Von Mundsemmel bis Feinkost: Acht Geheimtipps für kulinarische Genussorte in München
München - Im Hochmittelalter war montags am Marienplatz Weinmarkt, Dienstag und Samstag fand der Getreidemarkt statt. Vor und an Festtagen rückten die Fischhändler an. Der Kartoffelverkauf sammelte sich am St.-Jakobs-Platz. Gerhard Ongyerth, Gründungsvater von Stattreisen, kennt die Historie wie wenige. Er lädt die AZ-Leser zu einem Spaziergang durch die kulinarische Geschichte Münchens ein. 33 Orte der Münchner Genussgeschichte stellt er vor.
Im neuen Buch "Von Salz bis Malz" erkundet er historische Genuss-Orte in der Innenstadt: Die Münchner Mundsemmel von der Hofbräuhaus Kunstmühle hat es ihm genauso angetan, wie die frühere Armenspeise "Rumfordsuppe" auf der Oidn Wiesn. Der Stadt-Kenner begibt sich auf die Spuren des Salzes auf der Breze und des Familienbetriebs Elly-Seidl-Pralinen: Die AZ hat acht Stationen seiner Genusswanderung mit historischem Tiefgang ausgesucht:

Genusstipp 1: Breze mit viel Salz am Promenadeplatz in München
Am Promenadeplatz in eine Laugenbreze beißen (vorher kaufen am Marienplatz)
Im Jahr 1370 kamen 6250 Fuhrwerke mit Salzscheiben aus Bad Reichenhall auf dem Münchner Salzmarkt an. Am Promenadeplatz standen der große und kleine Salzstadel. In denen wurde die Ware abgeladen und gelagert. Zerstoßen und unverpackt wurde das Salz auf neuen Fuhrwerken weggebracht. Die Münchner Salzstößlerzunft arbeitete hier. Bis 1778 waren die Salzstadl feste und prägende Elemente im Münchner Stadtbild. "Stellen Sie sich die Szenerie von damals vor. Am heutigen Promenadeplatz zeichnen die Bäume die Lage und Größe der ehemaligen Salzstadl nach", erklärt Gerhard Ongyerth den lukrativen Salzhandel.
Genusstipp 2: Fischbrunnen
Mit dem Wasser Hände- und Gesicht erfrischen
Frisches Quellwasser ist ein hochwertiges Genussmittel: 1343 war der Fischbrunnen vor dem Rathaus ein öffentlicher Bürgerbrunnen – ein Ziehbrunnen, dessen Schacht in das Grundwasser der Stadt reichte. Später wurde dorthin eine Wasserleitung mit Quellwasser aus Thalkirchen gelegt, damit die Münchner Fischer, die in den Stadtbächen und der Isar Aitel, Hechte und Krebse fischten, das frische Quellwasser nutzen konnten. Sie brachten ihren Fang in Körben und Bottichen zum Markt. Die lebenden Fische konnten die Händler in frisches Brunnenwasser hängen. Selbst im Winter bleibt der Fischbrunnen am Marienplatz aufgedreht. Eine Kritik jedoch hat der Autor: Leider hat die Stadt die Hundetränke am Fischbrunnen-Fuß entfernt.

Genusstipp 3: Urmünchnerische Oase
Brotzeit im Isartor-Turmstüberl
Für Gerhard Ongyerth ist das "der beste Ort darüber nachzudenken, wie die Mehrzahl von Semmel und Knödel richtig heißt". Für Karl Valentin war es klar, das Semmelnknödeln richtig ist. Der Südturm des Isartors beherbergt seit 1959 das Valentin-Karlstadt-Musäum. Eine ur-münchnerische Oase. Info für historisch Interessierte: Nach Abbruch der Münchner Stadtmauer um 1800 blieb das Isartor baulich zusammenhangslos und isoliert zurück.
Genusstipp 4: Die Mundsemmel
Viele Brote und Mehle gibt es in der Hofbräuhaus Kunstmühle
Die Kunstmühle Jakob Blum ist die einzige noch in der Stadt arbeitende Mühle. Hier wird Mehl für Brotmischungen, Grieß, Grütze und Spezialmehl für Pizza hergestellt. Seit 1988 gibt es den Mehl- und Getreideladen. Führungen durch den Mühlbetrieb sind möglich. Die Hausbäckerei stellt die traditionelle Münchner Mundsemmel her (Neuturmstraße 3 bis 3a, Mehlladen offen Montag bis Samstag 10 bis 18 Uhr, Bäckerei Montag bis Samstag 7.30 Uhr bis 18 Uhr.

