Auf dem München Marathon gegen den Tumor: Wie Angela Albrecht den Krebs hinter sich lässt

Erst der Marathon in New York, nun in München – wie Angela Albrecht den Krebs mit Sport und einer neuen Technik hinter sich lässt.
Maximilian Neumair |
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Angela Albrecht (r.) läuft bei ihrer Marathon-Teilnahme in München am Siegestor vorbei.
Angela Albrecht (r.) läuft bei ihrer Marathon-Teilnahme in München am Siegestor vorbei. © Angela Albrecht

München – Vom Olympiastadion über die Leopoldstraße und den Englischen Garten bis wieder zurück ins Olympiastadion. Über 42 Kilometer Weg hat die 55-jährige Angela Albrecht beim Marathon in München zurückgelegt. Und das in fünf Stunden.

Dabei liegt ihre Krebsdiagnose nicht einmal zwei Jahre zurück. Bereits sechs MRT-Kontrolltermine hat sie erfolgreich hinter sich. Und mit jedem weiteren tumorlosen Jahr steigt die Chance, dass er auch nicht mehr wiederkehrt. Das Laufen sei ihre Wunderwaffe, um weiter gesund zu bleiben, sagt Albrecht im Gespräch mit der AZ. Und das habe ihr während der Therapie auch viel Kraft gespendet, um durchzuhalten.

Nach den Kopfschmerzen kam der Schock: Gehirntumor

Dabei hatte die Krankheit sie beinahe das Leben gekostet, bevor sie überhaupt von dieser wusste: Im August 2021 hatte sie beim Autofahren das Bewusstsein verloren und war gegen einen Baum gekracht. Das Auto? Ein Totalschaden. Albrecht? "Ich bin ausgestiegen und habe mich gefühlt wie immer." Beim MRT-Check im Krankenhaus in Murnau entdeckten die Ärzte nichts. Doch die Geschichte sollte sich in fünf Monaten noch einmal wiederholen: Auf einem Almbesuch in Mittenwald war sie mit starken Kopfschmerzen zusammengebrochen.

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Dann im Krankenhaus der große Schock: Das MRT-Bild offenbarte diesmal einen 6,5 Zentimeter großer Tumor. Das ist beinahe die Größe eines Tennisballs. Dabei handelt es sich um Glioblastom Grad IV – laut WHO die schlimmste Ausprägung eines Gehirntumors. Innerhalb der kurzen Zeit von August bis Januar sei der Tumor so rasant gewachsen, sagten die Ärzte nach erneuter Überprüfung des Originalbilds. Michael Bierschneider, Leitender Arzt für Neurochirurgie in Murnau, sagt zur AZ: "Die meisten Glioblastome werden bei einem geringeren Tumordurchmesser bereits diagnostiziert."

Eine Lebenserwartung von zwei bis fünf Jahren zum Zeitpunkt der Diagnose

Was das genau für die Zukunft bedeutet, hatten die Ärzte Albrecht zufolge ihr und ihrem Mann vorerst nicht gesagt. Aber eine Internet-Recherche ergab eine Lebenserwartung von zwei Monaten bis fünf Jahren in einem Fall wie ihrem. "Es hat uns schier den Boden unter den Füßen weggezogen", schildert die 55-Jährige den Moment ihrer Krebsdiagnose. "Da kriegt man einfach Existenz- und Zukunftsangst."

Albrecht überstand die Operationen gut. Ihr großes Glück: "Der Tumor ist in einem Gehirnareal gelegen, wo er komplett entfernt werden kann", sagt Neurochirurge Bierschneider. Das sei der Idealfall. Aber auch ihre gute Verträglichkeit mit der Bestrahlungs- und Chemotherapie habe zu einen optimalen Verlauf der Therapie beigetragen.

Kurz nach der OP läuft Angela Albrecht wieder

Dabei hätte auch das Laufen, mit dem sie wenige Monate vor der OP angefangen hatte, dem behandelnden Mediziner zufolge eine wichtige Rolle gespielt. Dementsprechend fragte die 55-Jährige den Arzt sogleich, ob sie wieder laufen gehen könne. "Da hat er gesagt: ,Ja, versuchen Sie es. Aber übertreiben Sie es nicht. Es darf kein Druck im Kopf erzeugt werden.'" Das hat Albrecht auch so befolgt. "Das lief so gut, dass ich dann im November darauf in New York mit Freunden den Marathon laufen konnte."

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Zwischen Operation und Wettlauf lagen gerade einmal neun Monate. Dass sie bei dem New Yorker Marathon mitmachen wollte, stand bereits vor ihrer Operation im Januar 2022 im Raum, als ein gemeinsamer Freund von ihr und ihrem Ehemann die Teilnahme vorgeschlagen hatte. Dass sie auch wirklich mitläuft, erfuhr sie im Krankenhaus: "Auf einmal kam von ihm die Nachricht: Die Flüge sind gebucht." Egal ob sie es schaffe oder nicht, sie solle auf jeden Fall in New York dabei sein, hätte ihr Freund gesagt.

Nur neun Monate nach der OP läuft sie den New York Marathon, dann Leipzig, jetzt München

"Das war noch einmal eine Glückssache, die mir sehr viel Motivation gegeben hat", sagt Albrecht. "Ich hab mir gedacht: ,Ich lauf da jetzt einfach mit.'" Zur Vorbereitung lief sie mal kleinere Strecken von drei bis fünf Kilometern, mal hat sie sich sogar an Halbmarathons gewagt. Seitdem ist sie drei Marathons gelaufen: erst in New York, dann in Leipzig und jüngst in München. Neben dem Laufen hilft aber auch eine neuartige Technik, dass es ihr gesundheitlich weiter gut geht: die Tumor-Treating-Fields-Therapie. Diese stört die Teilung von Tumorzellen, sagt Neurochirurge Bierschneider.

Das Ganze funktioniert mittels eines Geräts, das 16 Stunden am Tag mit herumgetragen und mit vier an Pflastern festgemachten Kabeln an den rasierten Kopf geklebt werden muss. Der medizinische Erfolg der Therapiemethode ist bereits bewiesen: "Mehr als doppelt so viele Menschen hatten die Chance, fünf Jahre und länger zu leben im Vergleich zu alleiniger Chemotherapie", so Bierschneider.

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Angela Albrecht: "Dass ich laufen konnte, hat mich mit Freude und Stolz erfüllt"

"Das hat meinem Mann und mir viel Hoffnung gegeben, dass es etwas gibt, wo wir selber einen Beitrag leisten können", sagt Albrecht. Nur beim Laufen könne sie das Gerät nicht tragen. Aber gerade deshalb verschafft ihr das Laufen doppelt Glück: Spaß beim Sport und Freiheit von den Kabeln am Kopf.

Dieses Glück spürte sie auch wieder beim Marathon in München. "Ich bin froh, dass ich den Marathon habe laufen können und durchgekommen bin. Das hat mich mit Freude und Stolz erfüllt", sagt Albrecht. Im Vorhinein hatte sie sich vorgenommen, sich nicht unter Druck zu setzen. "Wenn es nicht geht, breche ich ab und bleibe stehen und fahre wieder heim." Doch sie hat es abermals geschafft. Und läuft dem Krebs weiter davon.

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