Wie die die S-Bahn in München Künstliche Intelligenz nutzt

Die Bahn muss ihre Züge warten und reparieren. Das ist aufwendig. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sollen helfen, die Prozesse zu beschleunigen. Die AZ hat sich die neue Technik und die Roboter vor Ort in München-Steinhausen angeschaut.
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Das da in den Schienen ist ein Roboter, der die S-Bahn von unten auf Schäden hin kontrollieren soll. Zum Beispiel stellt er fest, ob alle Schrauben fest sind. Bahn-Mitarbeiter können ihn mit einem Tablett steuern.
Daniel Loeper 6 Das da in den Schienen ist ein Roboter, der die S-Bahn von unten auf Schäden hin kontrollieren soll. Zum Beispiel stellt er fest, ob alle Schrauben fest sind. Bahn-Mitarbeiter können ihn mit einem Tablett steuern.
Der Roboter liegt flach in den Schienen und fährt mit einer Geschwindigkeit von einem halben Meter pro Sekunde unter die Bahn.
Daniel Löper 6 Der Roboter liegt flach in den Schienen und fährt mit einer Geschwindigkeit von einem halben Meter pro Sekunde unter die Bahn.
Drei Kameras sind an dem Roboter angebracht. Sie sollen Bilder von dem Unterboden der S-Bahn machen.
Daniel Löper 6 Drei Kameras sind an dem Roboter angebracht. Sie sollen Bilder von dem Unterboden der S-Bahn machen.
Über 200 Menschen arbeiten noch im Betriebshof in Steinhausen. Aber womöglich findet die Bahn keinen Nachwuchs. Deshalb soll KI helfen.
Daniel Löper 6 Über 200 Menschen arbeiten noch im Betriebshof in Steinhausen. Aber womöglich findet die Bahn keinen Nachwuchs. Deshalb soll KI helfen.
In den Schienen sind Taster eingebaut. Diese fahren sich aus, kurz bevor die S-Bahn anrollt. Dann überprüfen sie, ob die Räder rund sind.
Daniel Löper 6 In den Schienen sind Taster eingebaut. Diese fahren sich aus, kurz bevor die S-Bahn anrollt. Dann überprüfen sie, ob die Räder rund sind.
An diesem Gestell sind Kameras angebracht. Sie machen Tausende Bilder und dann findet ein Programm darauf automatisch die Schäden.
Daniel Löper 6 An diesem Gestell sind Kameras angebracht. Sie machen Tausende Bilder und dann findet ein Programm darauf automatisch die Schäden.

München - Welche Wörter würden Sie eher mit der Münchner S-Bahn in Verbindung bringen? Erstens: Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Oder zweitens: Störung, Verspätung, Zugausfall.

Nummer 2? Dann geht es Ihnen wahrscheinlich wie vielen. Die Bahn hat aber ihr Problem erkannt und steckt gerade viele Ressourcen in die Digitalisierung, und zwar dort, wo normalerweise kein Fahrgast hinkommt: in ihren Werkstätten. Die AZ hat sich das im Betriebshof in Steinhausen genauer erklären lassen.

Einmal im Monat zur Wartung: Münchner S-Bahnen im Sicherheitscheck

Hinter den Stationen Ostbahnhof, Leuchtenbergring und Berg am Laim liegt die S-Bahn-Werkstatt. Alle 300 S-Bahnen, die in und um München fahren, müssen hier etwa einmal im Monat zur Wartung, erklärt Evelyn Palla.

Sie ist Chefin des Regionalverkehrs der Deutschen Bahn. 240 Mitarbeiter würden hier in Steinhausen dafür sorgen, dass die Züge sicher sind und nicht ausfallen, sagt sie.

Über 200 Menschen arbeiten noch im Betriebshof in Steinhausen. Aber womöglich findet die Bahn keinen Nachwuchs. Deshalb soll KI helfen.
Über 200 Menschen arbeiten noch im Betriebshof in Steinhausen. Aber womöglich findet die Bahn keinen Nachwuchs. Deshalb soll KI helfen. © Daniel Löper

Ziel der Bahn sei, noch mehr Züge fahren zu lassen, sagt Palla. Doch das bedeute auch: Mehr Züge müssen gewartet und repariert werden. Die Bahn bräuchte dann mehr oder größere Werkstätten und vor allem mehr Mitarbeiter.

Doch sowohl Platz als auch Fachkräfte sind in München knapp. Die Bahn setze deshalb darauf, die Abläufe in den Werkstätten zu optimieren, so erklärt es Palla. Helfen soll dabei Künstliche Intelligenz.

S-Bahn München: Langwierige Prüfungen kosten Zeit und Geld

Bisher läuft es in der Werkstatt so ab: Ein Team von zwei oder drei Mitarbeitern nimmt die S-Bahn genau unter die Lupe. Von außen überprüfen die Mechaniker, ob das Fahrzeug Schäden hat. Um festzustellen, ob das Dach kaputt gegangen ist, muss jemand hochklettern. Außerdem vermessen sie die Räder, um festzustellen, ob sie noch wirklich rund laufen. Alleine das dauert drei Stunden pro Zug.

Auch den Unterboden kontrollieren die Werkstattmitarbeiter. Dafür müssen sie in die Gleisgrube hinabsteigen und dann die S-Bahn über ihnen genau untersuchen. Insgesamt kann so eine Inspektion um die sechs bis acht Stunden dauern. Philipp Skudlik arbeitet gerade daran, dass es in zwei oder drei Stunden geht. Er treibt mit seinem Team den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der S-Bahn voran.

