Alte Akademie in München: Auf stillgelegter Benko-Baustelle wird plötzlich wieder gearbeitet
München - Seit Oktober war eines der bedeutendsten Gebäude der Stadt eine Bauruine – die Alte Akademie gammelte nach dem Baustopp und den Pleiten von René Benkos Signa-Gesellschaften nur noch vor sich hin. Der begonnene Bau war der Witterung ausgesetzt, Planen lösten sich, schlugen bei Wind gegen die denkmalgeschützte Fassade aus dem 16. Jahrhundert. Zwei Baukräne ragten wie Mahnmale gegen Immobilienspekulanten in die Luft.
Alte Akademie in München: Warum jetzt wieder gebaut wird
Rund 100 Tage stand die Alte Akademie da wie tot. Ende Oktober war ein Baustopp verhängt worden – doch jetzt arbeiten wieder täglich Handwerker auf der Baustelle. Baumaterialien werden angeliefert, Sprinter einer Handwerksfirma aus dem Landkreis Dingolfing-Landau stehen davor. Am Dachstuhl des Schmuckhofgebäudes hinter der Alten Akademie sind Arbeiten zu hören.
Wie die AZ exklusiv erfuhr, hat die Dachdecker-Firma vom zuständigen Insolvenzverwalter den Auftrag bekommen, weiterzuarbeiten. Denn wenn weiterhin Feuchtigkeit eindringt, droht erheblicher Schaden an der denkmalgeschützten Bausubstanz.
Obwohl die Signa Prime im Insolvenzverfahren steckt, bekommt die Dachdecker-Firma Geld überwiesen – sogar vorab. Im Gegenzug musste sie eine Bürgschaft geben für den Fall, dass sie selbst pleite geht. Der zuständige Insolvenzverwalter Torsten Martini bestätigte der AZ, dass Sicherungsarbeiten an der Alten Akademie in Auftrag gegeben worden sind, "um Schäden zu vermeiden".
Wie weit waren die Arbeiten eigentlich vorangeschritten, bevor René Benkos Signa-Imperium krachend zusammenstürzte? Darüber wurden die Münchner bis heute im Unklaren gelassen. Von außerhalb der Baustelle ist nicht viel zu erkennen. Die AZ sprach mit mehreren an dem Projekt Beteiligten – sie möchten alle nicht namentlich genannt werden.
Alte Akademie sollte längst fertig sein: Wie es jetzt weiter geht
Ursprünglich hatte die Signa geplant, bis Ende 2023 mit allem fertig zu sein. Eine Utopie. "Das konnte schon deshalb nicht klappen, weil mehrmals umgeplant wurde und Firmen und ausführende Architekten wechselten", sagt ein Insider. Zuletzt habe man bei der Signa mit einer Fertigstellung 2026 gerechnet. "Wenn wir durchgearbeitet hätten, hätten wir noch etwa drei Jahre gebraucht", sagt ein anderer Insider. Es habe aber auch eine andere Schätzung von einem externen Gutachter gegeben, dieser sei ursprünglich von 2027 ausgegangen.
So oder so ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn die neuen Büroflächen, die in der Alten Akademie geschaffen werden sollten, hatte die Signa bereits frühzeitig vermietet: an den Pharmakonzern Novartis. Nach unbestätigten Informationen hatte das Schweizer Unternehmen eine Einzugsoption für 2025, spätestens im Juli 2026 sollte angeblich laut Vertrag der Einzug möglich sein. Novartis will sich zu Vertragsdetails nicht äußern. "Die Signa hat immer Druck gemacht, es sollte alles schneller gehen", sagt einer, der Einblick hatte.
Die Kosten stiegen derweil. Auf rund 150 bis 180 Millionen Euro schätzten am Bau beteiligte Firmen zuletzt die Gesamtkosten bis zur Fertigstellung.
"Extrem aufwendig": Jetzt steht die Alte Akademie auf 200 Pfählen
Bis zum Baustopp im vergangenen Oktober wurde zwei Jahre lang im Untergrund gebaut. Unter der denkmalgeschützten Akademie entstanden zwei komplett neue Geschosse (die noch nicht fertig sind). "Das war extrem aufwendig. Die Alte Akademie steht nun auf mehr als 200 unterirdischen Pfählen oder Stützen", berichtet einer, der beim Bau dabei war. "Das ist eine ähnliche Bauweise wie im Bergbau oder beim Marienhof der zweiten Stammstrecke." Gegraben worden sei für die neuen Geschosse teilweise nicht einmal 20 Meter von der Röhre für die Stammstrecke entfernt.
Im Herbst wurde für einen Teil der Alten Akademie, den Schmuckhof, ein erstes Richtfest gefeiert. Danach sollte eigentlich die Stahlbetonsanierung beginnen. Ab Jahresbeginn habe man mit dem Ausbau und dem Rohbau der Alten Akademie beginnen wollen. Stattdessen war die Baustelle von einem Tag auf den anderen tot. Die Mitarbeiter von etwa 20 Firmen konnten einpacken.
"Kein Geld zu bekommen, ist ruinös": Baufirmen bangen um Aufträge
"Ohne Auftrag dazustehen, von einem Tag auf den anderen und kein Geld zu bekommen, ist ruinös. Gerade jetzt, wo der Bau eh schwächelt", sagt einer, der ebenfalls betroffen ist. "Nicht jeder hat eine Ausfallversicherung. Aber alle haben Beschäftigte, die bezahlt werden müssen." Er – und viele andere – hoffen, dass bald ein neuer Investor gefunden ist. Und dass die zuvor beteiligten Firmen weiterbauen dürfen, nicht nur der Dachdecker. "Fertig wird der Bau nun natürlich deutlich später", sagt der Insider. "Je später es weitergeht, umso länger zieht es sich insgesamt hin."
Insolvenzverfahren: Gläubiger fordern rund 6,3 Milliarden Euro von der Signa
Von der maroden Signa Prime Selection AG fordern Gläubiger rund 6,3 Milliarden Euro. In der Gesellschaft sind die Luxusimmobilien der Signa gebündelt. Dazu gehören die Alte Akademie und Oberpollinger, das Elbtower-Projekt, das Berliner Kaufhaus KaDeWe und Immobilien der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Von den geforderten 6,3 Milliarden Euro seien laut Insolvenzverwaltung in Wien etwa 2,6 Milliarden anerkannt worden.
Dazu kämen aber noch Forderungen von anderen Firmen der Signa-Gruppe, die noch nicht angemeldet seien. Dadurch werde die endgültige Summe höher liegen. Zur Begleichung der Schulden sollen in einem ersten Schritt die Luxusimmobilien in Österreich verkauft werden. Für die Münchner Immobilien befinde man sich noch in einem "Evaluierungsprozess", hieß es zuletzt vom zuständigen Insolvenzverwalter. Am 18. März stimmen die Gläubiger über einen Sanierungsplan ab, nach dem sie 30 Prozent ihrer Forderungen erhalten würden.
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