Firma braucht Früchte: Start-up aus München will Schnaps aus alten Obstsorten brennen

Joh's Eckart heißt die neue Schnapsbrennerei im Werksviertel. Zum Loslegen braucht die Firma noch viele Früchte aus den Gärten in München – und Geld.
Ruth Frömmer
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Noch steht der Laden im Werk 1.4 leer. Frühestens Ende des Jahres könnte es hier Schnaps zu kaufen geben.
Noch steht der Laden im Werk 1.4 leer. Frühestens Ende des Jahres könnte es hier Schnaps zu kaufen geben. © Martha Schlüter

Berg am Laim – Alte Obstsorten geraten in Vergessenheit. In der Großstadt lässt sich fast sagen: Echtes Obst gehört hier – zumindest in den Küchen – langsam der Vergangenheit an. Marmelade, Zwetschgendatschi und Kirschsaft gibt's schließlich fertig im Supermarkt. Dafür lohnt es sich nicht, einen Obstbaum zu pflegen. Für Garten- oder Schrebergartenbesitzer ist es oft zu mühsam, ihre Ernte komplett zu verarbeiten. Genau da setzen Fabian Glückert, Nikolas Fricke, der Pfanni-Nachfahre Werner Eckart und das Team von Joh's Eckart an.

Fabian Glückert vor der noch verplombten Brennanlage in seinem Laden im Werksviertel. Schon im Sommer könnte hier Schnaps gebrannt werden.
Fabian Glückert vor der noch verplombten Brennanlage in seinem Laden im Werksviertel. Schon im Sommer könnte hier Schnaps gebrannt werden. © Martha Schlüter

Die Familie Eckart hat in München bereits im 17. Jahrhundert Lebensmittel verarbeitet. 1868 eröffnete Johannes Eckart eine Fruchtsaft- und Conservenfabrik in München. 1949 gründete Werner Eckart die Pfanni Werke in München. Die Knödelfabrik gibt es schon lange nicht mehr. Mit dem Gelände ist danach viel passiert, aber das heutige Werksviertel Mitte ist noch immer in Familienbesitz.

Schnapsbrennerei im Werksviertel in München: Obst spielt hier die Hauptrolle

Und so hatte Werner Eckart, der Sohn des letzten Pfanni-Chefs Otto Eckart, die Idee, die Firma seiner Vorfahren, Joh's Eckart, genau hier wiederzubeleben. Der Gedanke dahinter: ein Stück Landwirtschaft zurück in die Stadt zu bringen – und Schnaps zu brennen. "Es gibt über 20.000 Apfelsorten. Aber im Supermarkt nur ein paar." Das findet Glückert schade. Die alten, in Vergessenheit geratenen Sorten will Joh's Eckart am Leben erhalten. Glückert ist sich sicher, dass auch in vielen Münchner Privatgärten noch viele Bäume stehen, die alte Obstsorten tragen.

Sieben Menschen arbeiten inzwischen zusammen und beschäftigen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit in all seinen Facetten. Zum Beispiel hat das Team eine Kompost-Rakete entwickelt, die aus den Essensresten der Lokale im Werksviertel innerhalb von einer Woche Humus herstellen kann. Ein Prototyp befindet sich gerade in der Testphase.

München: Mit einer Crowdfunding-Kampagne soll die Brennerei Joh's Eckart Fahrt aufnehmen

Das prominenteste Projekt ist die Stadtalm mit Schafen, Hühnern, Bienen – und acht Obstbäumen – auf dem Dach des Werk 3. Hier zeigt Fabian Glückert Schulklassen und anderen Interessierten, dass ökologische Vielfalt auch in der Stadt möglich ist. Noch mehr Schafe, Ziegen und Bäume stehen auf einer Wiese in Zamdorf.

