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Die AZ unterwegs mit Dominik Krause: So sieht ein Tag als Bürgermeister in München wirklich aus

Diese Woche wurde Dominik Krause von den Grünen als Zweiter Bürgermeister von München vereidigt. Die AZ hat ihn bei der Arbeit begleitet – von 8.20 Uhr morgens bis 20.30 Uhr abends.
von  Christina Hertel
Dominik Krause ist mit 33 Jahren der jüngste Münchner Bürgermeister. Aber im Stadtrat hat er schon seit zehn Jahren Erfahrung.
Dominik Krause ist mit 33 Jahren der jüngste Münchner Bürgermeister. Aber im Stadtrat hat er schon seit zehn Jahren Erfahrung. © Sigi Müller

München - Es ist 8.19 Uhr, eine Minute hat Dominik Krause noch, dann kommt er zu spät. In der Kaffee-Küche in seinem Vorzimmer stehen noch Sektgläser. Gabs eine Party gestern? Achwo, winkt einer seiner Mitarbeiter ab, angestoßen haben sie, kurz zur Feier des Tages: Am Vortag wurde Dominik Krause von den Grünen zum Zweiten Bürgermeister vereidigt, mit 33 Jahren ist er der jüngste, den es je in der Stadt gab. Die AZ ihn am Tag nach seiner Vereidigung begleitet.

Diese Woche hat der Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) Dominik Krause ganz offiziell zum Zweiten Bürgermeister gemacht. Nach der Wahl durch den Stadtrat fehlte noch die Vereidigung.
Diese Woche hat der Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) Dominik Krause ganz offiziell zum Zweiten Bürgermeister gemacht. Nach der Wahl durch den Stadtrat fehlte noch die Vereidigung. © Michael Nagy

Krause kommt dann doch gleich zur Tür hinein. Das erste Meeting in seinem Büro beginnt. Für Krause arbeiten elf Mitarbeiter, nicht nur Sekretärinnen und ein Pressesprecher, sondern auch Experten für Mobilität, Kultur und Umweltschutz, die die Beschlussvorlagen aus den Referaten lesen, lange bevor sie an die Öffentlichkeit kommen.

Denn im Münchner Rathaus geht es um viel Geld: 8,3 Milliarden beträgt das Haushaltsvolumen in etwa. Davon baut München Schulen und Kitas, Tramlinien, Radwege und Wohnungen. Und sie bezahlt rund 43.000 Beschäftigte. Seine Mitarbeiter sprechen mit Krause die Termine ab: Am Freitag um 7.30 Uhr soll er dabei sein, wenn die Stadt das erste neue MUC-Kennzeichen ausgibt.

Münchens neuer Bürgermeister Dominik Krause: Bald gibt es Autogrammkarten von ihm

Am Montag soll er an der Pressekonferenz des Baureferats teilnehmen. Aber da ist auch die Referentenrunde, die Besprechung aller städtischen Referatsleiter, zu der er nicht zu spät kommen darf, weil er zum ersten Mal den Oberbürgermeister vertreten muss. Welches Foto sollen sie für die Autogrammkarten verwenden? Das Presseamt hat schon mehrmals nachgefragt. 

Krause lächelt, etwas verlegen, er wirkt nicht so, als würde er demnächst Autogrammkarten auf dem Marienplatz verteilen. Aber von jedem Bürgermeister gibt es welche. Und dann noch die wichtigste aller Fragen: Wo soll die Weihnachtsfeier stattfinden? "Wir sind uns einig: Hier im Amtszimmer", sagt ein Mitarbeiter. "Ich wüsste auch einen guten Griechen...", sagt Krause. Aber, wenn alle lieber Amtszimmer wollen, dann eben Amtszimmer. Krause, den Eindruck bekommt man an diesem Tag immer wieder, will nett sein, keiner, der breitbeinig Mitarbeiter zusammenstaucht.

Zur Stadt München gehören zahlreiche Gesellschaften 

Nach 20 Minuten ist die Besprechung vorbei. Krause muss zur Aufsichtsratssitzung des Deutschen Theaters. Zur Stadt gehören mehrere Tochterunternehmen, die Stadtwerke, Krankenhäuser, Altenheime, Wohnbaugesellschaften, der Tierpark, die Volkshochschule, Museen und Theater. Als Bürgermeister ist er nicht nur Aufsichtsratschef des Deutschen Theaters, sondern auch des Gasteigs, des Filmfests, des Volkstheaters und der Pasinger Fabrik.

