Droht die Koalition in Bayern zu platzen? "Deutschlands erfolgreicher Gegenentwurf zur Ampel"
München - Die Wähler in Bayern haben am Sonntag entschieden, die CSU bleibt die stärkste Kraft im Landtag. Auf Platz zwei folgen die Freien Wähler, eine "Spezi"-Koalition ist also weiter möglich im Freistaat. Doch schon vor den Sondierungsgesprächen gibt es Streit. Wie geht es nun weiter? Die AZ hat mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Freien Wähler, Fabian Mehring, gesprochen.
AZ: Herr Mehring, Ministerpräsident Söder sagt, die Freien Wähler (FW) hätten sich seit "Erding" verändert. Markus Blume (CSU) und Martin Hagen (FDP) verorten die FW eindeutig rechts der Mitte. Haben sie recht?
FABIAN MEHRING: Ich selbst dürfte wohl der profilierteste Anti-Rechts-Redner im letzten Landtag gewesen sein und habe mich diesbezüglich ebenso wenig verändert wie meine Partei. Wir Freien Wähler haben in Bayern 45.000 Mitglieder, stellen 14 Landräte, Hunderte Bürgermeister und Tausende Bezirks-, Kreis-, Stadt- und Gemeinderäte. In vielen Kommunen des Freistaats sitzen mehr FW-Kommunalpolitiker im Gemeinderat, als die Ortsverbände von SPD oder FDP Mitglieder haben. Unsere politische Heimat ist und bleibt dabei geradewegs in der Mitte. Wir sind Bayerns Bollwerk gegen linke Ideologen und rechte Spinner zugleich und haben an unseren Positionen nicht das Geringste verändert. Wer uns im politischen Spektrum weiter rechts sieht, sollte sich deshalb eher fragen, ob er sich selbst vielleicht vom Zeitgeist nach links treiben gelassen hat.

"Regierungsbündnis aus Freien Wählern und CSU ist erfolgreicher Gegenentwurf zur Ampel"
Die FW rechnen sich einen Kabinettsposten mehr aus, die CSU sagt, Sie seien schon bisher überrepräsentiert. Kann eine Wiederauflage der Bayern-Koalition an Personalfragen scheitern?
Zur vom Ministerpräsidenten zu Recht eingeforderten Demut vor dem Wähler gehört es, das Abstimmungsergebnis der Menschen in Bayern zu akzeptieren und in konkreter Politik zu spiegeln. Die Wähler im Freistaat haben klar entschieden, dass sie sich eine Fortsetzung unserer Bayern-Koalition mit gestärkten Freien Wählern wünschen. Wie wir dieses erfreuliche Votum konkret abbilden, werden wir in den nächsten Tagen in aller Ruhe mit unseren Partnern von der CSU besprechen. Entscheidend ist: Unser Regierungsbündnis aus Freien Wählern und CSU ist Deutschlands erfolgreicher Gegenentwurf zur Berliner Ampel-Politik und wurde am Sonntag eindrucksvoll bestätigt.
Söder hat einen anderen Umgang mit den FW angekündigt. Theaterdonner? Worauf stellen Sie sich in der Koalition und im Kabinett ein?
Ich rate davon ab, jedes rhetorische Fingerhakeln immer gleich als großen Donner zu bewerten. In Deutschland konkurrieren derzeit zwei grundverschiedene Politikmodelle: das linke Modell der Ampel und der bürgerlich-liberale Ansatz unserer Bayern-Koalition. Das Streithansel-Gehabe der Ampel, das die Menschen in ganz Deutschland nervt, werden wir deshalb auch zukünftig nicht nach Bayern importieren. Ich gehe stattdessen davon aus, dass unsere Bayern-Koalition auch in ihrer zweiten Auflage wieder vertrauensvoll und geräuschlos zusammenarbeiten wird. Das erwarten jedenfalls die Bürger von uns. Schließlich sind wir zum gemeinsamen Erfolg verdammt, um die AfD im Zaum zu halten und der Ampel die Stirn zu bieten, die jeweils etwas völlig anderes mit unserem Land und seinen Menschen vorhaben als unser Bündnis der Vernunft auf FW und CSU.
Söder sieht die Freien Wähler als "Hauptkonkurrent" für die Bundestagswahl
Was bedeutet Söders Ansicht, die FW seien "Hauptkonkurrent" für die kommende Europa- und Bundestagswahl? Können Koalitionspartner harte Wahlkämpfe gegeneinander ausfechten?
Sämtliche Koalitionspartner in ganz Deutschland stehen bei überregionalen Wahlen naturgemäß immer miteinander in politischer Konkurrenz. Das entspricht dem Normalfall in einer Demokratie und wird unsere erfolgreiche Bayern-Koalition nicht belasten. Ein fairer Wettbewerb unter politischen Partnern ist die Triebfeder jeder Demokratie.
Ist auch für die FW der "Hauptkonkurrent" in Zukunft die CSU?
Wir Freien Wähler machen keine Politik gegen andere Parteien, sondern für die Menschen in Bayern. Wir werden uns deshalb auch in Zukunft nicht an unseren Mitbewerbern abarbeiten, sondern unsere Energie darauf verwenden, unsere eigenen Ideen umzusetzen.
Verstehen Sie die Angst der CSU, die FW könnten ihr so viele Stimmen abnehmen, dass sie bei der Bundestagswahl die Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr erreicht?
Selbstverständlich. Keim dieser Sorge ist jedoch nicht der Erfolg von uns Freien Wählern, sondern die Wahlrechtsreform der Ampel. Sie hat im Stile Trumps ihre Mehrheit dazu genutzt, die Spielregeln unserer Demokratie zulasten ihrer Mitbewerber zu verändern. Sollte die CSU tatsächlich je aus dem Bundestag fliegen, liegt das also am Taschenspielertrick der Ampel und nicht am Erfolg von uns Freien Wählern.
Die politische Heimat der freien Wähler ist unverändert die Mitte
Söder hat sich abwertend zur Arbeit der FW-Minister in seinem Kabinett geäußert. Wie kommt das bei Ihnen an?
Es gehört nicht zu meinen Aufgaben, einzelne Kommentierungen unseres Ministerpräsidenten zu bewerten. In meiner Verantwortung bei uns Freien Wählern kann ich sagen, dass wir auch in Zukunft nicht schlecht über die Arbeit unserer Partner sprechen werden. Schließlich treffen wir alle Entscheidungen im Kabinett gemeinsam und nach Maßgabe der Richtlinienkompetenz von Markus Söder.
Söder hat die FW aufgefordert, ihre Position im Parteienspektrum zu klären. Sehen Sie nach der Erdinger Rede Ihres Vorsitzenden Klärungsbedarf?
Unsere Position im Parteienspektrum ist geklärt und unverändert. Die politische Heimat von uns Freien Wählern ist die Mitte. Der Wahlsonntag hat gezeigt: Alle, die aus parteitaktischen Gründen versucht haben, einen anderen Eindruck zu erwecken, sind damit beim Wähler auf dem Bauch gelandet.