AZ-Report zur Romeo-Masche: Der Betrug mit der Liebe

Die Romeos lauern auf Singlebörsen und in Chatforen. Der Traum vom gemeinsamen Glück endet vor allem für Frauen im Desaster. Ihre Herzen sind gebrochen, und oft haben sie viel Geld verloren.
Ralph Hub
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Die Romeos spielen mit den Gefühlen ihrer Opfer. Die erleben eine regelrechte Achterbahnfahrt. Schwülstigen Liebesschwüren folgen Zurückweisungen manchmal sogar Drohungen und Erpressung, wenn die umworbene Person nicht zahlt. (Symbolbild)
Die Romeos spielen mit den Gefühlen ihrer Opfer. Die erleben eine regelrechte Achterbahnfahrt. Schwülstigen Liebesschwüren folgen Zurückweisungen manchmal sogar Drohungen und Erpressung, wenn die umworbene Person nicht zahlt. (Symbolbild) © imago images/NurPhoto

München - Es war Liebe auf den ersten Blick für die alleinerziehende Mutter aus München. Auf einer Flirtseite hatte die Verkäuferin einen Mann kennengelernt, angeblich ein Pilot. Ein smarter Typ um die 30. Er gab der 50-Jährigen das Gefühl, die einzige Frau auf der Welt zu sein, seine große Liebe. Am Ende war der Lover futsch und mit ihm 10.000 Euro. Geld, das sie nie wieder sah.

Love Scamming oder auch Romance Scamming heißt die Masche, mit der skrupellose Trickbetrüger Jagd auf einsame Herzen machen. Die Opfer sind, so die Erfahrung der Ermittlungsbehörden in München, nahezu ausschließlich alleinstehende Frauen.

"In über 90 Prozent der Fälle sind es Frauen, die sich bei uns melden und Anzeige erstatten", betätigt das Hauptzollamt München. "Die Täter täuschen eine Illusion von Liebe vor, stillen die Sehnsucht nach Zuneigung und Geborgenheit", warnt ein Psychologe. "Wenn das Herz singt, schweigt bei vielen der Verstand", sagen Fahnder.

Die Pandemie hat viele Menschen noch einsamer gemacht

Während der Pandemie hat "Love Scamming" stark zugenommen. Seit Monaten verzeichnen Ermittlungsbehörden eine deutliche Zunahme. "In den letzten sechs Monaten haben sich bei uns rund 180 Opfer gemeldet", sagt Thomas Meister vom Hauptzollamt München. "Seit September steigen die Zahlen extrem stark an." In dieser Woche berichtete die Polizei vom Fall einer 65-Jährigen aus Dachau, die einem Romeo 35.000 Euro ins Ausland überwiesen hat. Seitdem ist der Betrüger abgetaucht.

Besonders leicht gerät an einen Romeo, wer im Internet auf kostenlosen Chat- und Flirtforen unterwegs ist. Die Romeos verwenden geschickt gefälschte Profile. Partnervermittlungen wie Parship oder Elitepartner, die für ihre Dienste Gebühren verlangen, meiden die Gauner dagegen wegen der Kosten.

Polizei: "Die Täter verstehen es perfekt, Opfer zu manipulieren"

Nach dem ersten Kontakt versuchen die Täter meist, mit ihrem Opfer auf einen Messengerdienst zu wechseln, dort, so behaupten sie, könne man sich freier und ungezwungener unterhalten.

"Die Täter verstehen es perfekt, Opfer zu manipulieren", erklärt Polizeisprecher Benjamin Castro Tellez. Das Leben, das die Täter dabei vorgaukeln, ist alles andere als alltäglich.

Gefälschte Lebensläufe, gestohlene Identitäten und getrickste Fotos

Der Lover erscheint aufregend und exotisch. Fotos und Videos, die sie auf ihren Profilen hochladen, sind genauso falsch wie der Rest ihrer Vita. Manche geben sich als amerikanische Soldaten im Auslandseinsatz aus.