Vor gut einem Monat hat der Stadtrat Dominik Krause (Grüne) zum neuen Zweiten Bürgermeister gewählt. Dazu gehört auch, dass er den Aufsichtsrat des Deutschen Theaters leitet. Nach seiner ersten Sitzung hat ihn der Theaterchef herumgeführt.
Vor gut einem Monat hat der Stadtrat Dominik Krause (Grüne) zum neuen Zweiten Bürgermeister gewählt. Dazu gehört auch, dass er den Aufsichtsrat des Deutschen Theaters leitet. Nach seiner ersten Sitzung hat ihn der Theaterchef herumgeführt. © Sigi Müller

Ganz vorsichtig habe er vor Amtsantritt mal nachgefragt, wann Krause denn das letzte Mal im Theater war, erzählt sein Pressesprecher. Er konnte aufatmen: Acht Mal dieses Jahr habe die Antwort gelautet. Die Musical-Premiere an diesem Abend im Deutschen Theater sagte Krause trotzdem ab. Gleichzeitig tagt der Klimarat, ein Gremium, das den Stadtrat zum Klimaschutz berät. Statt Champagner auf dem roten Teppich gibts später Lebkuchen und Leitungswasser in einem Sitzungszimmer.

Bei der Aufsichtsratssitzung muss die AZ draußen bleiben. Die sind immer geheim. Gelegenheit, nachzufragen, was sich verändert hat, seit Krause Bürgermeister ist. In seinem Büro hat Krause bloß die Bilder ausgetauscht. Dort hängen jetzt Plakate von den städtischen Theatern und Museen. Die Mitarbeiter hat Krause alle übernommen, bis auf seinen Fahrer. Der hat einen anderen Job im Rathaus bekommen. Statt im Dienstwagen will Krause lieber mit ÖPNV oder Rad zu den Terminen kommen.

Um 11.30 Uhr ist die Sitzung vorbei. Jetzt gibt ihm der Chef des Theaters eine Führung. Krause erfährt, dass zehn Lastwagen voll mit Bühnenbildern und Equipment anrollen, wenn eine große Broadway-Produktion aufgeführt wird. Und, dass es um die 100.000 Euro kostet, für die Ballsaison alle Stühle aus dem Saal in ein Lager unter der Theresienwiese zu schaffen. Am Ende tauscht er mit dem Theaterchef Handynummern aus. Visitenkarten hat er vergessen.

Der Chef des Deutschen Theaters führt Dominik Krause durch sein Reich. Am Abend ist Premiere. Doch Krause geht zur Sitzung des Klimarats.
Der Chef des Deutschen Theaters führt Dominik Krause durch sein Reich. Am Abend ist Premiere. Doch Krause geht zur Sitzung des Klimarats. © Sigi Müller

Um 12.15 Uhr geht Krause durch den Schneeregen zur S-Bahn. Natürlich sei die Ballsaison teuer, aber so kommen auch Menschen ins Theater, die es sonst vielleicht nie besuchen würden, meint er. Früher war er Mitglied einer Faschingsgarde, Bälle besucht er gerne.

Der Gasteig ist vielleicht das heikelste Projekt, dass Krause von seiner Vorgängerin erbte

Danach trifft er die neue Gasteig-Chefin. Wieder ein Termin hinter verschlossenen Türen. Der Gasteig ist vielleicht das heikelste Projekt, das er von seiner Vorgängerin Katrin Habenschaden erbte. Der größte Kulturbau Europas ist marode.

Ursprünglich wollte ihn die Stadt selbst sanieren, dann startete sie die Suche nach einem Investor. Ohne Erfolg. Keiner war bereit, den Gasteig für 450 Millionen Euro zu sanieren. Das war der Kostendeckel, den die Stadt einzog und der nicht mehr zu halten ist. Das gab Habenschaden, ein paar Monate bevor sie aus dem Amt ausschied, bekannt. Verantwortlich dafür, wie es jetzt weitergehen soll, ist sie nicht mehr. Noch im Dezember soll der Stadtrat entscheiden.

Hier feiern Katrin Habenschaden und der Ex-Gasteig-Chef Max Wagner ein Jahr HP8. Der Bau ist nicht mehr wegzudenken.
Hier feiern Katrin Habenschaden und der Ex-Gasteig-Chef Max Wagner ein Jahr HP8. Der Bau ist nicht mehr wegzudenken. © Gasteig GmbH (Robert Haas)

Um 14 Uhr eröffnet Krause das Stadtratshearing zum Thema Prostitution. Da lädt der Stadtrat Experten ein, die nicht zum Rathaus gehören. Es geht auch um die Frage, ob es noch zeitgemäß ist, dass in München ein Sperrbezirk gilt. Sexarbeit ist fast in der ganzen Stadt bis auf ein paar abgelegene Orte verboten.

