"Darf jetzt nichts mehr dazu kommen": Markus Söder trifft Entscheidung in der Causa Hubert Aiwanger

Die Affäre um das Nazi-Flugblatt ist noch nicht ausgestanden. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wartet auf 25 klare Antworten seines Vizes Hubert Aiwanger (Freie Wähler).
Ralf Müller, Heidi Geyer |
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Machen sich das Leben gegenseitig schwer: Hubert Aiwanger (li.) und Markus Söder.
Machen sich das Leben gegenseitig schwer: Hubert Aiwanger (li.) und Markus Söder. © Stefan Puchner/dpa

München - Man kann sich nicht erinnern, dass Markus Söder (CSU) als bayerischer Ministerpräsident oder in seinen früheren Ämtern schon einmal eine "Pressekonferenz" abgehalten hat, bei der Fragen nicht zugelassen waren.

Am Dienstag war das der Fall: In einem kurzen Alleinauftritt machte der Regierungschef klar, dass er seinen Stellvertreter und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wegen der Flugblattaffäre zunächst nicht entlassen werde. Aber Söder erhöhte den Druck auf seinen Vize und die Freien Wähler, die Angelegenheit "rasch und umfangreich" zu klären.

Markus Söder (CSU): "Ich möchte eine bürgerliche Koalition in Bayern behalten"

Dass Söder seinem Stellvertreter wegen der vor 35 Jahren in dessen Schultasche gefundenen üblen antisemitischen Hetzschrift jedenfalls nicht gleich die Tür weisen würde, hatte sich schon am Abend des Vortags abgezeichnet.

Der Koalitionspartner mag es ihm "nicht ganz leicht machen", sagte Markus Söder am Montagabend bei einer Wahlkampfveranstaltung in Landshut. Aber "ich möchte eine bürgerliche Koalition in Bayern eindeutig behalten. Und ich möchte keine Grünen in der bayerischen Staatsregierung".

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, gibt nach dem Sonder-Koalitionsausschuss ein Statement zum Fall des stellvertretenden Ministerpräsidenten Aiwanger ab. Foto: Peter Kneffel/dpa
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, gibt nach dem Sonder-Koalitionsausschuss ein Statement zum Fall des stellvertretenden Ministerpräsidenten Aiwanger ab. Foto: Peter Kneffel/dpa © Peter Kneffel/dpa

Damit war klar, dass die "Bayern-Koalition" bei einer eilends einberufenen Sitzung des Koalitionsausschusses am Dienstag nicht platzen würde. Aber Söder zeigte Aiwanger die Gelbe Karte: "Es darf jetzt auch nichts mehr dazu kommen."

Den Ausweg aus der Krise fanden die Koalitionäre in einem 25 Fragen umfassenden Katalog zum Fall des Hetzflugblatts, den Aiwanger nach Angaben Söders "rasch" beantworten will. Damit wird deutlich, dass den Regierungschef die bisherigen Einlassungen Aiwangers nicht befriedigen. Das sagte er auch deutlich. Auch die Angaben Aiwangers im Koalitionsausschuss hätten "definitiv" für eine abschließende Bewertung noch nicht ausgereicht: "Es bleiben viele Fragen offen."

Antisemitisches Flugblatt: Erinnerungslücken bei Hubert Aiwanger

So konnte sich nach seinen bisherigen Einlassungen Hubert Aiwanger nicht erinnern, ob er das in seiner Schultasche gefundene Flugblatt weitergegeben habe. Verfasst wurde es nach seinen Worten von seinem Bruder Helmut, der dasselbe Gymnasium besuchte. Ihn habe er nicht "verpfeifen" wollen, hatte Hubert Aiwanger betont.

Es dürfte "keine Restzweifel geben, keine Hängepartie, keinen Platz für Antisemitismus", betonte Söder. Denn das im "übelsten Nazi-Jargon" abgefasste Pamphlet sei weder ein Dumme-Jungen-Streich noch eine Jugendsünde gewesen und habe schon jetzt das Bild Bayerns beschädigt.

