"So sicher wie eine Villa in Grünwald": Söder über Entwicklung im Alten Botanischen Garten und am Stachus

München - Kurz nach 8 Uhr morgens fragt ein Pärchen den AZ-Reporter, ob er von ihnen Drogen kaufen wolle. Dann tauchen zwei Polizistinnen der Reiterstaffel hoch zu Ross im Alten Botanischen Garten auf und das Verkaufsgespräch endet sehr schnell.
Der gesamte Park leert sich schlagartig und das liegt nicht nur an den frostigen zwei Grad an diesem Donnerstagmorgen. Kurz nach 9 Uhr – nicht unbedingt die Tageszeit, zu der das Verbrechen im Park tobt – beginnen Ministerpräsident Markus Söder, Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich (alle CSU) samt OB Dieter Reiter (SPD) und Münchens Polizeichef Thomas Hampel ihren Rundgang, begleitet von einem Pulk Fernsehkameras und jeder Menge Reporter.
Sicherheitskameras mit 360 Grad Rundumsicht
Drei Anhänger mit Videokameras sind im Bereich des Park Cafés aufgestellt worden. Allesamt mit 360-Grad-Optik und Scheinwerfern ausgerüstet. Wie lange sie bleiben werden, ist unklar. "Das sind Leihgaben vom Polizeipräsidium in Ingolstadt", sagt Polizeidirektor Stephan Funk, Chef der PI 12 (Maxvorstadt). Ministerpräsident Markus Söder und die beiden Minister lassen sich die Lage erläutern. Die ist alles andere als rosig. Schlägereien, Raub, Drogen sind an der Tagesordnung – die Zahl der Straftaten habe seit vergangenem Jahr stark zugenommen, sagt Münchens Polizeipräsident Thomas Hampel.

Brennpunkt Alter Botanischer Garten in München: Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen gelten schon
In Zusammenarbeit mit der Polizei sei aber bereits viel erreicht worden, betont OB Dieter Reiter. Man habe Büsche und Bäume zurückgeschnitten, die Beleuchtung deutlich verbessert und Sitzbänke demontiert, listet Reiter auf. Dazu sei ein Waffen- und Alkoholverbot beschlossen worden. Alles, um es der Szene im Park so ungemütlich wie möglich zu machen. Clemens Baumgärtner, Wirtschaftsreferent der Stadt und OB-Kandidat der CSU, nickt zustimmend.
Im Dezember soll das Cannabis-Verbot beschlossen werden
Als Nächstes soll der Stadtrat am 17. Dezember ein Cannabis-Verbot beschließen. Dann dürfen im Park weder Joints geraucht werden, noch darf man Marihuana – egal in welcher Menge – dabei haben. Im Präsidium hält man die Maßnahme für unverzichtbar. Die Dealer hätten sich angepasst, sagt Polizeichef Hampel, "sie haben ihre Taktik geändert." Sie laufen mit 24,9 Gramm Marihuana herum und damit ganz knapp unter der Menge, die man normalerweise in der Öffentlichkeit legal bei sich haben darf.
"Nicht alle im Rathaus sind für das Cannabis-Verbot im Park", sagt Reiter, "aber ich bin mir sicher, dass wir eine Mehrheit erreichen." Ein unverhohlener Seitenhieb auf den Grünen Koalitionspartner. Überhaupt hat man bei dem Rundgang das Gefühl, dass der rote OB mit den Schwarzen im Rathaus und in der Staatsregierung bestens auskommt, quasi eine GroKo 2.0 auf kommunaler Ebene, wie es scheint.
Wirt vom Park Café: "Stich in ein Wespennest"
Chris Lehner, Wirt im Park Café, berichtet dem Ministerpräsidenten am Neptunbrunnen von seinen Erfahrungen der letzten Monate. Es könne nicht sein, "dass man auf dem Weg zur Arbeit ein flaues Gefühl im Magen hat, wenn man durch den Park geht", klagt der Wirt.
Als die Polizei im Sommer mehr Präsenz zeigte, sei es anfangs gewesen, als habe man "in ein Wespennest gestochen", sagt Lehner, "aggressiv und feindselig" sei die Stimmung bei manchem aus der Szene gewesen. Aber jetzt sei die Lage viel besser, geradezu eine "Wende um 180 Grad", lobt der Gastronom.
Söder: "So kleine No-Go-Areas darf es nicht geben"
"So kleine No-Go-Areas darf es nicht geben", betonte Söder. Der Alte Botanische Garten sei "einer der schönsten Plätze" und sogar ein "Herzstück von München". Die Entwicklung und dass nicht schon früher etwas passiert sei, ärgere ihn, sagte Söder. Es sei "besser, man fängt früher härter an".
Auch am Stachus haben manche Angst

Vom Neptunbrunnen geht Ministerpräsident Söder samt Gefolge rüber zum Stachus. Im Zwischengeschoss schüttelt er dem Biss-Verkäufer an der Rolltreppe kurz die Hand. Oben am Eiszauber wendet sich Söder dem Maroni-Standerl zu. Der Chef Nico Reppas beklagt sich über die vielen Jugendlichen, die sich oft zu Dutzenden am Stachus treffen. Manchmal streiten sich die Teenager untereinander. Er und seine Mitarbeiter an den beiden Ständen am Karlstor seien auch schon von ihnen angepöbelt und beleidigt worden. "Ich habe Angst", sagt einer der Verkäufer. Er fühle sich von der Polizei im Stich gelassen.
Man habe juristisch kaum eine Handhabe, solange sich die Jugendlichen nichts zuschulden kommen lassen, sondern lediglich beieinanderstehen oder etwas trinken, versucht Polizeipräsident Thomas Hampel die Lage seiner Beamten zu erklären.
Söder fordert mehr Schutz für die Fußgängerzone
Der Ministerpräsident schaltet sofort im Wahlkampfmodus einen Gang höher, als er die Klagen der Maroniverkäufer hört. "Eine Villa in Grünwald muss denselben Schutz genießen wie die kleinen Geschäftsleute in der Fußgängerzone", fordert Söder. Das ist Balsam auf die Seele von Nico Reppas, gleich tütenweise überreicht er heiße Maroni an den Ministerpräsidenten, der gibt sie brav an seine Begleiter weiter.
Kaum ist der Ministerpräsident weg, ist die Szene zurück
Um 10 Uhr, und damit genau eine Stunde, nachdem der Rundgang durch den Alten Botanischen Garten begann, steigt Ministerpräsident Söder an der Sonnenstraße in einen bereitstehenden dunklen BMW M X5. Im Park ist um 10.08 Uhr das Szenepublikum zurück. Rund zwei Dutzend Männer und ein paar Frauen sitzen am Neptunbrunnen und genießen die Sonnenstrahlen. Sie wirken erleichtert, dass wieder Ruhe ist.
Die Polizei ist weg, auch die Politprominenz. Ob er beeindruckt sei, fragt die AZ einen Mann aus dem Senegal: "Schon", antwortet er beinahe schüchtern. Vor allem der Ministerpräsident habe ihn beeindruckt: „Den kannte ich bisher nur aus dem Fernsehen, so aus der Nähe hab’ ich ihn noch nie zuvor gesehen."