Christian Ude über seinen Mentor: Der grüne Schorsch...

München - Er war schwach geworden in den letzten Monaten, aber er stand fest und geradlinig bis zum Ende seines Lebens für seine Ziele und die Werte, die ihm so viel bedeuteten: Soziale Gerechtigkeit, gesunde Umwelt, eine Stadt im Gleichgewicht – und dass die Menschlichkeit vor der Rendite kommen müsse.
Seine Wurzeln waren ländlich und die Politik begann er als Landwirtschaftsexperte – das hatte ihm den Namen „Der grüne Schorsch“ eingetragen. Doch das hatte gar nichts mit der gleichnamigen Partei zu tun, die es damals noch gar nicht gab und die er anfangs auch nicht leiden konnte, sondern mit seinen ökologischen Einsichten und Anliegen: Er kämpfte dafür, Parks zu retten oder neu anzulegen, Grünanlagen frei zu halten, in riesigen Mengen Bäume zu pflanzen und die Lebensqualität der Stadt nicht dem Autoverkehr zu opfern.
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Doch im Herzen war er rot. Kämpferisch und unbeirrbar. Wer nicht seiner Meinung war, konnte das als stur empfinden. Für alle, die ihm zustimmten, war er Vorbild. Zuerst im Kampf gegen das Boden-Unrecht.
Er war im Herzen rot, kämpferisch und unbeirrbar
Als ich 1970 die alte SPD-Zeitung „Münchner Post“ wieder gründete, steuerte er die erste Titelgeschichte bei: Er prangerte es an, dass ein bayerischer Großgrundbesitzer „Jeden Morgen um eine Million reicher“ wurde, ohne dafür auch nur einen Finger zu rühren. Einfach durch die Preissteigerungen am Rande einer wachsenden Großstadt. Das trieb ihn um – wie die Gegensätze der Vermögensentwicklung. Er wollte sich nicht damit abfinden, dass die Reichen automatisch reicher und die Armen nur zahlreicher wurden. Dass der Gesetzgeber entgegenwirken müsse, hat er auch noch im Ruhestand gefordert. So wurde er sogar bundesweit als Anwalt der kleinen Leute wahrgenommen – eine Rolle, um die seine Partei sich heute fast verzweifelt bemüht.
Trotz dieser ausgeprägt sozialdemokratischen Einstellung hat die Münchner SPD ihn nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen. In den Jahren der schrecklichen Flügelkämpfe galt die Gruppenzugehörigkeit mehr als das inhaltliche Profil, und so haben die Jüngeren (jaja, ich war auch einer davon) es ihm nicht leicht gemacht. Umso beliebter war er bei den Wählerinnen und Wählern, die spürten: Das ist einer von uns, und er tritt für unsere Belange ein.
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Seine Widersacher nannten ihn gerne „wirtschaftsfeindlich“, aber das war Unfug: Er wusste um die Grenzen des Wachstums, wollte nach den dynamischen Olympia-Jahren erst einmal eine Phase der Konsolidierung. Immerhin entstanden in seiner Amtszeit 127 000 Wohnungen, und die Weichen für die Verlagerung der Messe, die damals noch zu zwei Dritteln städtisch war, hat er gestellt – wer denn sonst?
Immer wieder hat er mich an den 2. 2.1982 erinnert. An diesem Tag besuchte er mich in meiner Kanzlei und meinte, ich müssesein Nachfolger werden, dann würde es Sinn machen, das verlorene OB-Amt (1978 war Erich Kiesl von der CSU gewählt worden) zurück zu erobern. Ich sagte ab, und er meinte nur: „Na gut, dann eben später“. Das war elf Jahre, bevor ich sein Nachfolger wurde. Er hatte dafür mit massivem Einsatz den Weg geebnet.
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Er erschien aber auch 2004 in meinem Amtszimmer. Die Hochhäuser im Münchner Norden gefielen ihm garnicht, und dass der Stadtrat sie fast einstimmig beschlossen hatte, beschwichtigte ihn nicht. Er werde, sagte er, ein Bürgerbegehren einleiten. Mit wem? Ein Dutzend Gleichgesinnter habe er schon, meinte er. Und gewann die Kontroverse.
Das letzte Mal sah ich ihn bei der Feier „70 Jahre Wiedergründung der Münchner SPD“. Allen war bewusst, was wir ihm zu verdanken haben – wir, die wir in München leben und diese Stadt lieben. Er hat erfolgreich darum gekämpft, dass diese Stadt im Kern lebens- und liebenswert blieb und heute noch ist, auch wenn das Rathaus nicht jede Fehlentwicklung abwenden kann.
Danke, Schorsch, Du hast das großartig gemacht!