CSU-Chef Eisenreich: "Die grüne Party ist vorbei"
München - Georg Eisenreich ist Justizminister, residiert im Justizpalast. Seine zweite Funktion ist weniger glamourös: Er ist Münchner CSU-Chef. Die AZ besucht ihn in der Stadt-Zentrale der CSU in der Nähe der Maillingerstraße. Im Hof des 50er-Jahre-Baus rostet die Wahlkampf-Rikscha des OB-Wahlkampfs von Kristina Frank vor sich hin.
Eisenreich empfängt in einem Besprechungsraum, der eher nach Jugendherberge aussieht als nach Machtzentrale. Kabel, Bildschirme, ein Sofa, Filterkaffee aus Kannen. Von hier aus also soll das große Comeback der Münchner CSU gelingen.
AZ: Herr Eisenreich, wie viele Direktmandate gehen bei der Landtagswahl 2023 in München an die CSU?
GEORG EISENREICH: Wir wollen so viele wie möglich gewinnen.
So viele wie möglich heißt: so wenige wie letztes Mal?
Nein, wir wollen mehr erreichen. Ich bin da sehr zuversichtlich.
Als Sie vor einem Jahr Münchner CSU-Chef wurden, hatten Sie das Ziel, die Partei attraktiver für Frauen zu machen. Nun treten wieder überall Männer an - nur eine Frau. Und die wird den aussichtslosen Kampf gegen die Grünen in München Mitte aufnehmen. Mission gescheitert?
Wir haben sechs Stimmkreise, in denen unsere amtierenden Abgeordneten wieder antreten. Drei werden neu vergeben. In einem tritt schon sicher eine Frau an und ich gehe noch von einer zweiten aus. Wären zwei Drittel Frauenanteil bei den freien Stimmkreisen.

Öffentlich sind Sie uns als Münchner CSU-Chef noch nicht aufgefallen. Wann setzen Sie eigene Themen für die Stadt?
Das ist nicht mein persönliches Ziel. Ich bin zuallererst Minister. Meine Hauptaufgabe ist es, mich für den Rechtsstaat einzusetzen. Ich kämpfe gegen Kindesmissbrauch, Hetze im Netz, Antisemitismus und setze mich für Mieterschutz und die Digitalisierung der Justiz ein.
Ihr Anspruch ist also gar nicht, als Münchner CSU-Chef in Münchner Debatten relevant zu sein?
Hier Themen zu setzen ist zuallererst Aufgabe unserer Kommunalpolitiker. Mit denen stehe ich ständig im Austausch. Wir arbeiten eng und kollegial zusammen.
Wenn Sie nichts zur Tagespolitik sagen mögen, reden wir über die große Strategie. Sind die Grünen in der Stadt der große Gegner - oder geht es darum, an schwarz-grünen Mehrheiten zu basteln?
Die CSU will selbst möglichst stark sein. Wir sind die starke bürgerliche Kraft in München.
Und was ist mit den Grünen?
Natürlich haben wir die größten inhaltlichen Auseinandersetzungen mit den Grünen. Letztlich ist grüne Politik ideologisch geprägt, elitär und unsozial. Denken Sie nur an die Dieselfahrverbote in einer Zeit, in der Teile der Bevölkerung schon nicht mehr wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen können. Eine schwere Fehlentscheidung von Bürgermeisterin Katrin Habenschaden.
Dann lassen Sie uns doch gleich über die Fahrverbote sprechen. Braucht ein Münchner wirklich noch ein Auto?
Selbstverständlich brauchen viele Münchnerinnen und Münchner noch ein Auto. Jetzt in der Krise 140.000 Autofahrern in der Stadt massive Zusatzkosten aufzubürden, das finde ich fast schon zynisch.
"Das Fahrverbot ist nicht zwingend. Es kommt zur Unzeit"
Frau Habenschaden sagt: Wegen Versäumnissen der Staatsregierung sei man nun gezwungen, Fahrverbote zu verhängen.
