Der Widerstand gegen die Neugestaltung wächst

Mit dem Status Quo am Hauptbahnhof ist kaum jemand zufrieden –  aber es wird harsche Kritik an den Entwürfen laut
von  Ralf Müller
Ein Palast aus Stahl, Glas und Aluminium: Der Entwurf des Architekturbüros Auer Weber für den neuen Münchner Hauptbahnhof.
Ein Palast aus Stahl, Glas und Aluminium: Der Entwurf des Architekturbüros Auer Weber für den neuen Münchner Hauptbahnhof.

Mit dem Status Quo am Hauptbahnhof ist kaum jemand zufrieden –  aber es wird harsche Kritik an den Entwürfen laut.

München - Über die Jahre hinweg ist er zum größten Schandfleck in der schmucken Münchener Innenstadt geworden: Der Hauptbahnhof. Wie ein Nierentisch aus den 50er Jahren mutet das Vordach an, das den verkehrsumtosten schmuddeligen Haupteingang überspannt. Die Fassade erinnert an das Verwaltungsgebäude eines abgewickelten Chemieunternehmens in Bitterfeld. Der nördliche 65 Jahre alte Starnberger Flügelbahnhof ist zwar denkmalgeschützt, die lange stillgelegte Schalterhalle aber durchquert der Reisende schon wegen der strengen Gerüche lieber eilenden Schrittes.

 

Ein "Akzent" oder ein "Monster" – das ist die Frage

 

Zufrieden sind weder Reisende noch Einheimische mit dem in den 50er Jahren entstandenen riesigen Verkehrsbauwerk, das täglich von rund 350.000 Reisenden genutzt wird und an dem in den vergangenen Jahrzehnten ständig herumgebastelt wurde. Aber Neues an so prominenter Stelle der Stadt zu bauen, das bei allen Münchenern auf Zustimmung stößt, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

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Und so bahnt sich dann auch eine zähe Auseinandersetzung um das Projekt an. Schon ist eine Online-Petition gegen den geplanten Klotz aus Stahl, Glas und Aluminium angelaufen. Immerhin ist sich der Münchener Stadtrat mit der Bahn einig: Der Entwurf des Münchener Architekturbüros Auer Weber soll in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Er sieht einen siebengeschossigen Palast aus Stahl, Glas und Aluminium vor - je nach Sichtweise ein "städtebaulicher Akzent" oder ein "Monster".

Das würden viele Münchener noch schlucken, aber ein geplantes 75 Meter-Hochhaus an der Stelle des bisherigen Starnberger Flügelbahnhofs bringt bei vielen das Fass zum Überlaufen. Ausgerechnet Politiker der CSU, die ansonsten den Widerstand gegen Großprojekte aller Art in Deutschland beklagt, gingen gegen das Vorhaben auf Konfrontationskurs.

Der Münchener CSU-Vorsitzende und bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle sprach von einem monströsen Hochhaus, das ihn "sprachlos" mache und stellte die Frage, ob eine "stadtgeschichtlich so prägende Fassade" wie die des Hauptgebäudes mit seinem Nierentisch-Dach "wirklich weg muss". Und natürlich schimpft auch CSU-Rebell Peter Gauweiler über die "gesichtslose Architektur". Mit dem Hochhaus verlasse die Stadt München ihre Linie, den Blick auf die Altstadtsilhouette frei zu halten, kritisierte der frühere Kultusminister und heutige Vorsitzende des Landesdenkmalrats Thomas Goppel (CSU).

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Das war Wasser auf die Mühlen vieler Gegner der "einfallslosen Architektur". Bei einer Informationsveranstaltung diese Woche mussten sich Vertreter der Stadt, der Bahn und des Architektenbüros harsche Kritik an dem geplanten "Ufo" am Rande der Altstadt anhören. Zügig dürfte das jetzt anstehende Planfeststellungsverfahren also wohl nicht ablaufen, zumal der Bahnhofsneubau mit einem anderen umstrittenen Großprojekt verzahnt ist: Der zweiten S-Bahn-Tunnelröhre. Wenn sie gebaut wird, müsste ein Teil des Hauptbahnhofs ohnehin abgerissen werden.

 

Inbetriebnahme: Irgendwann zwischen 2026 und 2030

 

Aber auch ohne Tunnel werde man eine neue Station bauen, bekräftigt die Bahn. Mit geschätzten Kosten bis zu einer Milliarde Euro werde das Bauwerk "das größte Bahnhofsprojekt Europas der nächsten Jahre" sein, so DB-Manager Rolf Reh. Mit der S-Bahn-Tunnelröhre würde sich das Volumen der in der bayerischen Landeshauptstadt vorgesehenen Verkehrsbauten auf bis zu vier Milliarden Euro summieren - fast so viel wie die fünf Milliarden Euro für "Stuttgart 21". Ob schön oder nicht: Die Aussicht auf eine schmutzende und lärmende Großbaustelle stimmt viele Münchener auch nicht froh.

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Sie kann sich hinziehen: Irgendwann zu Beginn des nächsten Jahrzehnts erst könnten die Bagger anrücken, um das bestehende Bahnhofsgebäude dem Erdboden gleich zu machen. Inbetriebnahme irgendwann zwischen 2026 und 2030. Wobei sich der Nutzen für die Bahnreisenden in Grenzen hält: An der denkmalgeschützten 140 Meter breiten und 220 Meter langen Gleishalle aus dem Jahr 1960 darf nichts verändert werden. Seit Jahren fordert der Fahrgastverband pro Bahn vergebens eine zweite Gleisquerung. Wer in München umsteigen will, muss nämlich gut zu Fuß sein, weil er jeweils zum Ende des Bahnsteigs marschieren muss. Knappe Anschlußzeiten sorgen für einen Marathonlauf mit Reisegepäck. Jeder Provinzbahnhof ist da kundenfreundlicher.

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