Am Flaucher: Wo alles im Fluss ist
München - Es ist Zeit für ein Eis. Einen Klassiker vom Kiosk, im Hörndl, mit Nuss. Anders ist er ja kaum auszuhalten, dieser wunderbare Sommertag. Die Sonne steht überm Zenith, sie ist schon ein wenig angeherbstelt, aber noch kräftig heiß, schließlich gehört sie ja auch dem August. Und bevor ich mir was nachsagen lasse, denkt sich dieser August in seinen jungen Tagen, brenne ich sie halt erst einmal gescheit her, die Münchner an ihrem Flaucher.
Der Flaucher, die dortigen Isar-inseln und die im Kies auslaufenden Flussufer, sie sind Münchens bekanntester und beliebtester Isarstrand. Hier sonnnen sich die Menschen, hier spannen sie aus und erholen sich. Hier lärmen sie aber auch, räuchern die umliegenden Viertel und lassen ihren Müll liegen. Der Flaucher, er ist meist ein innerstädtisches Naturkleinod, oft aber auch eine Feiermeile.
Jetzt ist es später Nachmittag und noch recht ruhig. Geht man den Flauchersteg vom Nordende her entlang, sieht man zuerst die Nackerten. Manche noch eher kasig und mit so viel Sonnencreme bedeckt, dass sie eine Tortenspachtel zum Verstreichen brauchen könnten. Andere derart zartbittergeröstet, dass die Haut schon resch sein muss. Aber allesamt recht gemütlich. Behäbiges Baden, entspanntes Sonnen. Um diese Zeit ist es am Flaucher durchweg idyllisch.
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Am Westufer ragen zwei Sonnenschirme aus den hohen Gras, dahinter liegen zwei Radl. Hier hat jemand seine Ruhe. In der Nähe wirft ein Angler aus. Ein badender Nackerter schaut eine Zeit lang zu, dann geht er auf Sicherheitsabstand.
Am Südende des Flaucherstegs sind eher die Familien. Es ist ein Gewusel, getupft vom Orange der Schwimmflügerl. In einem Becken, wo sich das Wasser staut, taucht ein Bub. Am Ende des Tages wird er einen Schatz haben, das ist gewiss. Mama wird den Stein wohl tragen müssen, sobald er trocken ist und nicht mehr so schön glänzt.
Eeeeey-oh – und vorbei ist es mit der Ruhe im Isar-Paradies
Das Wasser ist klar mit einem Stich ins Grünliche, es fischelt ein wenig, aber kaum merklich. Viel kommt derzeit nicht aus den Alpen heruntergerauscht. Am Grund tanzt das von den Wellen gebrochene Licht. Isarflimmern. Man muss an Willy Michl denken. Mitten im Paradies.
Aber braucht das Paradies auch Eeeeey-oh, Eeeeey-oh, Eeeeeyieee-aaaah auf einen Vier-Viertel-Duff-Tschak-Beat in Gehörlosen-Lautstärke? Eigentlich nicht unbedingt. Hat es aber jetzt. Es geht los.
Es wird Feierabendzeit und damit voller und lauter. Von der Thalkirchner Brücke her spült es die meisten an, aus der U-Bahn. Auf manchen Kiesbänken liegen sie jetzt schon dicht gedrängt. Es riecht langsam immer mehr nach Grillanzünder. Rauchfahnen steigen behäbig auf.
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Noch zwei, drei Stunden, dann werden dicke Schwaden von hier aus nach Sendling und Giesing hineinziehen. Manche tun schon jetzt einiges dafür. Zwei Burschen veredeln ihre Glut mit Kiefernzapfen, damit es ja nicht aufhört zu rauchen. Ganz anders ein Papa, ganz offensichtlich grillerfahren. Bei ihm raucht’s kaum. Können muss man es halt – und vielleicht nicht gerade das schäbigste Alu-Gerät zerschmelzen.
