Kampf dem Fachkräftemangel: Ideen von Firmen in München werden immer verrückter

Von Tätowierungen bis Micro-Cars – Unternehmen in Bayern und der Landeshauptstadt München lassen sich immer mehr einfallen, um Mitarbeiter zu gewinnen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Niclas Vaccalluzzo
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Viele Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeitern mittlerweile spezielle Vorteile an. (Symbolbild)
Viele Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeitern mittlerweile spezielle Vorteile an. (Symbolbild) © Daniel Naupold/dpa

München - Viele Unternehmen reagieren auf den Fachkräftemangel mit besonderen Lockmitteln für künftige Mitarbeiter. Die Liste scheint dabei grenzenlos zu sein. Was haben Unternehmen in Bayern an Besonderheiten zu bieten? Die AZ hat nachgefragt.

Das Bauunternehmen Siegfried Wagner e.k. im oberpfälzischen Waldmünchen bietet seinen Azubis sogenannte "Micro-Cars" zur freien Nutzung. Dabei handelt es sich um kleine Autos, die bis zu 45 Stundenkilometer schnell sind. Das Besondere: Sie können bereits mit dem AM-Führerschein befahren werden, den man schon mit 15 Jahren erwerben kann.

Bayerische Unternehmen trotzen dem Fachkräftemangel: Kostenfreie Micro-Cars für Azubis

Außerdem sind alle Kosten, die für die kleinen Gefährte anfallen, für die Azubis kostenfrei – die Firma übernimmt. Dazu zählen Treibstoff, Versicherung und Wartung. Genutzt werden dürfen die Mini-Autos sowohl geschäftlich als auch privat.

Der ländlich gelegenen Firma Wagner bietet das den Vorteil, dass Auszubildende trotz mangelnder Verkehrsanbindung den Weg zur Arbeit unkompliziert beschreiten können.

Seit einem Jahr habe man das Angebot im Programm, sagt Lena Wagner von der Baufirma Wagner. "Bis jetzt kommt es sehr gut an, gerade weil die Azubis dadurch unabhängiger werden und die Eltern nicht mehr als Taxi fungieren müssen, sagt sie.

Fachkräftemangel in Bayern: Mit besonderen Benefits Azubis anlocken

Den Fachkräftemangel bemerke man in der Branche bei jedem. Gerade deshalb müsse man auch neue Wege gehen. Besondere Benefits, so Wagner, seien daher ein guter Weg, um Azubis auf den Betrieb aufmerksam zu machen. "Wir haben dadurch schon mehr Anfragen", sagt sie.

Die Micro-Cars sind nicht alles, was man den Azubis anbietet. Im Unternehmen gibt es noch ein Radl-Leasing, bei dem Lehrlinge und alle anderen Mitarbeiter über die Firma Fahrräder und E-Bikes leasen können.

Lena Wagner mit einem Micro-Car.
Lena Wagner mit einem Micro-Car. © Siegfried Wagner e.k.

Ihre Mitarbeiter unterstützt die Firma Wagner auch mit der Übernahme der Kosten betriebsbedingter Fortbildungen. So und mit weiteren Benefits versucht man, Auszubildende und Fachkräfte für die Baubranche zu begeistern.

Hotelkette Ruby Hotels wartet mit ganz besonderer Idee auf

Auch die Hotelbranche hat mit Personalmangel zu kämpfen. Um sich "als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren und zu zeigen, dass die Hotellerie nach wie vor ein spannendes und abwechslungsreiches Arbeitsumfeld bietet", hat man bei Ruby Hotels ein ganz besonderes Programm ins Leben gerufen: kostenlose Tattoos für Mitarbeiter.

Seit Juni 2022 kann sich jeder Mitarbeiter, der bei der Hotelkette, während der Laufzeit der Kampagne bis Ende 2023, einen Vertrag unterschreibt, nach sechs Monaten ein neues Tattoo im Wert von bis zu 500 Euro auf Kosten des Unternehmens stechen lassen, sagt Ruby Hotels auf Anfrage der AZ. Aber auch ein neues Piercing oder ein Haarschnitt seien möglich.

