Der Motorenmann: Adolf Fischer und sein V12-Motor

Experten und ihre Leistung haben das Unternehmen groß gemacht. Adolf Fischer hat für BMW einen V12-Motor konstruiert – den ersten der Nachkriegszeit. Die Geschichte einer Sensation im Autobau.
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Fischer entwarf Anfang der Achtziger Jahre den Motor am Reißbrett.
Ch. Pfaffinger, BMW Fischer entwarf Anfang der Achtziger Jahre den Motor am Reißbrett.

Experten und ihre Leistung haben das Unternehmen groß gemacht. Adolf Fischer hat für BMW einen V12-Motor konstruiert – den ersten der Nachkriegszeit. Die Geschichte einer Sensation im Autobau.

München - Was Adolf Fischer da eines Morgens für ein Etwas aus dem Bungalow im Münchner Osten trägt, kann niemand wissen. Schwer muss es sein, denn er trägt es nicht alleine. Wertvoll auch, denn es ist gut verpackt. Niemand ahnt, dass es da ein Geheimnis gibt, keiner hat bislang bemerkt, dass Fischer in seinem Keller etwas versteckt hat. Dass das geheime Etwas eine Sensation wird, kann zu diesem Zeitpunkt niemand wissen.

Nur wenige Monate zuvor in Milbertshofen. Hier im Münchner Norden hat der Automobilhersteller BMW seinen Stammsitz, und hier überlegen die Chefs des Konzerns im Spätherbst 1982, wie sie den großen Konkurrenten Daimler treffen könnten. Deren S-Klasse gilt damals als Krone des deutschen Autobaus. Der Edel-Benz ist die Referenz im Premiumsegment – und die Münchner stehen dort im Schatten der Schwaben. Sie brauchen etwas Spektakuläres.

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Die Idee: ein V12-Motor. Zwölf Zylinder in zwei Reihen, die in einem Winkel zueinanderstehen. Seit dem Zweiten Weltkrieg, als vor allem Flugzeuge mit BMW-V12-Motor ausgestattet waren, hatte kein Autohersteller in Deutschland einen solchen Motor im Programm. Daimler hat Anfang der Achtziger in seinem Spitzenmodell nur einen V8.

Der damalige BMW-Entwicklungsvorstand Karlheinz Radermacher will den Zwölfzylinder und setzt das Vorhaben in der Chefetage durch. Er sieht eine große Chance, und er weiß auch schon, wer sie umsetzen soll.

 

Mit 15 baut er seinen ersten Verbrennungsmotor

 

Adolf Fischer ist damals 42 und Konstruktionsleiter Grundmotor bei BMW. Er gilt bei seinen Chefs als begnadeter Maschinenbauer sowie als erfahrener Experte. Seinen ersten Verbrennungsmotor hat er schon mit 15 Jahren gebaut: in seiner damaligen Lehrfirma und in seiner Freizeit. Später ist er mehrere Jahre in der Konstruktion beim Flugzeugbauer Heinkel.

1968 kommt er zu BMW. Dort wird er, so sagen es Führungskräfte von damals, zum geschätzten Experten, zum Motorenmann. Und dieser Motorenmann soll das Projekt V12 umsetzen: Im November 1982 bekommt Fischer den Auftrag, einen Zwölfzylindermotor konstruktiv zu gestalten. Ab dann gibt es nahezu keine Gespräche mehr – es gilt strengste Geheimhaltung. Ein junger Mitarbeiter kommt hinzu, er ist erst wenige Wochen im Beruf. Beengt in Fischers Büro arbeiten die beiden täglich weit über die normale Arbeitszeit hinaus.

„Eine Meisterleistung“, sagt der damalige Entwicklungsvorstand Am 10. Januar 1983 ist der Entwurf fertig und die Detailkonstruktion des Zylinderkurbelgehäuses abgeschlossen. Noch am gleichen Tag wird der Entwurf in einer externen Gießerei abgesprochen. Nur wenige Wochen, nach dem Projektstart. „Er hat den Motor in unfassbar kurzer Zeit konstruktiv gestaltet“, sagt der damalige BMW-Entwicklungschef Radermacher. „Eine Meisterleistung. Der V12 ist vor allem sein Werk.“

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Das hört Adolf Fischer nicht gern. Zu bescheiden ist er. Vieles, was er erzählt, schließt er mit dem Zusatz „das nur nebenbei“ ab. Er erzählt aus Faszination vom Maschinenbau. Etwa, dass kein Produkt so mit dem Menschen vergleichbar sei wie ein Motor, der ein Herz habe, einen Kreislauf, sogar Charakter. Der heute 76-Jährige ist ein praktischer Mensch, einer, der macht und dem man es anmerkt, dass er akkurat ist, streng sein kann, aber große Wertschätzung für gute Arbeit hat. Entsprechend ist er auch zu sich selbst.

