Lebensfroh trotz Krebs: Ex-CSU-Ministerin Kerstin Schreyer spricht über Erkrankung
München - Es war eine berührende Nachricht: Kerstin Schreyer, ehemalige bayerische Staatsministerin (2018 bis 2020 für Familie, Arbeit und Soziales, bis 2022 für Wohnen, Bau und Verkehr) und CSU-Landtagsabgeordnete, ist an Brustkrebs erkrankt; sie ging damit am 22. Juni mit einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit. Nun hat sie zwei Operationen überstanden.
Die AZ trifft die 52-Jährige im Hotel Opéra im Lehel zum Gespräch. Im schattigen Garten gibt sie Hintergründe und Details preis. Und verrät ihre Botschaften: "Mehr Menschlichkeit! Und bitte, liebe Frauen, geht regelmäßig zur Mammografie!"
AZ: Frau Schreyer, Sie sehen gut aus! Wie geht es Ihnen?
KERSTIN SCHREYER: Ich habe großes Glück gehabt, alles ist gut gegangen, der Krebsherd und sein Ableger wurden komplett erwischt – und ich muss keine Chemo machen! Ich hatte am 13. Juli die Operation an der rechten Brust und am 2. August noch eine Nach-OP, um sicherzugehen, dass alles entfernt wurde. Jetzt muss ich Wundheilung betreiben, mich schonen und auf die dreiwöchigen, täglichen Bestrahlungen im September vorbereiten. Diese müssen vorsorglich gemacht werden, um eventuell noch Krebszellen zu erwischen, die sich im Aufbau befinden. Wie mein Körper darauf reagiert, kann ich nicht abschätzen, das gilt auch für die anschließende Hormontherapie.

Mein Arm ist noch bewegungseingeschränkt, und es zwickt nach wie vor unter der Achsel, weil die Wächterlymphknoten zur Sicherheit herausgenommen werden mussten. Sie sind aber, Gott sei Dank, nicht befallen. Aber ich bin erstaunt, wie fit ich schon wieder bin! Ich gehe täglich spazieren, meistens mit meiner Tochter Corinna (17, d. Red.), die jetzt in der Zeit ganz großartig für mich da war, auch nach dem Aufwachen aus der Narkose. Sie hat für mich immer Zuversicht ausgestrahlt, das hat uns noch mehr zusammengeschweißt.
CSU-Politikerin Kerstin Schreyer: "Ich will Frauen mit der Diagnose Brustkrebs Mut machen!"
Warum wollten Sie Ihre Brustkrebs-Erkrankung überhaupt publik machen?
Um meine Botschaften in die Welt hinauszutragen und dadurch anderen Frauen mit der Diagnose Brustkrebs Mut zu machen! Jede achte Frau erkrankt an Brustkrebs, aber man kann ihn, dank großartiger Technik und durch die medizinischen Kräfte, die hervorragende Diagnostik und Therapieplanung ganz schnell entdecken und heilen. Das heißt: selbst die Brust abtasten, regelmäßig zur Vorsorge und vor allem: ab 50 alle zwei Jahre zur Mammografie. Ich war entsetzt, als ich gehört habe, wie viele Frauen davor zurückscheuen. Dabei kann diese Untersuchung Leben retten. Meine Bitte: Geht hin und haltet die paar unangenehmen Minuten aus! 87 Prozent aller Brustkrebs-Erkrankungen sind heilbar, wenn sie früh genug erkannt werden. Auch meine Tante und meine Cousine hatten so um die 50 Brustkrebs und sind beide wieder pumperlgesund, meine Tante ist inzwischen junge 90 Jahre alt.
Und bei Ihnen?
Bei mir wurde Anfang Juni erstmals so ein Screening gemacht. Dann hieß es, die Bildgebung sei undeutlich, ich musste nochmals hin. Ich dachte mir noch flapsig: "Dann sollten sie sich bessere Geräte zulegen." Ich bin heilfroh, dass die zwei Krebsherde so schnell ans Licht kamen, sie waren in einem der Teil der Brust, an dem sie nicht zu ertasten waren.
Kerstin Schreyer bleibt trotz Krebs-Erkrankung optimistisch: "Ich werde das schaffen"
Und auch, um Spekulationen vorzubeugen?
Natürlich, ich kann mich ja diesmal am Wahlkampf nicht so rege wie sonst beteiligen. Meine Ortsverbände im Stimmkreis München-Land-Süd – also von Aying über Pullach, Unterhaching und ins Würmtal – machen das ganz toll. Denn ich kann im Moment jeden Tag nur einen Termin wahrnehmen, demnächst kommen der ehemalige Ministerpräsident Edmund Stoiber, EVP-Vorsitzender Manfred Weber und Staatsministerin Melanie Huml. Ich muss mich jetzt an den Rhythmus halten, den mir mein Körper vorgibt. In den anderen Wahlkämpfen war ich viel unterwegs an Infoständen, in Diskussionsveranstaltungen, habe Infomaterial wie unsere Bälle verteilt, war in Wirtschaftsunternehmen.