Im ersten Moment denkt man sich vielleicht: Tätowierungen und Kundenkontakt, wie passt das zusammen? Für die Ruby Hotels erst recht ein Anlass zu zeigen, dass sie eine authentische und offene Marke seien. "Für uns stehen unsere MitarbeiterInnen und ihre Persönlichkeiten im Mittelpunkt."

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Trampolin, Bürohunde, Bierzapfanlage: Das volle Benefits-Programm bei Seokratie

Der Erfolg spricht für sich: Gerade in den ersten Monaten nach dem Start der Kampagne, habe man einen Anstieg der Bewerbungen um 25 Prozent verzeichnen können. Und auch heute noch liegen die Bewerbungen auf einem hohen Niveau. Auch bei den bestehenden Mitarbeitern komme die Kampagne gut an.

Ein Trampolin, mehrere Bürohunde und sogar eine Bierzapfanlage bietet Julian Dziki seinen Mitarbeitern. Er ist Geschäftsführer der Online-Marketing-Firma Seokratie GmbH in München. Besonders die Bürohunde haben es den Beschäftigten angetan. "Sie sind definitiv ein großer Wohlfühlfaktor", sagt Dziki. Zudem hätten die Hunde nachweislich eine positive Wirkung auf die Gesundheit der Mitarbeiter.

Laut einer Umfrage des Bundesverband Bürohund e.V. hat bereits jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland die Möglichkeit, seinen Hund zur Arbeit mitzunehmen.
Laut einer Umfrage des Bundesverband Bürohund e.V. hat bereits jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland die Möglichkeit, seinen Hund zur Arbeit mitzunehmen. © imago

Bürohunde sorgen bei der Münchner Marketing-Firma Seokratie für Harmonie

Und nicht nur das, Dziki spricht von einem beruhigenden Effekt. Würde man in seltenen Fällen während eines Meetings mal aus der Haut fahren, merken das die Hunde und sorgen so für mehr Harmonie.

Wer möchte, könne sich in der hauseigenen Zapfanlage ein Bier zapfen, so der Geschäftsführer. "Das wird von den Mitarbeitern auch gerne genutzt", sagt er. Der Bierkonsum beschränkt sich dabei aber auf den Feierabend. Dann komme man oft zusammen und bilde einen Mitarbeiter-Stammtisch.

Julian Dziki an der Bierzapfanlage.
Julian Dziki an der Bierzapfanlage. © Seokratie

Flexible Arbeitsbedingungen und Homeoffice: Arbeitgeber müssen sich neuen Modellen öffnen

Das Bürotrampolin wiederum sorge laut Dziki für "Frische im Kopf". Es handelt sich jedoch weniger um ein Trampolin zum möglichst hochspringen, sondern um eines, auf dem man stehe und sich auf und ab bewege. Dies wirke sich positiv auf die Rückengesundheit aus und sei besser als etwa ein Gymnastikball. Die Online-Marketing-Branche sei, so Dziki, mit am stärksten von Fachkräftemangel betroffen. Benefits wie Bürohunde hätten zwar einen Effekt auf die Bewerberzahlen, jedoch seien andere Dinge entscheidender bei der Gewinnung von Fachkräften.

"Das Wichtigste ist, dass man generell gute Bedingungen schafft", sagt er, "Benefits helfen nur dabei, ohnehin schon zufriedene Mitarbeiter noch zufriedener zu machen". Wichtiger seien aber Vorteile wie flexible Arbeitsbedingungen, Homeoffice oder Gleitzeit. Unternehmen, die vom Fachkräftemangel betroffen sind, müssen sich laut Dziki generell für die moderne Arbeitswelt öffnen. Längerfristig müssten dann auch alle anderen Unternehmen nachrücken.

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21 Kommentare
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  • Alois Dimpfelmoser am 03.08.2023 17:48 Uhr / Bewertung:

    Am Ende zählen Gehalt und bei Bildschirmjobs remote.

  • DonBobby am 03.08.2023 17:14 Uhr / Bewertung:

    "Ideen von Firmen in München werden immer verrückter."

    Die verrückteste aller verrückten Idee fehlt aber noch: Höhere Löhne.
    Total crazy, ich weiß.

  • Radl Rainer am 03.08.2023 16:17 Uhr / Bewertung:

    Warum nicht einfach mehr Gehalt bezahlen?

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