AZ-Interview mit Wolfgang Roucka: "Mein Bankerl, Hermine und ich"
München - Fast zwei Jahre ist es her, dass der "Posterkönig" Wolfgang Roucka seine Galerie aufgeben musste. Ein Gespräch übers Abschiednehmen, seinen neuen Lieblingsort am Elisabethplatz - und wieso er Weißwürscht wirklich vor 12 Uhr isst
Am Ende war ihm die Zeit davongelaufen. Mitten im ersten Lockdown im April 2020 hatte das Münchner Urgestein Wolfgang Roucka seine legendäre Postergalerie in der Feilitzschstraße räumen müssen. Grafiken, Kunstdrucke, Rahmen, Planschränke - alles musste raus. Samt einem halben Jahrhundert Schwabinger Erinnerungen. Der Vermieter wollte ja sanieren - für eine teurere Miete. Nun lebt der quirlige Netzwerker und Menschenunterhalter (81) schon bald zwei Jahre ohne den Ort, der sein Leben bestimmt hat. Wie ist das neue Leben?
Wolfgang Roucka: "Ich vermisse meinen Laden schon noch sehr"
AZ: Herr Roucka, in Ihrer Postergalerie am Wedekindplatz ist jetzt ein Friseur drin, schon gesehen?
WOLFGANG ROUCKA: Ja, so ein Bio-Friseur. Das hat Schwabing ja dringend gebraucht. Noch einen Friseur. Wahrscheinlich kann man sich den Kopf da besonders biologisch massieren lassen. Ich werd den Laden mit Sicherheit nicht betreten.
Immer noch Abschiedsschmerz?
Ich kann mir am Elisabethplatz, wo ich wohne, für 13 bis 17 Euro die Haare schneiden lassen, da unterbieten sich die Friseure gegenseitig, des langt mir. Überhaupt zieht's mich nimmer so hin an den Wedekindplatz.

Sein Laden war Rouckas zweites Wohnzimmer
Wie oft waren Sie noch da seit der Schlüsselübergabe? Es wären ja bloß eineinhalb Kilometer zu Fuß von Ihrer Wohnung.
Drei Mal, das letzte Mal vor drei Wochen. Da war ich dann für eine Viertelstunde daheim am Wedekindplatz. Ich hab die Laterne von der Schwabinger Gisela begrüßt, die am Platz steht, und in meinen Second-Hand-Laden reingeschaut, an der Ecke Occam-Haimhauserstraße, wo mein gestreiftes Sakko herkommt. Sogar die Hermine, mein Hündchen, hat sich wohl gefühlt. Das spürst, wenn der Hund sich wohlfühlt. Mir fehlt mein Laden schon noch sehr. War mein zweites Wohnzimmer.
Wo sind Ihre ganzen Restbestände aus dem Laden hingekommen?
Alles in Containern vernichtet. Das waren Hunderte Poster von Pop-Art bis zu berühmten Musikpostern. Dann Kunstdrucke von Chagall bis zu Zeitgenossen. Und so viele Bilderrahmen. Das waren acht bis zehn Müllcontainer, mit der ganzen Einrichtung, ein Drama.

Rouckas Fotos und berühmte Olympia-Plakate
Geblieben ist Ihnen Ihr Bildarchiv über München, Sie sind ja Fotograf seit den 50er Jahren.
Ich bin dabei, das zu sortieren. Das sind vor allem Dia-Negative, viele in dem breiten Format der Linhof-Technorama-Kamera. Viele habe ich schon ins Stadtarchiv gegeben.
Gibt es Ihre berühmte Plakatserie zu Olympia 1972 noch?
Natürlich, die geb ich alle mal an den Olympiapark.

Roucka: Fasching ist ein Lebenselixier
Fasching, Ihre Lieblingsjahreszeit, fällt auch schon wieder aus. Womit heben Sie Ihre Laune, wenn die bei dem Winterwetter mal durchhängt?
Mit der Hermine. Die ist seit fünf Jahren bei mir und mein Lebenselixier. Ich lebe ja als Single. Mit der spaziere ich drei Mal am Tag um die Häuser, immer da, wo's was zum Schnuppern gibt, damit sie sich ned langweilt. Morgens, mittags und am Nachmittag nochmal. Das mit meiner angeblichen Faschingsleidenschaft muss ich jetzt auch amal aufklären.
Wieso angeblich?
Die Leut haben immer gedacht, ich treibe mich alle Nächte tanzend auf den Bällen herum.
Stimmt gar nicht?
Nein! Ich war als Mitglied des Elferrats von der Faschingsgesellschaft Narrhalla einfach bloß immer da, wo das Prinzenpaar war, zum Fotografieren. Und um denen zu sagen, was sie machen müssen. Aber das ist heute eh nimmer so bedeutend, dass ich fotografier, wo jeder ein Smartphone hat und gleich alles ins Internet stellt. Da muss ich nimmer überall herumturnen.
Mit Abendzeitung und Hermine auf dem Holzbankerl
Aber das Gesellige, wo holen Sie sich das? Ein Eigenbrötler werden Sie ja nicht geworden sein.
Auf meinem Holzbankerl am Elisabethplatz. Des ist jetzt mein Lieblingsplatz. Da gehen die Hermine und ich jeden Tag hin, kaufen uns die Abendzeitung am Kiosk und setzen uns in die Sonne. Ich lese Zeitung und schau mir die Leut an.
Was gibt's zum Schauen?
Da kommen mittags die Jugendlichen von der Schule und essen was am Elisabethmarkt, die Anwohner von drumherum kaufen an den Interims-Standln ein. Da ist immer Leben, da brauchst nicht an den Viktualienmarkt gehen, wennst einen Elisabethmarkt mit so viel Münchengefühl vor der Haustüre hast.
Weißwürste für einen Euro sind wunderbar
Bei den alten Markthäusln ist noch Baustelle.
Ich find das spannend, wie schnell sich alles entwickelt. Ich glaube, dass das toll wird, wenn die neuen Markthäusl fertig sind. Dauern wird's halt noch, heißt es. Aber das macht mir nix, weil meine Weißwürscht, die esse ich eh vorne am Platz in der Gaststätte Wintergarten. Und zwar vor 12.
Schmeckens danach nimmer?
Doch! Aber vor 12 Uhr kostet das Stück nur einen Euro, wo gibt's denn sowas noch. Dazu ein schaumiges Augustiner, und die Welt ist in Ordnung.

Guter Tipp, danke.
Bei so einem Preis kannst super Freunde auf ein Weißwurschtfrühstück einladen. Oder natürlich auch dich einladen lassen, ohne dassd dich blöd fühlst.
So gesehen haben Sie Ihr Lieblings-Schwabing vom Wedekindplatz nur ein paar Meter hier herüber versetzt.
Ja, so kann man's auch sehen.
- Themen:
- Augustiner-Bräu
- München
- Narrhalla