Drei Tage danach: Es ist wieder Schlussverkauf
Der Verkehr fährt wieder, die Geschäfte sind geöffnet, Menschen mit schweren Einkaufstüten schieben sich durch die Glastüren des Olympia-Einkaufszentrums. Es soll wieder Alltag einkehren an dem Ort, an dem am Freitag neun Menschen das Leben genommen worden ist. Doch schon am Eingang des Shopping-Centers sieht man, dass das so einfach nicht geht.
Ein Blumenmeer liegt dort, es ist übers Wochenende noch einmal größer geworden. Man sieht Fotos der Opfer, daneben Kerzen und vom Regen durchnässte Teddybären. „Ist das nicht traurig, all die unschuldigen Menschen“, sagt eine ältere Passantin.
Den McDonald's wird es so nicht mehr geben
Schräg gegenüber: die McDonald’s-Filiale, in der Ali David S. am Freitagabend seine ersten Schüsse abgefeuert hat. Sie ist geschlossen, die Fenster sind mit braunem Papier abgeklebt, das gesamte Gebäude mit Bauzäunen umstellt, über die man schwarze Planen gehängt hat – als Sichtschutz vor neugierigen Blicken. Die Filiale werde es in ihrer jetzigen Form nicht mehr geben, hat ein Sprecher der Fastfood-Kette bereits erklärt. Man will sie umbauen, wie, wisse man noch nicht.
Drinnen im OEZ haben die meisten Geschäfte am Montag wieder geöffnet. Sie locken ihre Kunden mit Rabatten bis zu 70 Prozent. Es ist Sommerschlussverkauf, wie jeder Jahr. Nur wer hätte gedacht, dass der Sommer heuer so traurig endet, noch bevor er richtig begonnen hat. Nur wenige Ladenbesitzer haben ihre Gitter unten gelassen.
„Heute ist nichts los“
„Es ist wenig los“, sagt Hatice Ersay, die an einer der Informationen im Einkaufszentrum sitzt. Nein, sie sei am Freitag nicht hier gewesen: „Sonst hätte ich heute auch nicht hier arbeiten können.“
Germano Zocco war Freitagabend im OEZ, er ist heute wieder hier, steht hinter der Bar eines italienischen Cafés im Untergeschoss. „Es war eine Katastrophe“, erzählt er. Die Menschen seien in Panik in das Schuhgeschäft nebenan gelaufen und hätten dort ausgeharrt. „Heute ist nichts los“, sagt Zocco. Sein Kollege, Luigi Branciamore nickt: „Die Leute sind geschockt.“ Diejenigen, die doch ins OEZ kommen, seien angespannt.
Es ist eine zerrissene Stimmung im Einkaufszentrum. Schnäppchenjäger ziehen in Gruppen durch die Gänge, dann wirkt es so, als sei alles normal, ein durchschnittlicher Vormittag an einem unbelasteten Ort. Wenige Meter später wiederum ist es seltsam verlassen im OEZ. Verkäufer stehen fast ratlos an der Eingangstür ihrer Geschäfte, vielen sitzt der Schreck noch in den Gliedern, man sieht es in ihren Gesichtern.
Wiesn wirksam abriegeln“ - Kommt ein Rucksack-Verbot?
Es sind Menschen wie Michael Ibler, die sich um sie kümmern. Der Diakon aus Kirchheim ist Teil des Seelsorger-Teams, das heute das Gespräch mit Besuchern und Angestellten im OEZ sucht. „Die Menschen reagieren sehr unterschiedlich“, sagt er. Die Belastung sei jedoch da, sichtbar durch Schlafstörungen und Schreckhaftigkeit. „So reagieren gesunde Menschen, wenn ihnen etwas Schreckliches passiert“, sagt Ibler. Wichtig sei dann, dass die Menschen darüber sprechen: „Wer redet, dem höre ich gerne zu, denn wer redet, verarbeitet.“
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