Wir haben Ziele, aber die muss man nicht mit einem Fahrverbot erreichen.
Der Jurist Eisenreich sagt: Es hätte andere Möglichkeiten gegeben?
Das Fahrverbot ist nicht zwingend. Und: Es kommt zur Unzeit.
OB Dieter Reiter hat sich rausgehalten. Verhandelt hat seine grüne Stellvertreterin, das Konzept verkündet auch.
Das ist irritierend. Natürlich hätte das Thema Chefsache sein müssen. Ich halte das bestenfalls für uninteressiert und teilnahmslos vom Oberbürgermeister. Und das ist nicht gut.
Von Ihrer Rathausfraktion hört man wenig Kritisches Richtung OB. Würden Sie sich als Parteichef eine bissigere Opposition im Stadtrat wünschen?
Die großen inhaltlichen Unterschiede bestehen nun mal zu den Grünen, nicht zum OB. Diese Unterschiede müssen wir klar ansprechen. Die Grünen verkleinern unsere Probleme nicht, sondern vergrößern sie zum Teil noch. Denken Sie nur an die Kernenergie. In Zeiten eines drohenden Strommangels den Mangel durch das unnötige Abschalten von Kernkraftwerken noch zu vergrößern, ist unverantwortlich. Diese Unterschiede werden wir deutlich machen, auch im Landtagswahlkampf.
Dieter Reiter hofft, dass der Landtag die Altersgrenze kippt und er noch mal als OB antreten darf. Gibt's eine Chance?
Herr Reiter ist gewählt für diese Legislatur. Diese Zeit könnte er für eine dynamische Politik nutzen. Ich glaube nicht, dass sich eine Mehrheit finden wird, die Altersgrenze zu kippen.
Ihr Stadtrat Hans Theiss will Regenbogenfamilien stärken, wirbt für eine Cannabis-Legalisierung. Droht der Münchner CSU, die letzten konservativen Stammwähler zu vergraulen?
Die CSU ist eine liberale, großstädtische Partei. Wir haben eine große Bandbreite an Meinungen. Mein erklärtes Ziel ist, dass wir mehr Debatten führen. Und wir sind für alle da, die in dieser Stadt leben.
Wenn Mandatsträger einfach alles sagen dürfen, droht man so nicht, den Kompass zu verlieren?
Nein. Bei uns darf jeder seine Meinung sagen. Inhaltlich muss man aber unterscheiden. Ich habe Hans Theiss unterstützt, auf die LGBTIQ-Community zuzugehen. Unser Grundsatz lautet "leben und leben lassen." LGBTIQ und bürgerlich ist kein Widerspruch. Es ist gut, wenn wir Stadträte haben, die diese Themen bearbeiten.
Also ist Hans Theiss nicht nahe an einer roten Linie, dass Sie ihn zurückpfeifen müssten?
Nein. Aber beim Thema Cannabis haben sowohl ich persönlich als auch die große Mehrheit der CSU München eine andere Meinung. Cannabis ist eine Einstiegsdroge, die gefährlich ist. Ich halte es für falsch, noch mehr legale Drogen zu schaffen.

Irgendwie für alle da sein - so soll die Trendwende gelingen?
Wir sind bei den letzten beiden OB-Wahlen in die Stichwahl gekommen. Bei der Bundestagswahl haben wir drei von vier Wahlkreisen gewonnen. Ich sehe aber eine andere Trendwende. Die AZ hat neulich die Frage gestellt: Ist die Grünen-Party vorbei? Und ich antworte: Ja, die Grünen-Party ist vorbei. In guten Zeiten, wenn es um die Sahnehäubchen geht, können die Grünen punkten. Aber jetzt ist den Menschen bewusst, dass wir in schwierigen Zeiten leben. Auch Teile der Wirtschaft und des Handwerks sind bedroht. Wir brauchen jetzt keine Schönwetterpolitik. Sondern pragmatische Antworten, übrigens auch für unsere Industrie, um diese Arbeitsplätze zu erhalten.
