Bekannte Künstlerbar in München sucht neue Bleibe: "Wollen einen Kontrapunkt setzen"
München - Ganz so wie man es von München ja mittlerweile kennt, begann alles als Zwischennutzung für einige Monate. Dann wurde daraus eine längere Erfolgsgeschichte: Das "Provisorium" in der Lindwurmstraße, geführt von den Brüdern Wanja und Igor Belaga, war sechs Jahre lang eine erfolgreiche Künstlerbar in München. Neben der eigentlichen Hauptbeschäftigung, also dem Barbetrieb, war das Provisorium immer auch ein Ort für Kunstausstellungen, Lesungen, Konzerte und auch für private Feiern.

Künstlerbar für München: Das Provisorium sucht einen neuen Ort
Dann kam im Juli 2018, also vor einer halben Ewigkeit inklusive Pandemie, der Umzug an den Ostbahnhof in die Gravelottestraße. Das Provisorium wurde zur Paris Bar, weil Wanja Belaga dort das alte Schild der Vorbesitzer wiederentdeckt hatte. Sie wollten sich "vor der Geschichte verneigen," sagt er zur AZ, und die Bar umbenennen.
Was wiederum jener anderen, promi-bekannten Paris Bar in Berlin so gar nicht schmeckte. So besuchte die Polizei Belagas Münchner Paris Bar, "mit einer einstweiligen Verfügung, einer Gerichtszustellung aus Berlin", wie er erzählt. "Das fand ich total daneben, das hat uns auch wahnsinnig viel Geld gekostet", sagt Belaga heute. Und dann kam auch schon bald Corona. "So war die Münchner Paris Bar ein kurzes Strohfeuer".

"Waren mit dem Kopf woanders": Provisorium-Betreiber wollen weitermachen
Immer wieder haben Wanja und sein Bruder Igor Belaga mit dem Gedanken gespielt, das Provisorium wieder aufleben zu lassen. "Aber während Corona und dem Ukraine-Krieg waren wir mit dem Kopf woanders."
Obendrauf kommt jetzt noch der Israel-Krieg, der die Familie beschäftigt, weil auch der sie persönlich betrifft. Die Eltern der Belagas sind ukrainisch-baltische Juden. Sie wuchsen in Moskau auf, wurden Ende der Siebziger Jahre nach Wien ausgewiesen und landeten schließlich in München.
Wanja und sein Bruder Igor sind neben ihren künstlerischen Aktivitäten auch im Münchner Nachtleben aktiv, betreiben zum Beispiel Anfang der Nullerjahre den Prager Frühling oder den Salon Irkutsk.
Ein "Little Odessa" für München
Jetzt soll es wieder weitergehen und zwar nicht nur trotz, sondern auch wegen der andauernden Konflikte: "Wir haben schon länger Pläne in der Schublade, etwas zu machen wie in Little Odessa in Brighton Beach in New York, also russisch-ukrainisch-jüdische Küche anzubieten." Das fänden sie interessant, aber nur, wenn es einen geeigneten Ort dafür gibt. Der braucht zwingend eine Küche. "Es wäre schön, da das Gemeinsame, Verbindende zu betonen und einen Kontrapunkt zu setzen."
Klar ist, in welche Richtung es auf keinen Fall gehen soll. Sie seien nicht interessiert an hochsanierten Restaurantobjekten. "Da wollen die Leute sehr hohe Ablösen für sehr viel Hochglanz. Aber darum geht es genau nicht."
Kneipe für Künstler mit Patina und Leben
Es geht um eine Künstlerkneipe, möglichst mit Patina und Leben. Die wollen sie auch für Künstler jeglicher Art öffnen. "Niedrigschwellig" ist da das Stichwort: "Es fehlen Orte in der Stadt, wo man niedrigschwellig Kunst zeigen kann", sagt Belaga zur AZ. "Es gibt größere Sachen wie das Fat Cat im alten Gasteig zum Beispiel, aber da muss man dann extra Räume anmieten und das ist auch nicht billig."
Sie verfolgen ein anderes, einfacheres Konzept: "Bei uns mussten die Leute das nicht bezahlen, die haben für ein paar Tage eine Ausstellung gemacht und wir haben das über den Abverkauf von Getränken refinanziert."
Unterschleißheim werde es wahrscheinlich eher nicht, aber ansonsten zeigt sich Belaga recht flexibel, was den künftigen Standort eines neuen Provisoriums betrifft. "Das Konzept ist auch abhängig vom Ort: Je nachdem gibt es dann mehr Ausstellungen, Lesungen oder Konzerte", sagt Belaga.
Ob und wie es vielleicht bald mal ein neues Provisorium in München gibt, ist also noch offen. Eins ist klar: Der Stadt würde ein solcher Ort sehr gut tun.