Gerne schmücken sich die Gauner mit Berufen, die hohes soziales Ansehen genießen. Laut einer Analyse des Polizeipräsidiums München behaupten Männer gerne, sie seien Ärzte, die in armen Ländern Kranken helfen. Beliebt sind auch Legenden als Pilot, Computerspezialist, Ingenieur oder Techniker auf einer Öl-Plattform.

Viele Opfer fassen zu schnell Vertrauen

Weibliche Romeos geben häufig vor, sie seien Krankenschwestern, Lehrerinnen, Erzieherinnen, Geschäftsfrauen oder auch Ärztinnen. Egal ob bei männlichen oder weiblichen Romeos, die Jobs sind immer im Ausland. Eine Erklärung dafür, dass sie sich im echten Leben nur schwer mit jemanden treffen können, selbst einsam sind und deshalb aufs Internet angewiesen.

"Ein scheinbar harmloser Online-Chat ist oft der erste Schritt ins Verderben", warnt Thomas Meister. Viele Opfer fassen zu schnell Vertrauen. Ist eine gewisse Scheu erst einmal überwunden, so Thomas Meister, reden Opfer schnell über sehr persönliche Dinge. Manche geben intime Informationen und sogar Nacktfotos von sich preis - an jemanden, den sie im echten Leben nie getroffen haben. "Durch regelmäßigen Kontakt bauen die Täter nachhaltig eine emotionale Bindung zu ihren Opfern auf und erscheinen so besonders zuverlässig und glaubwürdig", so Benjamin Castro Tellez.

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Romeo erzählt plötzlich von Problemen und finanziellen Schwierigkeiten

Die Opfer kommen aus allen Altersgruppen und gesellschaftlichen Schichten. "Es sind Akademikerinnen genauso vertreten wie Geschäftsfrauen oder Verkäuferinnen", sagt Thomas Meister. Bei Männern fällt auf, dass es vor allem ältere Semester sind, die Betrügerinnen auf den Leim gehen, Männer im Rentenalter, die keine Lust verspüren, länger alleine zu sein.

"Durch Liebesschwüre und blumig beschriebene Pläne über eine gemeinsame Zukunft wird Vertrauen aufgebaut", warnt Benjamin Castro Tellez. Die Opfer geraten in "eine Art emotionaler Abhängigkeit", sagen Psychologen. Sobald der Romeo zum unverzichtbaren Bestandteil im emotionalen Leben des Betreffenden ist, lässt der die Katze aus dem Sack: Er erzählt von Problemen, finanziellen Schwierigkeiten.

Die Täter nutzen geschickt die Hilfsbereitschaft ihrer Opfer aus

Dabei geht es um erfundene Schenkungen, Erbschaften, Abfindungen, verkaufte Geschäftsanteile aus einer eigenen Firma. Die Täter behaupten immer, sie seien eigentlich reich, kämen aber aus gewissen Gründen nicht an ihr Geld heran. "Dabei ging es früher oft um Gold, das nach Deutschland gebracht werden solle, momentan dreht sich viel um angebliche Diamanten", warnt Thomas Meister.

Mancher Romeo erzählt von Schicksalsschlägen, von schweren Krankheiten, hohen Behandlungskosten, von Unfällen. Geschickt nutzen die Täter die Hilfsbereitschaft der Opfer aus. Immer ist das Ziel, an das Geld der "großen Liebe" heranzukommen.

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"Die Opfer stehen am Ende finanziell vor dem Ruin"

Eine weitere beliebte Masche funktioniert genau entgegengesetzt: Die Täter schicken aus Dankbarkeit oder als Liebesbeweis, wie sie behaupten, ein Paket mit angeblich kostbarem Inhalt - Schmuck, Gold oder Edelsteine. Immer tauchen dann unvorhergesehene Probleme auf. Das Paket hänge angeblich beim Zoll fest, behaupten die Betrüger, Gebühren seien fällig.

