Dunkle Anfänge: Als Hitler im Benz zu BMW kam

Die Motorenwerke profitieren einst stark vom Krieg und zwingen KZ-Häftlinge zur Arbeit bis in den Tod. Welche Schatten über den Anfängen der Firma liegen – und wie der Konzern heute damit umgeht.
von  Christian Pfaffinger
Luftangreifer unterm Hakenkreuz: das Jagdflugzeug Focke-Wulf Fw 190 mit Doppelsternmotor BMW 801 von 1942.
Luftangreifer unterm Hakenkreuz: das Jagdflugzeug Focke-Wulf Fw 190 mit Doppelsternmotor BMW 801 von 1942. © BMW-Archiv

Auch wenn Adolf Hitler sich in einem Benz durchs Milbertshofener Werk kutschieren lässt, schätzt er die Bayerischen Motorenwerke. Das zeigt allein sein Besuch im Juli 1935, wenige Jahre bevor BMW zum Kriegsausstatter des Diktators wird, Motoren für dessen Bomber baut und dafür KZ-Häftlinge zur Arbeit zwingt.

Weil ihm das nützt, lässt sich Hitler schon 1935 durchs Werk fahren, sich von den Bossen die Hallen zeigen, die Modelle. Die Bilder, die dabei entstehen, machen die BMW AG damals stolz. Heute sind sie eine Schande.

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Nazizeit als dunkelstes Kapitel der Firmengeschichte

 

Die Nazizeit ist das schlimmste Kapitel in der Geschichte der BMW AG. Doch schwierige Zeiten gab es noch mehr. Wenn heute jemand hundert Jahre alt wird, dann hat er viel erlebt – und darunter auch viel Schlimmes. BMW geht es da nicht anders. Krieg, Ausbeutung, Leid und Scheitern gehören genauso zur Historie des Autobauers wie die grandiosen Erfolge. Die Geschichte von BMW, sie ist eine sehr deutsche Geschichte.

Bereits die BMW-Ursprünge sind militärisch geprägt. Die beiden Firmen, aus denen später die Bayerischen Motorenwerke hervorgehen werden, bauen im Ersten Weltkrieg Motoren für die Luftstreitkräfte des Deutschen Kaiserreichs. Mit dem Krieg wird BMW groß, die Preußische Heeresverwaltung setzt auf Motoren aus Bayern. Mit der Niederlage scheint aber auch das Ende der Werke gekommen, denn der Versailler Vertrag verbietet den Motorenbau.

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BMW hilft beim Nachbar Knorr-Bremse aus, stellt sogar mal Töpfe her – und bastelt lediglich heimlich an Motoren. für Flugzeuge. Mit dem ersten BMW-Motorrad 1923 geht’s dann wieder bergauf, 1928 startet die Autoproduktion. Die sollte bald aber schon wieder Nebensache sein.

 

Die Motorenindustrie profitiert enorm vom Angriffskrieg Hitlers

 

Denn Adolf Hitler ergreift die Macht und instrumentalisiert die BMW-Werke – wie auch andere Unternehmen – als Zulieferer für seinen Angriffskrieg. Der wirtschaftliche Aufschwung ist enorm. Innerhalb von nur fünf Jahren wächst die Zahl der Beschäftigten in der Flugzeug- und Motorenindustrie auf mehr als das Zwanzigfache an.

BMW profitiert und errichtet eine Flugmotorenfabrik in Allach, die zum Schandfleck der Unternehmengeschichte wird. Dort setzt BMW Zwangsarbeiter ein, um den Doppel-Sternmotor BMW 801 zu produzieren.

Hitler wollte anfangs immer mehr, als BMW produzieren konnte, deshalb wurden die Zustände in Allach immer schlimmer. BMW zwingt KZ-Häftlinge zur Arbeit. Weil das Lager in Dachau zu weit weg ist, wird vor Ort in Allach eine Baracke errichtet. Es ist, so muss man es nennen, ein firmeneigenes KZ. Unter dem Arbeitszwang von BMW sterben über 2000 Häftlinge an Hunger, Kälte oder Entkräftung. Nach dem Krieg werden die BMW-Bosse damit unbelangt davonkommen.

 

BMW repariert nach Kriegsende Fahrzeuge der Alliierten

 

Im unzerstörten Werk Allach muss BMW nach Kriegsende Fahrzeuge der Alliierten reparieren, erst 1965 wird man es an den Triebwerkbauer MTU verkaufen. Mit der Isetta und anderen Modellen macht sich BMW in den Fünfzigern einen Namen als Autobauer, der Aufschwung steht im Vordergrund, die Kriegslast wird wie in so vielen Betrieben schlicht ignoriert. Doch BMW sollte noch einmal indirekt von Zwangsarbeit profitieren.

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Nämlich 1959, als auf der Hauptversammlung des Unternehmens die Übernahme durch Daimler verhindert wird und der Industrielle Herbert Quandt Großaktionär wird. Das Geld, mit dem Quandt BMW rettet, wurde auch mit Leid und Ausbeutung verdient.

Sein Vater Günther Quandt war als Chef der Accumulatoren Fabrik Aktiengesellschaft (Varta) reich geworden. In seinen Batteriefabriken hat er auch Häftlinge aus Konzentrationslagern schuften lassen. Die Zustände waren grausam. Ein Überlebender wird später erzählen, dass die Zwangsarbeiter in der Batteriefabrik ausgepeitscht worden seien, dass man ihnen kein Wasser gab und sie aus den Toiletten trinken musste, dass es sogar einen Exekutionsplatz mit Galgen gegeben habe.

 

BMW arbeitet die dunkle Vergangenheit als erster Konzern auf

 

Lange Zeit wird über all das geschwiegen. Bis in die 80er hinein. Dann wagt sich BMW in die dunkle Vergangenheit: Als erster großer Industriekonzern Deutschlands lässt BMW seine Vergangenheit im Nazi-Regime wissenschaftlich aufarbeiten.

Heute geht der Konzern verantwortungsbewusst mit dieser Vergangenheit um. Der Konzern zählt zu den Gründungsmitgliedern der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter.

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Die Unternehmensstiftung BMW Stiftung Herbert Quandt fördert zudem gesellschaftliche Anliegen. Zum Jubiläum haben sowohl die BMW-Hauptanteilseigner Susanne Klatten und Stefan Quandt – die Kinder des 1982 verstorbenen Herbert Quandt – als auch die Firma selbst das Vermögen der Stiftung erhöht.

Bei der 100-Jahr-Feier diese Woche hat BMW-Chef Harald Krüger trotz Feierlaune auch das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Bayerischen Motorenwerke angesprochen. Dieses Kapitel schmerze bis heute sehr, sagte er. Und: „Wir bedauern dies zutiefst.“

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