Foto-Scanner mit Künstlicher Intelligenz beschleunigen Wartungsvorgang

Die S-Bahn muss dafür unter einem Gerüst durchfahren, an dem 15 Kameras angebracht sind. Sie machen von der S-Bahn um die 3.000 Bilder. "Die Daten sind so groß wie zwei Kinofilme", sagt Skudlik.

Müsste ein Mensch all diese Bilder durchforsten, würde es ewig dauern. Das Programm hat aber gelernt, Schäden automatisch zu erkennen und die entsprechenden Bilder herauszufiltern - etwa, wenn ein Ast auf dem Dach liegt.

In den Schienen sind Taster eingebaut. Diese fahren sich aus, kurz bevor die S-Bahn anrollt. Dann überprüfen sie, ob die Räder rund sind.
In den Schienen sind Taster eingebaut. Diese fahren sich aus, kurz bevor die S-Bahn anrollt. Dann überprüfen sie, ob die Räder rund sind. © Daniel Löper

Solche Kamerabrücken verwendet die Bahn nicht nur in Steinhausen, sondern an 14 Standorten in ganz Deutschland. Die Bahn arbeitet bereits mit ihnen.

Nur sei dieses System noch nicht offiziell zertifiziert, sagt Skudlik. Deshalb darf bis jetzt die Künstliche Intelligenz noch nicht alleine entscheiden. "Am Ende muss der Mensch immer noch mit drauf schauen."

KI-Programm noch in der Lernphase

Noch ist das wohl besser so: Denn momentan liege die Genauigkeit des Systems bei 90 Prozent, der Mensch ist bis jetzt noch besser. Aber das Programm lernt. Bei der S-Bahn ist man sich sicher, dass es bald genauer als der Mensch sein wird.

Denn einen schlechten Tag oder Müdigkeit kennt ein Computerprogramm freilich nicht. Ende 2024 soll das Programm auch offiziell mit Zertifikat eingesetzt werden, heißt es von der Bahn. Bei der Kontrolle des Unterbodens könnte das noch länger dauern. Denn der Roboter, der das in Zukunft für die Mitarbeiter übernehmen soll, wurde erst ganz neu entwickelt.

Der Roboter liegt flach in den Schienen und fährt mit einer Geschwindigkeit von einem halben Meter pro Sekunde unter die Bahn.
Der Roboter liegt flach in den Schienen und fährt mit einer Geschwindigkeit von einem halben Meter pro Sekunde unter die Bahn. © Daniel Löper

Dieser Roboter sieht anders aus als die aus dem Science-Fiction-Film: Er ist vier Meter lang und liegt in den Schienen. Er ist so flach, dass er unter die S-Bahn fahren kann. Drei Kameras sind an ihm angebracht. Mit einem Tablet steuert ein Mitarbeiter den Roboter und die Kameras.

In eine Grube muss er dafür nicht mehr hinabsteigen, er kann am Gleis stehenbleiben. Ziel ist, dass das System – so wie bei der Kontrolle von außen – die Schäden automatisch erkennt. Aber noch entwickelt ein italienisches Unternehmen den Roboter weiter.

Drei Kameras sind an dem Roboter angebracht. Sie sollen Bilder von dem Unterboden der S-Bahn machen.
Drei Kameras sind an dem Roboter angebracht. Sie sollen Bilder von dem Unterboden der S-Bahn machen. © Daniel Löper

Roboter sollen Wartungsvorgang mobilisieren und den Fachkräftemangel abfedern

Wenn er fertig und zugelassen ist, sollen die S-Bahnen für die Unterboden-Kontrolle nicht mehr zwingend in eine Werkstatt müssen. Der Roboter kann das dann auf jedem Abstellgleis übernehmen.

Schließlich braucht er - anders als ein Mensch – keine tiefe Gleisgrube mehr. Doch bis dieses System offiziell zugelassen ist, kann es noch dauern. Einen Antrag wolle die Bahn voraussichtlich im ersten Halbjahr 2024 stellen.

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Auch bei der Kontrolle der Räder setzt die Bahn auf Maschinen. Dieses System ist bereits zugelassen. Jetzt müssen die Mitarbeiter nicht mehr die Räder vermessen. Stattdessen rollt der S-Bahn-Zug über Taster, die sich von den Schienen ausfahren. Diese überprüfen automatisch, ob die Räder noch rund sind.

Und was verspricht sich die Bahn von all dem? Zum einen will sie so den Fachkräftemangel abfedern. In ein paar Jahren gehen nämlich viele Mitarbeiter in Rente. Hoffnung ist auch, dass die S-Bahnen schneller wieder raus aus der Werkstatt und auf der Schiene sind. "So wie beim Boxenstopp in der Formel 1", sagt Evelyn Palla, die Chefin.

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5 Kommentare
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  • Rudi B. am 02.08.2023 12:14 Uhr / Bewertung:

    Fachkräftemangel? 587.000 erwerbsfähige Zuwanderer u.a. aus Syrien, Afghanistan und Irak erhalten Bürgergeld, monatliche Kosten 436 Mio Euro. (Focus vom 2.8.2023)

  • Der wahre tscharlie am 01.08.2023 23:46 Uhr / Bewertung:

    In diesem speziellen Fall hat die KI durchaus ihre Berechtigung und ist auch sinnvoll.

  • Geradeaus-Denker am 01.08.2023 09:15 Uhr / Bewertung:

    Ein sehr interressanter Bericht. Eine funktionierende Bahn braucht vieles such "hinter den Kulissen. Bahn-Bashing ist dagegen leicht. Leider wird es noch viele Jahre dauern, bis die Folgen der jahrzehntelangen Unterfinanzierung der Bahn behoben sind. Andere Länder wie Schweiz, Österreich, Belgien und Italien sind deshalb viel weiter.

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