Blitz-Marathon: Hier erwischt es die ersten Raser
Die AZ hat ein Team der Polizei auf der Jagd nach Tempo-Sündern in München begleitet. Was die Beamten bei ihrem Einsatz erlebten, lesen Sie hier.
München - An 42 Stellen hat die Polizei in München gestern Raser gejagt. Die Aktion ist Teil des bundesweiten Blitz-Marathons, der Autofahrer zur Räson bringen soll.
Die AZ hat ein Polizei-Team vom Technischen Außendienst (zehn Einsatzfahrzeuge, mehr als 20 Beamte) zum Einsatz in die Schleißheimer Straße begleitet.
Hier ist Anfang 2008 ein 17-Jähriger zu Tode gekommen. Erlaubt sind 50 Stundenkilometer.
Lesen Sie hier: Das sagen Polizisten und Automobil-Clubs
Der Schnellste, den die Polizei am Donnerstagmorgen erwischt, fährt 75. Heißt: 80 Euro Bußgeld und ein Punkt in der Verkehrssünderkartei.
Es gehe nicht ums Abkassieren, sondern um „Aufklärung und Abschreckung“, sagt Polizei-Vize Robert Kopp. Zahlen will die Polizei frühestens am Freitag präsentieren.
Die Aktion läuft in Bayern eine Woche lang.
Was die Polizei bei ihrem Einsatz erlebte, lesen Sie auf den folgenden Seiten:
Lothar W. fährt im Twingo zu schnell. Er zahlt – und will danach Weißwürste essen
Lothar W. wird am Donnerstagmorgen in seinem Twingo auf der Schleißheimer Straße stadtauswärts geblitzt – mit 65 km/h, aus einem Kombi heraus. W. folgt den Anweisungen der Einsatzkräfte, stellt sein Auto zwischen den Pylonen ab und steigt gleich aus: „Ich hab’s schon gesehen. Wie viel macht’s?“
Als ihn ein Polizist um Fahrzeug- und Führerschein bittet, sagt W. schmunzelnd: „Ja, ich weiß: Blitz-Marathon und so. Jetzt wollt ihr Geld von Leuten, die sonst nichts verbrechen.“
Zu den Reportern sagt er: „Bin mal gespannt, was das jetzt kostet. Solche Aktionen finde ich grundsätzlich gut. Noch besser fänd’ ich sie, wenn sie mich nicht beträfen.
Ich finde, die Einnahmen solcher Aktionen sollten in lokale Projekte investiert werden. Dann macht auch der Polizei keiner einen Vorwurf, dass es ihr darum geht, Kassen zu füllen.
Hier im Viertel gibt es eh viel zu tun, schauen Sie sich doch mal um.“
Inzwischen ist der Polizist zum Twingo zurückgekehrt: Abzüglich der Toleranz sei W. mit 62 statt erlaubter 50 km/h unterwegs gewesen. Mache laut Bußgeldkatalog 25 Euro.
W.: „Das sind ja 50 Mark! Was man früher dafür alles bekommen hätte. Hier, ich zahle gleich bar!“
Augenzwinkernd führt er an: „Wie viel Skonto bekomm’ ich bei Barzahlung. Normal wären zwei bis fünf Prozent.“ Der Polizist lächelt zurück: „Skonto wird heute leider nicht gewährt.“
Also zahlt W. – und lässt noch wissen, dass er auf dieses Erlebnis nun gleich ein Weißwurstfrühstück einnehmen werde.
Erst beim OEZ, dann auf der Schleißheimer – aber Serpia K. nimmt es mit einem Lächeln
Auf Höhe des Goldschmiedplatzes an der Schleißheimer Straße wird Serpia K. in ihrem Golf gestoppt. Den Guten-Morgen-Gruß des Polizisten erwidert sie fröhlich: „Guten Morgen Ihnen auch! Meiner ist nicht so toll.“
Polizist: „Warum? Sie wissen ja noch gar nicht, warum wir Sie aufhalten.“
Serpia K.: „Doch. Ich habe den Blitz gesehen – und das war nicht der erste heute! Vorhin beim OEZ hat es mich auch schon erwischt.
Und das heute: Ich bin auf dem Weg zur Wohnungsbesichtigung und spät dran. Wie lange dauert es?“
Polizist: „Einen Moment dauert es. Wir haben bei Ihnen 68 km/h gemessen. Haben Sie Einwände?“
Serpia lächelnd: „Nein.“
Vom Blitz-Marathon, räumt sie gegenüber der AZ ein, habe sie nichts gewusst: „Sonst wäre ich vorsichtiger gefahren. Ich habe den Führerschein seit zwölf Jahren. Ich bin seitdem unfallfrei, musste nie Strafe zahlen.“
Der Polizist klärt Serpia K. über den Sachverhalt auf: „Sie wurden mit 68 km/h bei erlaubten 50 km/h gemessen: 18 km/h zu schnell. Abzüglich drei km/h Messtoleranz sind sie 15 km/h zu schnell gefahren.“ Heißt: 25 Euro Verwarnungsgeld.
Serpia K. zahlt bar; nach Erhalt der Quittung fährt sie weiter, winkt noch lächelnd aus dem Fenster. Knapp 20 Minuten hat’s gedauert.
Bleiben alle Erwischten so fröhlich? Der Beamte: „Eher nicht. Ausnahmen wie Frau K. nehmen es hin. Sie sehen ein, dass sie einen Fehler gemacht haben und betrachten es als positive Kritik.“