Jahrhundertealtes Wahrzeichen in München zertrümmert: Was nun noch gerettet werden kann
München - Was für ein trauriger Anblick das war: die übermannshohe Burgfriedensäule aus dem Jahr 1460 – urplötzlich in vier große Steinbrocken zerbrochen auf dem Kopfsteinpflaster zwischen dem Kinderspielplatz und dem Miniwirtshaus Wintergarten am Elisabethmarkt.
Burgfriedensäule am Elisabethmarkt: ein alter Grenzstein
Viele Spaziergänger am Markt standen betroffen vor dem Trümmerhaufen und rätselten, was da wohl passiert sein mochte. Die 563 Jahre alte Steinsäule mit eingehauenem Münchner Kindl ist für viele Schwabinger halt doch ein kleines Wahrzeichen im Herz ihres Viertels. Sie ist seinerzeit ein Grenzstein gewesen, der den Geltungsbereich eines Burgfriedens markiert.

Am 1. August war das, und wenig später war immerhin klar: Es ist kein mutwilliger Vandalismus gewesen. Ein Arbeiter war beim Rangieren mit einem schweren Fahrzeug mit so viel Wucht gegen die Säule gerumpelt, dass sie beim Aufprall umgestürzt und dabei zerbrochen ist. Menschen sind Gott sei Dank nicht zu Schaden gekommen.
Steinmetzbetrieb im Kreativquartiert restauriert nun die Einzelteile
Das zuständige Baureferat hat die großen Denkmalbrocken wenig später von Steinmetzen abholen lassen, damit die retten, was zu retten ist. Den Säulenstumpf, der noch zwei Handbreit aus dem Boden ragt, bedeckt nun eine umgedrehte Holzkiste mit einem rot-weißen Obacht-Aufkleber drauf.

Und nun? Die AZ hat nachgeforscht – und die Bruchstücke gefunden: keine zwei Kilometer Luftlinie entfernt in einer Halle an der Heßstraße im Kreativquartier, in der Werkstatt des Steinmetzbetriebs Dr. Pfanner. Die Steinmetze hier sind Experte im Restaurieren von steinernen Denkmälern, gerade erst haben sie etwa das Marmorfundament der Mariensäule am Marienplatz restauriert.
Wer durch die Halle schauen darf, kann an jeder Ecke staunen, was hier alles liegt. Ein Stück der Münchner Stadtmauer, das bei privaten Bauarbeiten in der Maximilianstraße aufgetaucht ist, steinerne Teile vom Sendlinger Tor, eine der Sitzbänke aus rotem Ziegelstein vom Rotkreuzplatz.

Und ganz rechts in der Ecke, hinter einem monströsen Kapitell einer steinernen Säule, da liegen die drei Brocken vom Elisabethmarkt, fein säuberlich in der richtigen Reihenfolge auf Paletten aufgebockt, jedes Stück 400 Kilo schwer. "500 Jahre Geschichte", sagt die Steinmetzin und Restauratorin Clara Friedl (35), deren Hände gerade so gefühlvoll über den Stein streichen, als würde sie warme, weiche Haut streicheln.
Steinoberfläche: Auch Spuren roter Farbe sind zu sehen
"Das ist Glimmerschiefer aus den Alpen", sagt sie. "Das ganze Steinstück war mal 2,60 Meter lang, einen halben Meter breit und eineinhalb Tonnen schwer. Was denken Sie, wie viele Menschen geschuftet haben, um das Stück heil aus dem Fels zu hauen? Es zu Fuß aus den Alpen nach München zu bringen? Über jeden Bach, auf unbefestigten Straßen, mit einem Floß, bei Hoch- oder Niedrigwasser?" Vor einem halben Jahrtausend, das müsse man" sich heute mal vorstellen.
Die Steinoberfläche ist inzwischen verwittert, Moos und Schmutz lässt sie an einigen Stellen grünlich und schwärzlich erscheinen. Auch Spuren roter Farbe sind zu sehen, wo ein Schmierfink die Burgfriedensäule vor Jahren besprüht hat.

Nur an den Bruchkanten sieht man den Schiefer noch schön glimmern. Und an den 15 zusätzlichen Bruchsteinchen, die die Steinmetze an der Unfallstelle aufgesammelt haben. An der Steinspitze, beim dritten Brocken, kann man sogar noch die Spuren des Spitzeisens sehen, mit dem ein Steinmetz einst – allerdings erst in späteren Jahren – das Relief des Münchner Kindls eingehauen hat.
Teile werden aneinander geklebt, Fehlstellen werden mit Ersatzmasse ergänzt
Es gibt eine Menge zu tun an den Bruchstücken, vermutlich werden drei Steinmetze damit einige Wochen beschäftigt sein – in Absprache mit dem Landesamt für Denkmalpflege. Zuerst verdübeln sie die großen Stücke mit Edelstahldübeln miteinander, damit die Burgfriedensäule später wieder sicher steht, erklärt die Steinmetzin.
Dann kleben sie die Teile fest aneinander. Danach wird Clara Friedl die Fehlstellen, von denen es hoffentlich nicht zu viele gibt, mit einer Steinersatzmasse ergänzen, "und zwar so", sagt sie, "dass ein Fachmann die Ergänzungen erkennen kann, aber ein Laie nicht, weil wir diesen blöd verursachten Schädigungsprozess ja nicht würdigen wollen." Das wäre anders etwa bei einem Kriegsschaden, der selbst eine zeitgeschichtliche Bedeutung hätte. Im nächsten Schritt wird die Säule leicht gereinigt.

Rückkehr der Burgfriedensäule womöglich an Weihnachten
Als letztes schließlich kommt ein Graffitischutz auf die Oberfläche, damit sich womöglich erneute Schmierereien leichter abwaschen lassen. Wobei, "bitte lasst das, Sprayer", sagt Clara Friedl, "denkt an den Schweiß, die Schufterei, die liebevolle Arbeit, die in diesem alten Stück Geschichte steckt."
Wann die Burgfriedensäule zurückkehrt an den Elisabethplatz, lässt sich noch nicht sagen. Wenn alles gut läuft, ist es vielleicht Weihnachten soweit. Und dann, Herumrangierer, bitte aufpassen.
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