"Alles hilft": Wie eine ganz besondere Kirche in München vor dem Einsturz gerettet wurde

Nach dem AZ-Bericht im Juni haben Privatleute bereits rund 80.000 Euro gespendet. Die Sanierung des Dachstuhls im Nikolauskircherl in München kann beginnen.
Nina Job
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Das Kirchlein mit dem lächelnden Gesicht: Die Maßnahmen zur Rettung von St. Nikolaus in Englschalking haben begonnen.
Das Kirchlein mit dem lächelnden Gesicht: Die Maßnahmen zur Rettung von St. Nikolaus in Englschalking haben begonnen. © Sigi Müller

München - Im Dachstuhl von St. Nikolaus wird gehämmert, am Boden, direkt neben der Kirchenmauer ist Zimmerermeister Erik Nürnberger mit der Kettensäge zugange. Der 55-Jährige sägt ein Stück ab von einem dicken, neuen Holzbalken. Mit dem abgesägten Teil steigt der Zimmerer über das Gerüst an der Kirche hinauf in den Dachstuhl.

Dort arbeitet er gemeinsam mit Junggeselle Carlo (19). Die Männer schneiden dort Stück für Stück marodes Holz aus den teils jahrhundertealten Dachbalken, ersetzen das kaputte durch neues Holz. "Es war Gefahr in Verzug", sagt Erik Nürnberger. Er zeigt auf ein herausgeschnittenes Teil. Es hat ein großes Loch, dort ist das Holz weggefault, daneben sind die Spuren von Holzwürmern und Rossameisen zu erkennen.

Zimmerermeister Erik Nürnberger (55) und Geselle Marco Zimmermann (19) bei der Arbeit. Sie arbeiten für eine Firma, die auf denkmalgeschützte Gebäude spezialisiert ist.
Zimmerermeister Erik Nürnberger (55) und Geselle Marco Zimmermann (19) bei der Arbeit. Sie arbeiten für eine Firma, die auf denkmalgeschützte Gebäude spezialisiert ist. © Sigi Müller

"Bin erstaunt": Für das Nikolauskircherl in Englschalking wurden zahlreiche Spenden gesammelt 

Seit zweieinhalb Wochen sind die Männer im Einsatz. Das ist eine gute Nachricht: Denn die Gefahr, dass eine der ältesten Kirchen Münchens im historischen Zentrum von Englschalking zusammenfällt, ist gebannt – dank zahlreicher privater Spenden!

Seitdem die AZ im Juni über den drohenden Einsturz berichtet hatte, sind rund 80.000 Euro auf dem Spendenkonto der Pfarrgemeinde eingegangen. Zuvor hatten ehrenamtliche Helfer bereits 60.000 Euro für die Notfallmaßnahme gesammelt.

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"Ich bin wirklich erstaunt, dass wir so schnell so viel Geld zusammenbekommen haben", sagt Pfarrer Peter Duswald. "Wir sind sehr, sehr dankbar." Denn es stand kurz vor knapp. Hätten die Arbeiten nicht bald beginnen können, drohte dem Kirchlein aus dem 17. Jahrhundert, dass es auf unabsehbare Zeit zur Ruine wird, berichtet der Pfarrer der AZ. Mit den vielen privaten Spenden kann der marode Dachstuhl nun saniert werden.

Nikolauskircherl in München: Finanzielle Hilfe kommt auch von der Denkmalschutz-Stiftung

Vollständig gerettet für die nächsten Jahrzehnte wird das Nikolauskircherl allerdings erst sein, wenn auch das undichte Dach erneuert ist. Und dafür braucht es weitere Spenden. Im Dachstuhl kann man mit bloßem Auge erkennen, wie undicht es ist. Sonnenstrahlen fallen herein, an manchen Stellen sieht man den blauen Himmel durchblitzen. Zimmerer Nürnberger zeigt nach oben: "Überall, wo man durchgucken kann, kann der Wind Regen reinblasen."

Viele Balken im Dachstuhl stammen aus dem 17. Jahrhundert, sie wurden mit Äxten zugeschnitten. Feuchtigkeit hat ihnen zugesetzt, Holzwürmer und Rossameisen haben Spuren hinterlassen.
Viele Balken im Dachstuhl stammen aus dem 17. Jahrhundert, sie wurden mit Äxten zugeschnitten. Feuchtigkeit hat ihnen zugesetzt, Holzwürmer und Rossameisen haben Spuren hinterlassen. © Sigi Müller

St. Nikolaus hat eine sogenannte Mönch- und Nonnenabdeckung, eine der ältesten Dacheindeckungen der Welt, die bereits zur Zeit der Römer angewendet wurde. Sie besteht aus Hohlziegeln – einer Unterschale, der Nonne, und einer Oberschale, dem Mönch. Die Abdeckung auf der Nikolauskirche ist allerdings "erst" rund 80 Jahre alt.

Von der Erzdiözese sei derzeit nicht mit finanzieller Unterstützung zu rechnen, erklärt Pfarrer Duswald. Denn die katholische Gemeinde St. Emmeram, zu der auch das Nikolauskircherl gehört, hatte in den vergangenen Jahren schon reichlich Zuschüsse von der Diözese bekommen: für die Sanierung der Filialkirche St. Philippus und Jakobus in Daglfing sowie fürs Pfarrheim – insgesamt rund fünf Millionen Euro.