Bürgerversammlung in Giesing: "Ein Heimspiel" für Bürgermeister Dominik Krause

Fast eineinhalb Stunden hört Krause zu. Dann macht er sich auf zum Aktenstapel in seinem Büro. Ganz oben drauf liegt das Protokoll der Bürgerversammlung in Giesing, die er einen Tag vor seiner Wahl zum Bürgermeister leitete. "Das war ein Heimspiel", sagt Krause. Das ehemalige Arbeiterviertel ist seit ein paar Jahren grün: Bei der Landtags- und bei der Bundestagswahl holten hier im Süden der Stadt zwei Grüne Politikerinnen das Direktmandat. Krause muss das Protokoll unterschreiben. Einen Antrag liest er vor: "Die Bürger danken der Verwaltung, dass der Giesinger Berg eine Brücke bekommt."

Ganz so kuschelig ging es danach für ihn nicht weiter. Sogar der "Spiegel" berichtete, dass er das Oktoberfest als größte offene Drogenszene bezeichnete, die Wirte reagierten empört ("Bier ist keine Droge"), der Ministerpräsident kritisierte Krause im BR und zahlreiche Menschen fragten in Leserbriefen, ob er mit seinen 33 Jahren nicht doch zu jung für den Job ist.

Ihn persönlich, sagt Krause, hätten gar nicht so viele solcher Kommentare erreicht. Im Gegenteil. "Meistens freuen sich die Menschen, dass ein junger Mensch Politik macht. Und wenn, dann ist es für mich eher eine Motivation, einen guten Job zu machen."

Arbeitspensum eines Bürgermeisters: "Ich hatte vorher auch eine 60-Stunden-Woche"

Bevor er Bürgermeister wurde, war Krause zehn Jahre lang Stadtrat, parallel schloss er ein Physikstudium ab, zuletzt war er Chef der Grünen-Fraktion. "Ich hatte davor auch schon eine 60-Stunden-Woche", sagt er. Aber die reicht zur Zeit nicht. "Ich will nicht jammern", sagt er. Seit der Wahl vor einem Monat sei er fast jeden Tag um 8 Uhr morgens aus dem Haus gegangen und um 23 Uhr nach Hause gekommen. Die Wochenenden eingerechnet, hatte er fünf freie Abende.

Seine Vorgängerin Katrin Habenschaden schmiss das Amt hin, weil der öffentliche Druck so eine große Belastung gewesen sei. Im neuen Job bekommt Habenschaden außerdem ein besseres Gehalt. Es soll laut "Bild" bei rund 200.000 Euro liegen, mit Boni bei rund 250.000 Euro. Als Zweite Bürgermeisterin erhielt sie brutto 170.000 Euro.

Sie habe ihm den Tipp gegeben, nicht jeden Termin anzunehmen, erzählt Krause. "Man kann vielleicht jeden fünften Termin machen. Aber es ist unglaublich schwer, nein zu sagen. Weil viele Termine Spaß machen. Und weil am Ende immer jemand enttäuscht ist."

Und dann tagt noch der Klimarat

Inzwischen ist 16.30 Uhr, eine Mitarbeiterin bereitet Krause auf den Klimarat vor, der an diesem Abend ab 18 Uhr tagen soll. Das Gremium, dem auch Leute aus der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft angehören, beobachtet, wie das Rathaus beim Klimaschutz vorankommt.

An diesem Abend wollen gleich ein paar wissen, wie der Stand der Dinge beim Heizkraftwerk Nord ist. Eigentlich hat der Stadtrat beschlossen, den Betrieb von Kohle auf Gas umzustellen. Geschehen ist das noch nicht, weil wegen des Ukraine-Kriegs Gas knapp wurde. Krause schlägt vor, dass in der nächsten Sitzung die Stadtwerke berichten sollen. Eine effiziente Lösung nennt das einer. "Die letzte Antwort der Stadtwerke fand ich ziemlich pampig", sagt eine andere. Um 20.30 Uhr wünscht Krause einen schönen Abend. Sein Arbeitstag ist vorbei. Jetzt will er zu einer Geburtstagsfeier, privat. Pünktlich kommt er nicht mehr.

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