"Die Opfer bezahlen, manche lediglich ein paar Hundert Euro, andere über Monate hinweg 10.000 Euro und mehr", sagt Thomas Meister. Manche verschulden sich. So wie die alleinerziehende Verkäuferin aus München, die ihrem angeblichen Piloten mehr als 10.000 Euro überwiesen hat. Geld, das die 50-Jährige nicht besaß und sich bei Verwandten und Freunden geliehen hat. "Die Opfer stehen am Ende finanziell vor dem Ruin", warnt Thomas Meister, "oft gehen Familien und langjährige Freundschaften daran kaputt."

Die große Liebe entpuppt sich am Ende als eiskalter Erpresser

Wenn Opfer nicht freiwillig bezahlen, üben die Täter massiv Druck aus. Sie brechen den Kontakt ab, reagieren mit Liebesentzug. Manche versuchen, die Opfer mit intimen Fotos, die die selbst vorher an den Romeo geschickt hatten, zu erpressen. Manche drohen mit Anzeigen und behaupten, die Betreffenden seien an illegaler Geldwäsche beteiligt, ihnen drohe eine Gefängnisstrafe.

Eine Münchner Geschäftsfrau ließ, um Ärger aus dem Weg zu gehen, kürzlich ein Paket ihres Romeo an die Firmenadresse einer Freundin schicken. Geholfen hat das wenig. Als die Münchnerin weitere Drohungen erhielt, hat sie den Kontakt zu dem Romeo abgebrochen und ging zur Polizei.


Warnzeichen: Das sind die Tricks der Romeos

Diese Punkte verraten einen Romeo: Existiert das Profil erst seit kurzer Zeit? Hat es auffallend wenige Besucher? Die Profilinhaber haben kein alltägliches, einfaches oder gar langweiliges Leben. Fotos und Videos dienen als Beleg für ein außergewöhnliches Leben, eines ganz besonderen Menschen.

Oft sind es geklaute Fotos, Aufnahmen einer anderen Person. Um möglichst glaubhaft zu wirken, werden oft tatsächlich existierende Profile kopiert. Verdächtige Fotos lassen sich im Internet mit Rückwärtssuche finden, in dem man den Namen mit einem zusätzlichen Schlagwort "Scammer" bei einer Suchmaschine eingibt.

Romeos tun alles, um ein persönliches Treffen zu vermeiden. Wer das Gefühl hat, auf einen Betrüger hereingefallen zu sein, sollte sämtliche Mails und Chatprotokolle sichern und sie der Polizei übergeben. Wichtig ist, schnell zu handeln, denn sobald das Geld ins Ausland transferiert ist, besteht kaum Hoffnung es zurückzuholen.

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4 Kommentare
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  • Sarkast am 23.04.2022 09:26 Uhr / Bewertung:

    >>>Es war Liebe auf den ersten Blick<<<

    Unglaublich.
    Diese Frau verliebt sich in ein Foto, das sie im Mülleimer der Asozialen Medien gefunden hat.
    Und überweist dem Foto Geld.
    Selber schuld...

  • hiertanzenvieleihrennamen am 22.04.2022 01:17 Uhr / Bewertung:

    "Die Täter verstehen es perfekt, Opfer zu manipulieren" - dabei wäre es sooo einfach! Würden die Betrogenen nur eine Minute nachdenken, ob sie einem völlig Fremden die Türe aufmachen, er ihnen Märchen erzählt und sie dann Geld übergeben? Nein. Aber völlig fremden Unbekannten im Internet überweist man ungeprüft horrende Summen! 😞

  • Der wahre tscharlie am 21.04.2022 15:22 Uhr / Bewertung:

    Ich vermute mal, diese Romeo-Masche wird sich noch mehr verbreiten.
    Denn die Deepfake-Methode bei Fotos und Videos wird in letzter Zeit immer besser. Gerade bei Fotos. Deshalb ist es immens wichtig, die diversen Bildersuchmaschinen zu benutzen. Und meine Erfahrung, nicht nur das gesammte Bild suchen lassen, sondern speziell nur das Gesicht der Person. Denn dieser Ausschnitt gibt eher einen Treffer, als z.B. ein Ganzkörper-Foto.

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