Arbeiten Sie da nicht mit Feindbildern aus einer vergangenen Zeit? Die Münchner Grünen sind doch bürgerlich und bestimmt nicht wirtschaftsfeindlich.
Die Grünen haben das Konzept, bürgerlich wirkende Leute nach vorne zu stellen. Dahinter steht aber eine Partei, die in großen Teilen links ist. Das gilt im Bund, es gilt aber auch in München.
Das heißt, Frau Habenschaden wäre nicht das Problem?
Frau Habenschaden ist persönlich sehr angenehm. Und sie wirkt auch bürgerlich. Aber wie man am Dieselfahrverbot sieht, ist ihre Politik weder bürger- noch wirtschaftsnah, sondern unsozial und ideologisch.
Wir haben verstanden, was Sie bei den Grünen verantwortungslos finden, wo sich der OB wegduckt. Aber brauchen Sie nicht auch ein paar Ideen, wo die CSU mit der Stadt hin will?
Die haben wir. Wir müssen die Arbeitsplätze erhalten, den Wirtschaftsstandort stärken, brauchen Investitionen in die Digitalisierung und in den ÖPNV, insbesondere in die S- und U-Bahnen. Und: Die Bezahlbarkeit ist ein Riesen-Thema, etwa bei den Energiekosten und den Mieten. Das Leben in München muss bezahlbar sein.
Die Münchner CSU will zur Mieterpartei werden?
Wir bemühen uns um die Eigentümer, aber auch um einen fairen Ausgleich. Und das heißt: auch um die Mieter.
Das ist bei den Münchner Mietern aber noch nicht angekommen.
Mag sein. Aber schauen Sie sich meine Arbeit als Justizminister an, dann stellen Sie fest, dass ich mich oft zum Mietrecht äußere. Ich habe die Mietpreisbremse unterstützt, ich habe Vorschläge zum Kampf gegen Wucher-Mieten gemacht.
Wird die CSU für besseren Mieterschutz plakatieren? Das wäre neu.
Das entscheiden wir nächstes Jahr.
Zum Stammstrecken-Debakel: Im Rathaus ist man sauer auf die Staatsregierung. Zurecht?
Ich wäre bei dem Thema mit Schuldzuweisungen vorsichtig. Der Freistaat ist nur der Antragsteller, die Deutsche Bahn plant und baut. Die CSU München steht auf jeden Fall klar zur Stammstrecke, die Stadt braucht sie und das Umland erst recht. Wir hoffen, dass nun alle Beteiligten alles tun, dass sie so schnell wie möglich fertig ist.
"Die Stammstrecken-Baustelle zuzuschütten wäre absurd"
Es gibt auch Forderungen, das Loch hinterm Rathaus wieder zuzuschütten.
Das wäre absurd. Es ist schon ein Milliardenbetrag investiert worden.
Wer wird nächster OB-Kandidat der CSU?
Damit werden wir uns nach der Landtagswahl beschäftigen.
Wenn Stadtratsfraktionschef Manuel Pretzl will: Hat er das Zugriffsrecht?
Er wäre ein hervorragender Kandidat.
Das heißt: Sie spielen im Team Pretzl?
Die Entscheidung werden wir innerhalb der Partei nach der Landtagswahl treffen. Manuel Pretzl, aber beispielsweise auch unsere beiden Referenten Clemens Baumgärtner und Kristina Frank sind hervorragende Gesichter der Kommunalpolitik.
Da kommen wir doch noch mal auf den Beginn zurück: Dem Frauenförderer Eisenreich stünde doch eine Kandidatin gut zu Gesicht.
Ich bin da offen. Wir werden intensiv beraten. Und dann den besten Kandidaten aufstellen. Der selbstverständlich auch wieder eine Kandidatin sein könnte.