„Fleiß und Erfahrung, das ist alles“, sagt er. Fischer liebt den großen Auftritt nicht, er liebt Motoren. Den V12 konstruiert er so, dass künftig weitere Varianten möglich sind. Der Motor ist leicht sowie fertigungs- und montagetechnisch kostengünstig. Er ist zunächst auf fünf Liter Hubraum ausgelegt, erweiterbar auf sechs. Nach und nach werden Einzelteile fertig, bestellt bei Mitentwicklern außer Haus, denen man in Sachen Geheimhaltung vertraut. Adolf Fischer holt die Teile selbst ab oder lässt sie sich privat anliefern. So kann er den ersten funktionsfähigen Prototypen des Motors daheim in seinem Keller zusammenfügen.

 

Planung unter strengster Geheimhaltung

 

Am 27. Juli 1983, halb 6 Uhr morgens, fährt Adolf Fischer mit einem geschlossenen Anhänger an die Pforte des BMW-Werks 1 in der Riesenfeldstraße in München. Der Werkschutz hat Weisung, ihn nicht zu kontrollieren. Sie winken ihn durch. Fischer schafft den Motor auf einen vorbereiteten, uneinsehbaren Prüfstand. Die Testphase beginnt.

Mehrere Monate vergehen. Konkurrenten und Presse scheinen das Geheimnis zu wittern. In den Gaststätten um das Werk herum sitzen Spitzel, die lauschen und darauf hoffen, dass das Bier einem der BMW-Mitarbeiter die Zunge lockert. Doch niemand erfährt etwas.

Im Mai 1984 kommt der Motor zum ersten Einsatz in eine alte 735i-Limousine, später in den Prototypen des neu entwickelten 7ers. Der Motor ist so geheim, dass die Motorhauben der Testautos mit Vorhängeschlössern abgesperrt sind. Ein Motor für BMW, aber auch für Hubschrauber und Hovercrafts.

Am 5. März 1987 ist es so weit: BMW stellt auf dem Genfer Automobilsalon sein neues Luxusmodell 750i mit dem V12-Motor vor. Die Fachwelt ist beeindruckt. Mit Fischers Konstruktion ist den Münchnern ein grandioser Coup gelungen – der „Bulle aus Bayern“, schreibt die Autopresse damals.

In Adolf Fischers Karriere folgt ein V8-Motor in mehreren Varianten. Doch vor allem sein V12 ist ein Meilenstein, der nicht nur den BMW 7er antreibt (1994 wurde der Motor zum ersten Mal überarbeitet, in der aktuellen Baureihe hat die Luxus-Sportversion M760Li einen V12), sondern auch in einem Hubschrauber, einem Hovercraft sowie gleich zweimal im englischen Doppeldecker-Flugzeug „Vimy“ zum Einsatz kommt. Modelle der Fahrzeuge stehen auf einer Kommode in der Wohnküche eines schmucken Bauernhauses im niederbayerischen Rottal, wo Adolf Fischer heute lebt.

Es ist ein kleines Dorf zwischen Äckern und Wiesen, wo die Telefonnummern kurz sind und die Leute ihr Haus nicht immer absperren. Hier in diesem Idyll wohnt Fischer mit seiner Frau. Hier hat er auch eine beeindruckende Auto- und Traktorensammlung, vor allem Modelle von BMW und Schlüter. Adolf Fischer steht in der Sonne vor seinem Haus, als ein Bauer auf einem Traktor vorbeifährt. Die beiden grüßen sich. „Der war kürzlich bei mir, weil der Motor von seinem Traktor kaputt war“, sagt Fischer. „Ich habe ihn repariert.“ Kein Motor, um den er sich nicht kümmern würde.

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