Noch tragen die Obstbäume der Stadtalm oben auf dem Dach keine Früchte. Aber die Schafe und Hühner halten die Stellung.
Noch tragen die Obstbäume der Stadtalm oben auf dem Dach keine Früchte. Aber die Schafe und Hühner halten die Stellung. © Martha Schlüter

Aber das alles reicht noch längst nicht aus, um damit eine Schnapsbrennerei zu betreiben. Eine solche haben Eckart, Glückert und Fricke aber vor zwei Jahren ins Leben gerufen. Die Brennanlage steht schon im entsprechenden Laden im Werksviertel. Noch ist sie nicht angeschlossen und der Laden leer. Was fehlt, ist eine Anlage zur Obstverarbeitung, ein Obstmuser, Lagerfässer, Lagerequipment und weitere Gerätschaften.

Dafür hat Joh's Eckart vor Kurzem eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext gestartet. Im ersten Schritt benötigt das Unternehmen 10.000 Euro. Wer sich beteiligt, bekommt, je nach Einsatz, einen Gutschein (25 Euro), eine Flasche Obstbrand (50 Euro), einen zweitägigen Brennerkurs (250 Euro), ein exklusives Grill-Event auf dem Dachgarten im Werksviertel (1000 Euro) und einiges mehr.

Die Gründer wollen die Biodiversität in München fördern

Es geht Glückert und seinen Mitstreitern aber nicht nur um den Schnaps. Vielmehr möchte man damit einen Anreiz schaffen, die Biodiversität in der Stadt wieder zu fördern. Immer wieder fällen Menschen ihre Obstbäume, weil sie die vielen Früchte nicht gebrauchen können und weder Zeit für deren Verarbeitung noch für die Baumpflege haben.

Was es mal für Schnaps gab, kann man heute noch im Werk 3 sehen ...
Was es mal für Schnaps gab, kann man heute noch im Werk 3 sehen ... © Martha Schlüter

Glückert ist einmal in eine Schrebergartenanlage spaziert und hat die Kleingärtner über den Zaun gefragt, was sie mit ihren Äpfeln, Birnen, Mirabellen und Zwetschgen so anstellen. "Ich war erstaunt, wie viele Leute mir gesagt haben, dass sie ihre Früchte nicht ansatzweise verbrauchen können."

Auf dieses Obst hat er es abgesehen. Um die Ernte kümmert er sich mit seinen Kollegen. Im Gegenzug bekommen die Baumbesitzer, natürlich, Schnaps. Auf Wunsch schneidet das Joh's Eckart-Team die Bäume der Gartenbesitzer auch im Winter zu. Ganz nach dem Prinzip "Schützen und Nützen", wie Rückert der AZ erzählt.

... dort erzählt ein kleines Museum die Geschichte der Familie Eckart.
... dort erzählt ein kleines Museum die Geschichte der Familie Eckart. © Martha Schlüter

Gerade macht er eine Ausbildung zum Baumwart. Außerdem ist er bereits Edelbrand-Sommelier. Er will auch vermitteln, dass Trinken mit Genuss und Hochwertigkeit zu tun hat. Er möchte keinen billigen Alkohol produzieren, sondern hochwertige Obstbrände und erklärt der AZ den Unterschied: Beim Geist wird der Alkohol zugekauft, das Obst zum Aromatisieren dort eingelegt und dann gebrannt. Beim Brand werden 100 Prozent Früchte mit Hefe versetzt. Die Hefe entzieht den Zucker und scheidet Alkohol aus. Circa drei Wochen dauert der Gärprozess, dann wird aus der Maische der Schnaps destilliert. Der Alkohol wird hier komplett selbst aus dem Obst produziert.

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Und dafür braucht es viele Früchte. In den nächsten Wochen will das Team die Münchner Obstbaumbesitzer auf diese Möglichkeit aufmerksam machen. Wer keinen Baum besitzt, aber sich trotzdem beteiligen möchte, der unterstützt das Projekt mit einem Investment. Wenn genug Obst und Geld zusammenkommt, dann könnte schon im Sommer der erste Schnaps gebrannt werden. Spätestens im Winter gibt es dann im Schnapsladen von Joh's Eckart Edelbrände. Mit Früchten aus den heute noch geheimen Gärten der Münchner.


johseckart.de, Crowdfunding: www.startnext.com

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