Biotopia in Nymphenburg steht auf der Kippe

Seit fast zehn Jahren plant der Freistaat das Naturkundemuseum neben Schloss Nymphenburg. Doch es gibt immer mehr Kritik - nun auch aus der CSU.
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Sie sehen den Charakter von Schloss Nymphenburg gefährdet: Elke Wendrich aus der Bürgerinitiative, der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger und CSU-Stadtrat Leo Agerer.
Sie sehen den Charakter von Schloss Nymphenburg gefährdet: Elke Wendrich aus der Bürgerinitiative, der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger und CSU-Stadtrat Leo Agerer. © Daniel von Loeper

München - Aus lauter Dankbarkeit, dass ihm seine Gemahlin nach zehn Jahren des Wartens einen Sohn gebar, schenkte Kurfürst Ferdinand Maria ihr Schloss Nymphenburg. Gut ein Jahrhundert lang wurde daran gebaut und eigentlich soll sich das Schloss-Ensemble bald wieder verändern: Im Nordflügel soll das neue Naturkundemuseum Biotopia entstehen. Dafür soll ein bestehender Gebäudetrakt aus den 60er-Jahren abgerissen werden. Kunsthistoriker kritisieren das schon lange. Aus ihrer Sicht gefährdet der moderne Museumsbau den Charakter des Schlosses.

Ihre Kritik schien jahrelang zu verhallen. Doch nun bekommt diese Debatte neuen Schwung: Denn auch Teile der CSU wollen das Museum an dieser Stelle verhindern. Dabei beschloss den Umbau die bayerische, von der CSU geführte Staatsregierung. Doch nun könnte es passieren, dass ausgerechnet die CSU dieses Projekt noch diesen Sommer auf Eis legt.

CSU gegen Biotopia-Pläne

Vor etwa einer Woche verschickte der CSU-Stadtrat Leo Agerer einen Brief an die CSU-Fraktion im Landtag. "Stoppen Sie "Biotopia" im Schloss", lautete der Betreff.

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Unterzeichnet haben diesen nicht nur örtliche CSU-Verbände und eine ganze Reihe von CSU-Stadträten, sondern auch zwei CSU-Bundestagsabgeordnete. Einer von ihnen ist Stephan Pilsinger, der als Direktkandidat der CSU im Münchner Westen gerade seinen Wahlkampf beginnt.

Auf diesem Bild muss man schon genau hinsehen, um den Unterschied zu erkennnen. Neu ist der Teil ab dem Tor.
Auf diesem Bild muss man schon genau hinsehen, um den Unterschied zu erkennnen. Neu ist der Teil ab dem Tor. © Staab

Auch in der CSU-Landtagsfraktion hat Leo Agerer Unterstützer gefunden. Robert Brannekämper, der Vorsitzende des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst im Landtag, spricht sich dafür aus, den Museumsneubau doch noch einmal zu überdenken.

Verschlingt das Projekt 200 Millionen Euro?

Sein Hauptargument sind die Kosten. Die neusten Schätzungen belaufen sich auf zirka 200 Millionen Euro, sagt er. In den vergangenen sieben Jahren hätten sie sich fast verdreifacht.

Doch inzwischen sitzt beim Freistaat das Geld nicht mehr so locker. "Seit der Corona-Pandemie ist die Kassenlage des Freistaats extrem angespannt", sagt der Landtagsabgeordnete Brannekämper. Zwar arbeitet ein Architekturbüro schon seit 2013 an den Museumsplänen, zwar hat Biotopia eine eigene Homepage und einen ganzen Stab an Mitarbeitern, die bereits Ausstellungen entwickeln - allerdings hat die bayerische Staatsregierung die Millionen für den Bau noch nicht bewilligt. Erst vor der Sommerpause, also im Juli, will der Landtag über die Finanzierung entscheiden. Der Bauherr, das Staatliche Bauamt, will sich erst dann auf eine Anfrage der AZ äußern, wenn für "das weitere Vorgehen Projektsicherheit besteht".

Der CSU-Stadtrat Agerer hält die Zeit günstig für einen erneuten Vorstoß. Er startet nun unter www.openpetition.de eine Petition. Sein Ziel sei nicht, Biotopia komplett zu verhindern. Er will das Museum an einen anderen Standort verlegen, sagt er.

Denn Agerer und der Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger gehen davon aus, dass dies weniger kosten würde - trotz der Planungen, die seit Jahren laufen. Denn für den Museumsneubau muss das ehemalige Institut für Genetik zurückgebaut werden. Dieses stammt aus den sechziger Jahren und ist nicht denkmalgeschützt. Doch weil es direkt an das Schloss grenzt, können nicht einfach die Abrissbirnen anrücken. Der Rückbau ist sensibel und in den Augen des CSU-Stadtrats ein Kostentreiber.