Ich liebe die Begegnung mit den Menschen, da trifft man Volkes Seele. Die habe ich auch in den letzten zwei Monaten gespürt. Denn von der ersten Untersuchung über die Diagnose, die OPs bis hin zur Nachbesprechung habe ich eine unglaubliche Fürsorge erlebt, die ich so nicht für möglich gehalten habe. Bei der ersten Operation hatte ich keine Beruhigungstablette genommen und war wirklich nervös. Da beugte sich die Anästhesistin über mich und sagte zu mir: "Suchen Sie sich einen schönen Ort aus, da reisen wir jetzt gemeinsam hin." Ich habe mir kurz vor dem Einschlafen einen Sandstrand mit Palmen vorgestellt, das ist mir in sehr schöner Erinnerung geblieben.
Apropos Wahlkampf, haben Sie einen Plan B, falls Sie am 8. Oktober nicht wieder in den Landtag gewählt werden?
Dann gehe ich zurück in meinen alten Beruf, ich bin ja Diplom-Sozialpädagogin und systemische Therapeutin. Kabinettskollegen einschließlich Ministerpräsident Markus Söder kümmern sich, und Landtagspräsidentin Ilse Aigner ruft häufig an, was ich ihr sehr hoch anrechne. Ich helfe gerne und sehe jetzt: Alles kommt zurück im Leben, wenn auch nicht immer von den gleichen Personen, denen man selbst Gutes getan hat, das kann man nicht abrechnen.
Aber zwischendurch hatten Sie schon mal Angst?
Angst – weiß ich nicht. Ich habe ein großes Gottvertrauen, bin sehr gläubig und glaube, dass Gott einem nur die Portion an Herausforderung verabreicht, die man auch bewältigen kann. Für mich war immer klar: Ich werde das schaffen! Natürlich gibt es auch schwierige Stunden. Vor den Operationen war ich in großer Sorge, es war ja nicht klar, ob nicht doch noch was gefunden wird. Ich habe das Glück, dass ich so lebensfroh und fast immer frohen Mutes bin und tolle Menschen um mich herum habe. Eine Freundin hatte mir Lieder von Andi Weiss geschickt, zum Beispiel: "Gib alles, nur nicht auf". Der Sänger ist in der Lage, einen binnen kurzem durch sein musikalisches Angebot wieder aus einem Loch zu ziehen. Ende Oktober spielt er in Fürstenfeldbruck, da gehe ich mit dieser Freundin hin. Wenn man sich psychisch stabil hält, und das tue ich, kann man den Krebs überstehen, auch daran glaube ich.
Kerstin Schreyer wünscht sich "mehr Achtung, Respekt und Toleranz" für die Gesellschaft
Haben Sie ein paar Tipps, wie man die Psyche stabil hält?
Ich lasse mir – nicht nur in dieser Situation – von niemanden irgendwelche Horrorgeschichten zu Krankenhaus und Krebs erzählen, da breche ich das Gespräch gnadenlos ab. Und ich lasse mich nicht runterziehen, ich google auch nichts dazu und höre auf keine Ratschläge, was ich zusätzlich noch alles machen soll. Ich vertraue auf die Meinung meiner Ärzte – für Brustkrebs-Erkrankte zum Beispiel gibt es sogenannte Tumor-Boards mit sechs bis acht verschiedenen Spezialisten, die sich mit jedem Fall individuell befassen. Diesem speziell für mich ausgearbeiteten Weg folge ich.
Hat sich auch Ihr politischer Kontext durch Ihre Krankheit verändert?
Das ist meine zweite Botschaft: Seit Corona hat sich die Gesellschaft stärker gespalten und muss wieder zusammengeführt werden. Das wird dir erst bewusst, wenn du in einer Klinik liegst. Da ist es völlig egal, wer du bist, wo du herkommst, welche Meinung du hast: Du wirst einfach als Mensch behandelt. Ich würde mir für unsere Gesellschaft mehr Achtung, Respekt und Toleranz wünschen. Für mich war es schon immer die Grundlage, dass jeder Mensch gleich viel wert ist. Und jetzt habe ich erleben dürfen, dass das im Gesundheitswesen so gelebt wird. Genau das würde ich mir generell wünschen: Jeder ist ein Individuum mit Stärken und Schwächen und sollte so akzeptiert und angenommen werden, wie er ist - das würde den Zusammenhalt fördern. Dies künftig in die Politik zu übertragen, sehe ich als meine Aufgabe.
Welches Resümee haben Sie in den letzten Monaten gezogen?
Die Zeit ist für mich auch eine Zeit des Innehaltens, Nachdenkens und Sortierens. Um mir vor Augen zu führen, was das Wichtigste im Leben ist: Familie, Freunde, Kollegen, Nachbarn. Und Menschlichkeit und Herzenswärme. Davon durfte ich in letzter Zeit so viel erfahren, damit hätte ich nie gerechnet! Krebs ist eine Phase! Das sagte meine Zimmernachbarin in der Klinik. Erst konnte ich mit dem Satz nichts anfangen. Aber, auf die Lebenszeit gerechnet, hat sie recht! Wenn man sich damit jetzt mal ein paar Monate beschäftigen muss, dann ist das halt so. Ich will die Krankheit besiegen, und ich habe vor, über 80 Jahre alt zu werden. Da oben sitzt einer auf einer Wolke und passt auf mich auf – gemeinsam mit meinem Opa.
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