Corona eine Naturkatastrophe? Reiseversicherer muss nicht zahlen
München - Ist Corona eine Naturkatastrophe? Ein Mann war dieser Ansicht und wollte von seinem Reiseversicherer einen Ersatzflug einklagen. Der Grund: Laut Versicherungsbedingungen übernimmt der Versicherer die Mehrkosten wenn am Urlaubsort eine Naturkatastrophe herrscht.
Wichtige Frage: Handelt es sich bei der Corona-Pandemie um eine Naturkatastrophe?
Der Kläger hatte am 4. März 2020 für sich und einen Mitreisenden eine dreiwöchige Reise nach Sri Lanka gebucht (7. bis 29. März 2020). Die Fluggesellschaft strich am 24. März 2020 aufgrund der durch das Coronavirus hervorgerufenen Reisebeschränkungen den Rückflug.
Der Kläger und sein Begleiter buchten daraufhin neue Flüge nach Zürich stellten die Kosten in Höhe von 3.610 Euro dem Reiseversicherer in Rechnung.
Das Amtsgericht München wies durch Urteil vom 20. Mai 2021 die Klage gegen den Reiseversicherer auf Zahlung von 3.610 Euro ab. Die Argumentation des Klägers: Er habe zum einen eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen, die auch eine Reiseabbruchsversicherung beinhalte, zum anderen handele es sich bei der Corona-Pandemie um eine Naturkatastrophe, sodass der Versicherer die Mehrkosten zu tragen habe.
Die hohen Kosten für die Ersatzflüge seien darauf zurückzuführen, dass es sich bei diesen - vor der Schließung des örtlichen Flughafens - um die einzig verbliebene Rückreisemöglichkeit gehandelt habe.
Das beklagte Versicherungsunternehmen wiederum war der Auffassung, die versicherten Risiken seien in den Versicherungsbedingungen abschließend aufgezählt worden. Eine Pandemie als versichertes Ereignis sei gerade nicht genannt worden.
Amtsgericht München: Corona-Pandemie "keine typische Naturkatastrophe"
Die zuständige Richterin am Amtsgericht gab dem Versicherer Recht: "Bei der Corona-Pandemie handelt es sich mangels unmittelbarer physischer Auswirkungen, lokalem Auftreten und zeitlicher Eingrenzung um keine typische Naturkatastrophe. (…) Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere das öffentliche Leben, treten vermittelt durch staatliche Schutzmaßnahmen ein, bei denen es sich um politische Ermessensakte handelt."
Bei Auswirkungen durch staatliche Maßnahmen liege begrifflich aber keine Naturkatastrophe vor, da diese höchst unterschiedlich ausfallen könnten. Die Auswahl der Schutzmaßnahmen folge weltweit verschiedenen Ansätzen. Schutzkonzepte änderten sich im Laufe der Zeit und würden angepasst.
"In Ländern mit strengen Schutzkonzepten sind die Auswirkungen auf das öffentliche Leben stärker spürbar als in Ländern, die weniger strenge Ansätze verfolgen. Kennzeichnend für eine Naturkatastrophe ist aber, dass sie an jedem Ort die gleichen Auswirkungen hätte. (…) Auch in zeitlicher Hinsicht unterscheidet sich die Corona-Pandemie von einer Naturkatastrophe. Bei dieser besteht die Gefahrenquelle typischerweise für einen nur begrenzten Zeitraum von maximal einigen Wochen", so die zuständige Richterin.
"Mangels Vorliegen eines versicherten Ereignisses besteht kein Ersatzanspruch"
Die Gefahr durch das Coronavirus bestehe aber bereits um ein vielfältiges länger und werde auch aufgrund seiner dezentralen Entwicklung noch länger eine Gefahr darstellen: "Dieses Ergebnis wird auch durch Erwägungen zur Rechtssicherheit gestützt".
Naturgemäß schwankende Infektionszahlen und sich dem anpassende Schutzmaßnahmen werfen die Abgrenzungsfrage auf, ab welchem Grad die Schwelle zur Naturkatastrophe überschritten würde. Die Richterin: "Mangels Vorliegen eines versicherten Ereignisses besteht mithin kein Ersatzanspruch gegen die Beklagte."
Rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts München vom 20. Mai 2021 - Aktenzeichen 275 C 23753/20.
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