Einst FKK-Hochburg: Immer weniger Nackerte in München

Warum die Nackerten auf dem Rückzug sind – und es trotzdem immer noch Anhänger dieser Kultur gibt.
von  Britta Schultejans, Umfrage: Daniel von Loeper
Flo Hinterhölzer
Flo Hinterhölzer © Daniel von Loeper

München - Wer FKK macht, habe ein besseres Körpergefühl und mehr Selbstbewusstsein. Das haben britische Forscher kürzlich vermeldet. Dennoch scheint diese besondere Form der Freizeitgestaltung – trotz heftiger Hitzewellen – immer mehr aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Und das auch in München, der einstigen FKK-Hochburg.

"FKK ist überhaupt kein Trend mehr. Die Geschichte der Freikörperkultur ist in eine neue Etappe eingetreten", sagt der Leipziger Sexualforscher Kurt Starke. Die Kennzeichen dieser Etappe: "Unwesentlichkeit" und ein neues "Nacktheitstabu". "FKK ist irgendwie altmodisch und zugleich deliberalisiert."

"FKK ist überhaupt kein Trend mehr"

Sogar der Deutsche Verband für Freikörperkultur (DFK), der in diesem Jahr 70 wird und nach Verbandsangaben mehr als 30.000 Naturisten vertritt, stellt fest: "Naturismus hat sicherlich nicht mehr den gleichen Stellenwert wie vor einigen Jahrzehnten, was mit der gesellschaftlichen Entwicklung zusammenhängen könnte."

Sexualforscher Starke führt all das auf mehrere Gründe zurück, unter anderem auf einen anderen Umgang mit dem Körper, der heute vielfach instrumentalisiert werde. "Es ist ein kostbares Instrument, das man nicht einfach so zur Schau stellt oder preisfrei preisgibt", sagt der Sexualwissenschaftler. Außerdem nennt er den "Terror der herrschenden Schönheitsideale – insbesondere auch für ältere Körper".

Immer weniger Nackerte in München

"Jedenfalls gibt es genügend Gründe, sich lieber nicht vollnackt zu zeigen", fasst Starke zusammen. "Das hängt auch mit der Haarfurcht ab Kinn abwärts zusammen: Da wird jedes Haar bekämpft, auch die Schamhaare."

Dabei hat FKK in Deutschland eine lange Tradition, wie Starke in einem Kapitel seines jüngsten Buches schreibt. Die Anfänge liegen in Deutschland um 1900. "Die Nacktkultur wurde von verschiedenen Schichten getragen und hatte demzufolge unterschiedliche Hintergründe und Formen." Vor allem nach dem Ersten Weltkrieg breitete sich die Freikörperkultur stark aus. Von 1945 an wurden dann für die FKK-Anhänger eigene Badestrände am Meer und an Seen und vor allem Zeltplätze abgetrennt oder eingerichtet.

In München sind Nackerte fast schon Exoten

In den 1970er Jahren wurde das Nacktbaden dann zu einem kleinen Trend, "oben ohne" auch bei Frauen war keine Besonderheit mehr. "So richtig durchgesetzt hat sich FKK in Deutschland aber nicht – außer im Osten." Und, möchte man aus Münchner Sicht hinzufügen, im Englischen Garten und am Flaucher. Inzwischen sind auch hier die Nackerten fast schon Exoten.

Auch wenn Nacktheit in der Öffentlichkeit dank jederzeit verfügbarer Smartphones schwieriger geworden ist – in FKK-Clubs schätzen die Mitglieder den Schutz, die Privatsphäre und eine ganz besonderes Ambiente. "Beim FKK geht’s ruhiger und respektvoller zu", sagt Blaschke. Vielleicht liege darum der Frauenanteil in den Clubs auch "bei weit über 50 Prozent". "Die Frauen leben das nahezu ausgiebiger als die Männer, die genießen es."

Münchner Stadtrat entscheidet: Oben ohne darf's schon sein

Und die Frage, wie viel Nacktheit öffentlich geht, ist in München ohnehin zurück in der öffentlichen Debatte. Nachdem es Kritik an einem Wachdienst gegeben hatte, der sonnende Frauen an der Isar aufforderte, ihre nackten Brüste zu bedecken, sah sich der Stadtrat genötigt, Fakten zu schaffen. Ende Juni entschied er einstimmig, dass Frauen sich "oben ohne" sonnen und ohne Bikinioberteil baden gehen dürfen. Badehose reicht. Aber die muss aus Sicht des Stadtrates auch sein – denn: Wenn sich alle "nackert" überall hinlegen könnten – "dann fühlen sich alle möglichen Leute belästigt" prophezeite Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle (SPD).

Die Debatte um Nacktheit auf jeden Fall ist noch lange nicht zu Ende. Die Grünen haben nun auch beantragt, dass man sich in Freibädern oben ohne sonnen dürfen soll. Schon am Mittwoch wird der Stadtrat darüber beraten.

AZ-Umfrage: Wo soll nackt baden erlaubt sein?

Flo Hinterhölzer
Flo Hinterhölzer © Daniel von Loeper

Flo Hinterhölzer (63), Ingenieur: "Ich finde, man sollte FKK überall machen dürfen – gerne auch in der Fußgängerzone. Ich mache selbst gerne FKK am Eisbach oder am Flaucher. Es ist ein Bekenntnis dazu, dass wir schön sind. Schließlich hat Gott uns so geschaffen, warum soll man sich dafür schämen. Mein Appell ist es, Menschen zu FKK zu ermuntern. Ich wäre auch dafür, dass man Sex in der Öffentlichkeit haben darf. Verklemmtheit finde ich schade. Das schränkt die Freiheit ein."

Sandra Conway
Sandra Conway © Daniel von Loeper

Sandra Conway (50), Lehrerin: "Ich finde, jeder sollte es machen, wie er will. Die einen baden nackt am Flaucher oder im Eisbach, die anderen eben mit Badebekleidung. Für mich selber ist das Nacktbaden kein Thema, ich gehe mit Badeanzug oder Bikini schwimmen. Die Entscheidung, was er trägt, sollte jeder selbst treffen können. Oben ohne in Freibädern wäre für mich auch okay, das stört niemanden. Den Leuten eine gewisse Freiheit zu lassen, ist gut."

Gabriele Schmidt
Gabriele Schmidt © Daniel von Loeper

Gabriele Schmidt (60), Zahnarzthelferin: "FKK gab es schon vor 40 Jahren, an der Isar und etwas später im Englischen Garten. Die Spanner waren damals unangenehm, ich habe das ja nicht gemacht, um als Schauobjekt da zu sein. An einem der schönen Seen rund um München bade ich heute noch nackt, bloß nicht mehr direkt an der Isar. Die sollte der Jugend vorbehalten sein. Ich finde es gut, wenn nur gewisse Bereiche dafür vorgesehen sind."

Günter Conway
Günter Conway © Daniel von Loeper

Günter Conway (50), Lehrer: "Früher und auch heute gehe ich gerne nackt im See baden. Das ist normal, ein sehr ursprüngliches Gefühl. Der Mensch wird doch nackt geboren. Man muss meiner Meinung nach auch den etwas prüderen Menschen entgegenkommen und in den Freibädern bestimmte Zonen schaffen. In den 80ern habe ich FKK in München miterlebt, da war das gang und gäbe. Jetzt ist es weniger geworden. An Seen sind Zonen für FKK sicher sinnvoll."

Lesen Sie hier: Nach AZ-Bericht über Isar-Security - Wirbel im Stadtrat

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