Zwischen den Isarinseln stehen drei junge Männer bis zur Hüfte im Wasser und köpfen sich einen Fußball zu. Nicht so richtig erfolgreich, nicht so wirklich elegant, aber schon so, dass es Spaß macht. Und durstig. Auf zum Naturkühlschrank. In Ufernähe liegt ein halbes Dutzend Bierflaschen im Wasser. Drei Flaschen für jetzt. Plopp, Pling, Prost.
Dort, wo die Männer es sich gutgehen lassen, wurde gestern schon gefeiert. Jemand hat großflächig Konfetti verstreut. Außerdem eingetreten: abgebrannte Teelichter, Kronkorken und eine dicke Batterie. Insgesamt ist es recht sauber. Die Müllsammler waren sehr fleißig, haben wieder Tonnen von Abfall eingesammelt. Aber alles kriegt man halt nicht weg.
„Hier sind überall Scherben, passt echt auf hier, haaaaallo, auf-pas-sen!“, sagt eine Frau zu zwei kleinen Buben. Dann steckt sie sich eine Kippe an und legt sich auf ein schwarzes Handtuch, auf das golden glitzernd „Playboy“ aufgedruckt ist. Zum Bräunen. Hat sie schon öfter gemacht. Sieht man. Die aufgerauchte Kippe stopft sie in eine Dose. Sie wird sie später mitnehmen. Brav.
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Ein paar Schritte weiter schwitzen auf einem Einweggrill zwei Scheiben Schweinenacken ihr Fett in zischende Holzkohlen. Kurz zuvor sind die Steaks aus Plastikhüllen geflutscht, eher matt statt glänzend. Ihre Salbung mit Öl, Salz und Paprika ist wohl schon ein wenig länger her. Darum werden sie jetzt rituell, das heißt unter unnötig häufigem Wenden, verbrannt, damit man’s nicht mehr so merkt. An Guadn.
Eine Patrouille mahnt, wenn jemand lärmt oder Müll liegen lässt
Das verschmierte Plastik liegt neben dem Grill. Und neben Plastikbesteck, Plastikbechern und Tomaten in Plastikfolie. Sogar das Baguette, das zum geschwärzten Nacken serviert werden soll, ist in Plastik eingeschweißt. Da kommt schon was zusammen an Müll.
Die Gitterboxen an den Ufern sind noch kaum gefüllt. Je später der Abend, desto mehr werden sie überquellen. Wenn die Griller sich entscheiden, ihr ganzes Plastik nicht einfach liegenzulassen. Man hofft es. Viele habe eigene Tüten dabei, in denen sie den Abfall sammeln. Andere verschieben das Aufräumen noch auf später. Die Mülltütenspender neben den Gitterboxen sind leer.
Eine Patrouille naht. Zwei Männer und eine Frau in dunklen Hosen und roten Polohemden. Sie sind vom Sicherheitsdienst, die Aufpasser am Flaucher. Weil es immer wieder welche gab, die zu fest gefeiert haben, zu viel gelärmt und zu viel gemüllt haben, braucht es jetzt wohl diesen Sicherheitsdienst. Schade ist das.
Die meisten Münchner gehen respektvoll mit ihrem Flaucher um
Eine Maßnahme für eine depperte, rücksichtslose Minderheit. Denn wer sich einen Tag lang das Treiben hier anschaut, der merkt: Die meisten Münchnerinnen und Münchner gehen respektvoll mit ihrem Flaucher um.
Auch noch jetzt, in der Abendsonne. Die Isar-DJs mit ihren tragbaren Lautsprechern halten sich in Grenzen, die Kinder werden langsam müde und immer mehr Büromenschen gönnen sich noch eine Erfrischung. Schuhe aus, Socken aus, Hose hochgekrempelt, einmal, zweimal, dreimal, hochgezogen übers Knie, dann die weißen Zehen eingetunkt ins Isarwasser. Reingestapft, rumgewackelt, Wasser um die Fesseln, dann um die Wadln. Weich ist es und gar nicht so kalt. Es ist jetzt Zeit für ein zweites Eis.
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