Genusstipp 5: Bier, ohne zu bezahlen
Freibier am Bierbrunnen in der Maxvorstadt
Zur Zeit der Münchner Stadtgründung war Bier ein Grundnahrungsmittel. Vergorenes hatte wegen des Hopfens und Alkohol weniger Keime als das damalige Münchner Brunnenwasser. "Es wurde daher auch von Kindern getrunken", so der Autor. Mit Hafer, Wacholder, Lorbeer, auch Eichenrinde, Fichtennadeln, Ochsengalle oder ähnlichem zur Gärung und Farbgebung brauten Bürger eine Art Bier für den Eigengebrauch. Das Reinheitsgebot, das seit dem 23. April 1516 gilt, feiert das Brauerhaus in der Maxvorstadt jeden 23. April mit 1000 Litern Freibier. In der Maxvorstadt steht der Bierbrunnen mit drei Zuleitungen zum Brauerhaus und Zapfanlage am Brunnen (geöffnet am 23. April 2024, 11 bis 14 Uhr, Oskar-von-Miller-Ring 1).

Genusstipp 6: Regional und Bio
Der alte Stemmerhof am Sendlinger Berg
Landwirtschaft in der Großstadt – Kartoffeln aus München? Es gibt sie noch, die Stadtbauern, in Großhadern, Pasing, Allach, Feldmoching oder Perlach. Ende des 19. Jahrhunderts erkannte man, dass die Kartoffel auf dem Brachland um München gut wuchs. Der Stemmerhof am Sendlinger Berg war der letzte Münchner Kartoffelbauer mit Milchwirtschaft. 1992 grasten noch 42 Kühe auf der Streuobstwiese hinter dem Stemmerhof. Der dortige Biomarkt Stemmerhof ist ein besonderer Genusstipp: Der Laden ist auch genossenschaftlich organisiert. (geöffnet Montag bis Freitag von 9 bis 20 Uhr, Samstag 9 bis 16 Uhr, Plinganserstr. 6).

Genusstipp 7: Was nach Pfanni kam
In der Imbiss-Kantine im Werksviertel
Gutes aus München – das war laut Pfanni-Werbespruch "Gutes aus Kartoffeln". Hinterm Ostbahnhof hieß es noch in den Siebzigern: "Der Duft ihm in die Nase steigt, die Hausfrau stolz auf Pfanni zeigt." Bis 1996 waren hier die Pfanni-Werke mit Europas größter Knödelküche. Bauern aus Feldmoching, Ismaning und Vaterstetten lieferten ihre Kartoffeln per Traktor an. In Erinnerung an die Marken und das bekannte Orange empfiehlt der Autor in der Imbiss-Kantine ein Gericht mit Kartoffelknödeln (Werk 3, Montag bis Freitag 11 bis 15 Uhr, Atelierstraße 14).

Genusstipp 8: Rund und gut
Bei Elly Seidl probieren
Basis einer Praline ist feinste Kuvertüre aus Belgien und aus der Schweiz. Der Münchner Familienbetrieb Elly Seidl begann 1918 mit einem Feinkostladen auf der Maximilianstraße. In die Produktion von Pralinen stieg Elly Seidl 1945 ein, mit einer Manufaktur in Pasing. Ob mit Krokant, Marzipan oder Buttertrüffel: Inzwischen werden in Gräfelfing in Handarbeit 120 Sorten hergestellt. Der Favorit des Autors ist die Hausmischung Schöne Münchnerin alkoholfrei (Maffeistraße 1, Montag bis Donnerstag von 9 bis 13 Uhr und von 14 bis 18.30 Uhr. Freitag von 9 bis 18.30 Uhr, Samstag von 9.30 bis 14 Uhr).
Buchtipp: Gerhard Ongyerth: "Von Salz bis Malz". 145 Seiten. Volk Verlag, 20 Euro
- Themen:
- Karl Valentin
- München
- Oktoberfest
- Werksviertel