Der Innenraum: Eine Besonderheit der aus Feldsteinen und Ton erbauten Kirche ist der barocke Hochaltar.
Der Innenraum: Eine Besonderheit der aus Feldsteinen und Ton erbauten Kirche ist der barocke Hochaltar. © Sigi Müller

Finanzielle Hilfe kommt dafür von der Deutschen Stiftung für Denkmalschutz – die allerdings bei Weitem nicht reichen wird für ein neues Dach, erklärt Gabriele Huber vom Spendenausschuss der Pfarrgemeinde.

"Überwältigend": Viele Englschalkinger spenden für ihr Nikolauskircherl 

Die Münchner und insbesondere die Englschalkinger wollen St. Nikolaus nicht dem Verfall preisgeben, so viel ist schon mal offensichtlich. "Das Kircherl gehört einfach zu Englschalking mit seinem liebenswerten Gesichtchen", sagt Gisela Welzenbach, die nur wenige Straßen entfernt, wohnt.

Gabriele Huber, die unermüdlich für Spenden wirbt und als Bankkauffrau ehrenamtlich über die Gelder wacht, berichtet, dass die bisher größte Spende von einer Frau kam. Deren Freundin sei auf dem idyllischen Friedhof (200 Grabstätten) beerdigt. Die Spenderin habe 30.000 Euro für die Rettung des Kirchleins beigesteuert.

Setzen sich für die Rettung des Nikolauskircherls ein: Gabriele Huber (li.) vom Spendenausschuss und Anwohnerin Gisela Welzenbach.
Setzen sich für die Rettung des Nikolauskircherls ein: Gabriele Huber (li.) vom Spendenausschuss und Anwohnerin Gisela Welzenbach. © Sigi Müller

Auch frühere Englschalkinger, die gar nicht mehr im Viertel wohnen, hätten sich an der Kirchenrettungsaktion beteiligt. "Die Spendenbereitschaft ist überwältigend", sagt Huber. "Wir sind unendlich dankbar. Und wir freuen uns auch über kleine Beträge. Alles hilft!"

"Wir sind gut in der Zeit": Die Sanierung des Dachstuhls kommt gut voran

Zimmerer Erik Nürnberger und Geselle Carlo Zimmermann haben noch einiges zu tun. Die Mauerschwelle, auf der die Deckenbalken liegen, muss repariert werden. Stahlträger werden eingezogen, der Dachstuhl mit Diagonalen und U-Trägern verstärkt. Der Giebel wird von innen zudem mit Edelstahl gesichert. "Aber wir sind gut in der Zeit", berichtet der Meister der AZ.

Erik Nürnberger arbeitet seit 30 Jahren für die renommierte Firma Bennert aus Thüringen, die auf die Sanierung von denkmalgeschützten Gebäuden spezialisiert ist. Auch weltberühmte waren schon dabei, darunter das Brandenburger Tor oder Schloss Neuschwanstein. Auf der Großbaustelle im Deutschen Museum war Erik Nürnberger daran beteiligt, das Bergwerk auszubauen, die einzelnen Teile zu sichern, zu dokumentieren und einzulagern.

Pfarrer Duswahl hofft, die St.-Nikolaus-Kirche im nächsten Jahr wieder öffnen zu können

Wenn mit der Sanierung des Nikolauskircherls weiterhin alles so gut läuft, hofft Pfarrer Duswald, wird er im Frühjahr oder Frühsommer 2024 die Kirche erstmals wieder öffnen können: für Trauerfeiern und Gottesdienste. 2022 musste St. Nikolaus gesperrt werden.

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Die kleine Kirche hat alle Bedrohungen und jeden Sturm, der es in den vergangenen Monaten zum Einsturz hätte bringen können, fröhlich hingenommen. So scheint es zumindest. Denn wie eh und je bilden zwei kleine Fenster im Turm und eine Sonnenuhr darunter ein Gesicht, als würde das Nikolauskircherl immer lächeln. Nun, mit dem Beginn der Rettungsmaßnahmen, hätte es allen Grund dazu.

Mit bunten Programmen sollen weitere Gelder für die Kirche in München gesammelt werden

Am 7. Oktober findet ein Hoagartn zur Rettung von St. Nikolaus statt. Es spielen die Verzupftn und singen die Feldmochinger Zwoagsang. Eintritt frei, Spenden erbeten. Ort: Pfarrheim, Putziger Straße 31a.

Auch nach dem Kirchweihgottesdienst (15.10. um 10.30 Uhr) in St. Emmeram in der Ostpreußenstraße ist ab 11.30 Uhr ein buntes Programm im Pfarrheim geboten: mit Live-Musik, Kirchweihnudeln, Künstler- und Flohmarkt sowie einem Bauchredner.


Spenden können Sie auch auf das Konto der Pfarrgemeinde:

IBAN: DE18 7509 0300 0002 1426 27,
BIC: GENODEF1M05 Stichwort: "Notfallsanierung St. Nikolaus".

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  • am 06.10.2023 07:05 Uhr / Bewertung:

    Endlich mal wieder eine gute Nachricht!

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