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Ein weiteres Argument sei der Verkehr. Bereits heute sei der Schlosspark gerade am Wochenende überfüllt, bereits heute wissen die Besucher nicht, wo sie parken sollen, sagt der Abgeordnete Pilsinger. Dieses Problem könnte sich aus seiner Sicht verschärfen.

Areal bei Paketposthalle als Ausweichstandort?

Einen neuen Standort hat Stadtrat Agerer bereits im Blick: das Areal rund um die Paketposthalle. Es liegt direkt an der S-Bahnstation Hirschgarten. Für Schulklassen sei ein Museum dort leichter zu erreichen, meint Agerer. Die Büschl-Unternehmensgruppe, die das Gelände überplant, freut das. Sie könnten sich sehr gut vorstellen, für das "spannende Museum einen sehr prominenten Standort zu finden", beispielsweise neben der Paketposthalle, heißt es auf AZ-Anfrage.

Ein neuer Standort hieße aber auch, dass die Pläne, die das Berliner Architekturbüro Staab für Biotopia ausarbeitete, im Papierkorb landen würden. Ebenso wie das Ausstellungskonzept, an dem ein mehrköpfiges Kuratoren-Team seit 2017 feilt. Es sei eng auf die Räume abgestimmt, sagt Ulrike Rehwagen, die das Team aufbaute und die nun für die Pressearbeit verantwortlich ist.

"Die Museumsplaner sind in einem engen Austausch mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, die Architekten haben ihren Entwurf immer wieder angepasst", sagt sie. "Inzwischen integriert sich der Neubau harmonisch in das Schlossensemble."

Trotzdem landete das Schloss Nymphenburg im März auf der roten Liste, auf der der Verband Deutscher Kunsthistoriker bedrohte Denkmäler sammelt. Wenn einmal ein Teil aus dem Ensemble herausgebrochen sei, werde der Appetit auf mehr wachsen, heißt es in der Begründung der Historiker.

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17 Kommentare
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  • Muc Muc am 10.05.2021 18:31 Uhr / Bewertung:

    Und dem Leo Agerer in Kulturfragen zu vertrauen? Das halte ich für abenteuerlich. Jemand der die gesammelten Werke Josef Mader’s im Stadtbesitz für ca. 100 Euro pro Stück verscherbeln wollte um mit dem Erlös die Kreativbranche zu fördern? Das sind einfach nur kurzfristige und planlose Interventionen die demonstrieren wie wenig diese Menschen vom Wissensaustausch und dem nachhaltigen Wert von Kulturstätten und Kulturerzeugnissen verstehen. Ein derartig wertvolles Projekt für Bayern eindampfen zu wollen ist einfach nur engstirnig und nicht mehr zeitgemäß. Ich hoffe sehr das die Menschen noch den langfristigen Wert dieses Museums erkennen und fördern und nicht die Ewig-gestrigen aus Wahlkampfgründen alles ruinieren.

  • Muc Muc am 10.05.2021 18:29 Uhr / Bewertung:

    Der CSU Stadtrat sollte der Richtigkeit halber auch erwähnen das der "sensible Rückbau" in der Asbest-Verseuchung des 60er-Jahre Anbaus begründet ist. Dieser Anbau müsste ohnehin irgendwann sachgerecht (teuer) entfernt werden um keine Gesundheitsgefahr darzustellen. Wieso wird das immer bequem verschwiegen?

    Bei dieser Gelegenheit kann München ein überaltetes und verstaubtes Museum zu einem lebendigen Ort des Wissensaustauschs zu verwandeln. Die Planer sind dialogisch auf viele Bedenken eingegangen und berücksichtigen Vorschläge in neu aufgearbeiteten Designs.

    Der Schutz des abgehalfterten Asbest-verseuchten Anbaus soll mehr Wert sein als einen Ort zu schaffen der mit den Bürgern den Dialog zu Klima-, Naturschutz und der Wissenschaft sucht? An dem Ort der logisch und inhaltlich dafür Sinn macht (statt der Industriebrache)! Die Argumentation hinkt von A–Z — ein Blick nach Wien zum MUMOK zeigt wie wunderbar "alt und neu" aussehen kann.

  • Mobilist am 30.04.2021 17:02 Uhr / Bewertung:

    Der Dackel darf bei Pilsinger natürlich nicht fehlen.

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