Attackierter Polizist erzählt: Die Gewalt in München nimmt zu

Auf Matthias R. ist im Einsatz geschossen worden, als ein Tankwart in der Chiemgaustraße ihn um Hilfe bat. In der AZ erzählt er von dieser Extremsituation.
Ralph Hub
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Polizeihauptmeister Matthias R. (links, aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes ist sein Name abgekürzt), Markus Hoga, Chef beim Zentralen Psychologischen Dienst, der sich um Polizisten mit traumatischen Erlebnissen kümmert, sowie Polizeipräsident Thomas Hampel (r.).
Daniel von Loeper Polizeihauptmeister Matthias R. (links, aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes ist sein Name abgekürzt), Markus Hoga, Chef beim Zentralen Psychologischen Dienst, der sich um Polizisten mit traumatischen Erlebnissen kümmert, sowie Polizeipräsident Thomas Hampel (r.).

München - Dieses Pfeifen haarscharf an seinem Kopf vorbei wird Matthias R. (29) sein Leben lang nicht vergessen. Das Projektil verfehlte ihn nur knapp und schlug hinter ihm in die Scheibe einer Allguth-Tankstelle in der Chiemgaustraße ein. Im Februar vergangenen Jahres war das, der Täter wurde gefasst und verurteilt.

Lange, zu einem Zopf gebundene Haare, kräftige Statur, wenn man den Polizeihauptmeister im schwarzen Overall des USK, einer Spezialeinheit der Polizei sieht, glaubt man, dass den so schnell nichts aus der Fassung bringt. Ein Irrtum.

Projektil hat nur knapp verfehlt: Münchner Polizist erzählt von krassem Angriff

Alles begann am 22. Februar 2023, ein Tankwart in der Chiemgaustraße bat um Hilfe: Auf ihn sei geschossen worden. Als Matthias R. und ein Kollege vor der Fensterfront standen, sahen sie zwei Einschüsse.

Im nächsten Moment zischte ein weiteres Projektil vorbei, verfehlte Matthias R. nur knapp. "Eine Situation, die man nicht einordnen kann, die einem Angst macht", gibt der Polizist offen zu, als er am Freitag im Präsidium von diesem extremen Einsatz erzählt. "Das Adrenalin peitscht durch den Körper, dann reagiert man, wie man es in der Ausbildung gelernt und tausend Mal trainiert hat. Wer Angst hat, ist handlungsunfähig", sagt der USKler, "sie darf nicht die Oberhand gewinnen."

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Die Polizisten gehen hinter ihrem Wagen in Deckung und fordern Verstärkung an. Der Adrenalinpegel sinkt, ungläubig tastet er sich ab, Arme, Beine, Brust, kein Blut, keine Verletzung. "Glück gehabt", dachte sich der Polizeihauptmeister, "bin noch mal mit heiler Haut davongekommen."

"Damit rechnet man nicht": Münchner Polizist erzählt von lebensgefährlichem Angriff

Eine völlig absurde Situation, sei das gewesen, sagt der 29-Jährige. "Von einem Heckenschützen aus dem Hinterhalt heraus beschossen zu werden, damit rechnet man nicht – zumindest nicht in München." So eine Sache beschäftigt einen "sehr lange, das bleibt haften, das ist ein einzigartiges Erlebnis", beschreibt der USK-Beamte seine Gefühlswelt.

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Der Täter hat zum Glück nicht mit einer Pistole oder einem Revolver gefeuert, sondern mit einer Zwille, einer Schleuder, die Stahlkugeln verschießt. Ein Treffer hätte schwere, vielleicht sogar tödliche Verletzungen verursachen können.

Der Heckenschütze wird noch am Tatort festgenommen: Es ist ein 52-jähriger Münchner, der der Reichsbürger-Szene zugerechnet wird. Er wird vor Gericht gestellt, wird zu einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

"Für mich geht das in Ordnung": Angegriffener Polizist zur Strafe für seinen Angreifer

Ob er das Strafmaß für ausreichend hält? Matthias R. ringt um eine Antwort: Der Täter sei ermittelt, vor Gericht gestellt und verurteilt worden, antwortet er bedächtig. "14 Monate auf Bewährung, für mich geht das in Ordnung", sagt Matthias R.

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Polizeipräsident Thomas Hampel springt seinem Beamten bei. Die Anklage lautete auf versuchte Gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung, erklärt er. Nicht wie in einem anderen Fall, als 2023 bei einer Razzia in einem Hotel ein 28-Jähriger mit einem Messer nach dem Kopf eines Polizisten stach. "Dieser Täter wurde wegen versuchten Mordes aus Heimtücke verurteilt, er bekam acht Jahre Gefängnis", sagt Hampel, juristisch seien die Fälle nicht zu vergleichen.

Angriffe auf Polizisten nehmen in München zu: 1449 Angriffe im Jahr 2023

In München wurden im vergangenen Jahr 1449 Polizistinnen und Polizisten Opfer von Gewalt, 61 weniger als 2022. Vergleicht man die aktuellen Zahlen mit denen vor zehn Jahren, sieht die Sache ganz anders aus. Im Zehnjahresvergleich ist die Zahl der Übergriffe auf Polizisten um satte 20,4 Prozent gestiegen. Der Respekt gegenüber Polizisten habe gerade in der Großstadt abgenommen, "das ist nicht hinnehmbar", betont der Polizeipräsident. "Wer Polizisten angreift, greift auch die Demokratie an." Überwiegend sind es Männer (83 Prozent), die gewalttätig werden, von denen sind 84,1 Prozent bereits vorher polizeilich aufgefallen. Mehr als jeder zweite Gewalttätige (51 Prozent ) war betrunken.

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  • eule75 am 07.07.2024 14:13 Uhr / Bewertung:

    München/Deutschland/Europa quo vadis?

  • Himbeer-Toni am 06.07.2024 10:38 Uhr / Bewertung:

    Die Gefahr für die innere Sicherheit, das Sicherheitsempfinden der Bürger, und die tatsächliche Sicherheit der Bürger muss im Kampf gegen rechts unbedingt verstärkt werden.
    Wenn man den Politikern und Medien glaubt, und die wissen es ja sicher, gibt es keine Gefahr von anderer Stelle.

  • Chris_1860 am 06.07.2024 09:44 Uhr / Bewertung:

    Es ist letztlich egal, ob irre Reichs-Bürger, jugendliche Messerstecher oder Gewalttätige, die eigentlich bei uns Schutz suchen, immer wieder Menschen angreifen, verletzen oder töten.

    Fakt ist, dass die Menschheit immer mehr verroht und täglich irrer wird.

    Die Gesetze gehören verschärft und ebenso auch knallhart angewendet. Sonst haben wir bald eine Anarchie der Straftäter.

    PS: siehe Berlin wieder, ein Sicherungsverwahrter haut auf Freigang ab. Und die Faeser nimmt den syrischen Mörder in Schutz, weil hier die Integration versagt habe, Täter/Opfer-Umkehr.
    Finde den Fehler in unserem Staat.

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