anfang. Irgendwann wollen wir eine eigene Kollektion mit unseren Kursbesuchern entwickeln“, sagt Eva Schatz. „Gerade in der Mode finde ich es spannend, wenn verschiedene kulturelle Hintergründe aufeinandertreffen.“ Im Sommer fingen sie mit offenen Nachmittagen an. Unter der Leitung eines Designers entstanden Taschen, Loopschals, Kinderhosen. Mittlerweile hat sich eine Kerngruppe gebildet. Und die drei Initiatorinnen laden immer neue Leute ein; von der Bayernkaserne zum Beispiel oder von Flüchtlingsschulen. Auf dem „Ander Art“-Festival Ende September haben sie zum ersten Mal verkauft – ein erster Erfolg.
Gerade hat die Initiative ihre Feuerprobe bestanden: Kaum hatten die alten Nähmaschinen begonnen, regelmäßig in der kleinen, aus Spenden bestückten Werkstatt zu surren – da drohte „BieBie One“ das Aus. Für die alte Druckerei gibt es früher als geplant eine Abrissgenehmigung, Anfang November müssen die Künstler raus, die Nähwerkstatt inklusive. Eigentlich sollte das „BieBie“ bis nächstes Frühjahr existieren.
Lesen Sie hier: Zwei Jahre Knast für einen Schleuser
„Das war extrem kurzfristig“, sagt Eva Schatz. Aber: Im Turbotempo ergatterten sie einen neuen Raum im Kreativquartier „Mucca“ an der Schwere-Reiter-Straße. Alles gut? Fast. Spenden könnten dazu beitragen, dass es bald eine eigene Kollektion „Made in Munich“ gibt.
Wer Sachspenden wie Nähmaschinen oder Stoffe beisteuern möchte, kann sich an Sachspende@Biebie-One.com wenden. Das Projekt „BieBie One“ sammelt außerdem auf Betterplace.org.