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Andererseits reichten aber die Recherchen der "SZ", die das Flugblatt ausgegraben hatte, nicht aus, weil sie keine Belege für die Urheberschaft des späteren Ministers enthielten. Bis wann Aiwanger die 25 Fragen beantworten und "reinen Tisch" machen soll, sagte Söder nicht.

Aiwangers Entlassung für den Fall unbefriedigender Antworten schloss Söder nicht aus. "Koalitionen hängen nicht an einer einzigen Person", fügte der Regierungschef vieldeutig hinzu. Auch CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer sagte, die Bayern-Koalition sei nicht von einer Person abhängig.

Grüne: "Hubert Aiwanger ist nicht mehr tragbar"

Ziemlich sicher ist, dass der Landtag noch vor der Wahl am 8. Oktober zu einer Sondersitzung aus den Wahlkampf-Ferien geholt wird. Die Grünen wollten die "Hinhaltetaktik" beenden, erklärte deren Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze: "Allein der Anschein von Antisemitismus in der Staatsregierung schadet dem Ansehen Bayerns. Wir berufen eine Sitzung im Landtag dazu ein. Hubert Aiwanger ist nicht mehr tragbar." Die SPD hatte schon unmittelbar nach Bekanntwerden eine Sondersitzung gefordert, benötigt aber zur Durchsetzung die Stimmen von Grünen und FDP.

Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze (vorn) hält Hubert Aiwanger für "nicht mehr tragbar".
Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze (vorn) hält Hubert Aiwanger für "nicht mehr tragbar". © Foto: Peter Kneffel/dpa

Am Dienstag erklärte sich auch die FDP bereit, mitzuziehen. Hubert Aiwanger müsse dem Landtag Rede und Antwort stehen, erklärte Fraktions- und Landesvorsitzender Martin Hagen: "Wir werden deshalb gemeinsam mit Grünen und SPD eine Sondersitzung einberufen." Nicht einig waren sich Söder und Opposition auch, wo jetzt eigentlich "der Ball liegt". "Der Ball liegt wieder bei den Freien Wähler und Hubert Aiwanger", sagte Söder. "Der Ball liegt weiter beim Ministerpräsidenten", sagte SPD-Chef Florian von Brunn.

Florian von Brunn: "Vorgang zeigt, wie kaputt das Verhältnis zwischen Söder und Aiwanger ist"

Grünen-Co-Fraktionschef Ludwig Hartmann und Brunn bezeichneten die Reaktion des Ministerpräsidenten auf die Affäre als "schwach". Es wäre "das Mindeste" gewesen, Aiwanger zu bewegen, sein Amt ruhen zu lassen, sagte Brunn.

Der Vorgang zeige, "wie kaputt" das Verhältnis zwischen Söder und Aiwanger sei, dass er ihm Fragenkataloge zuschicken müsse. Aiwanger habe sich schon öfter "extreme Entgleisungen" geleistet, so dass man vom Ministerpräsidenten erwarten könne, einen Schlussstrich zu ziehen, sagte Hartmann.

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19 Kommentare
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  • ClimateEmergency am 30.08.2023 18:47 Uhr / Bewertung:

    Tagelang gab es nur anonyme Vorwürfe gegen Hubert Aiwanger, im BR-Interview äußert sich erstmals ein Ex-Mitschüler vor der Kamera: Aiwanger habe damals Hitler imitiert und Juden-Witze erzählt.

  • glooskugl am 30.08.2023 16:17 Uhr / Bewertung:

    Ja da schau her , was seine ehemaligen Mitschüler zu erzählen haben... und nicht alle trauen sich...Da muss man schon dran bleiben. Tja, manchmal schaut ein "Haus" von außen ganz ordentlich bayerisch aus...so lang man nicht rein und in den Keller geht...

  • Tthomas am 30.08.2023 12:41 Uhr / Bewertung:

    Ich lese nichts mehr von Lindemann? Euren Dreck, mit dem ihr geschmissen habt, wollt ihr den totschweigen? Habe ich mir schon gedacht. Und jetzt kommt der Aiwanger genau recht.

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