Unklare Rechtslage: Es hagelt Kritik am Alkoholverbot in München

Obwohl die Rechtslage unklar ist, war die Polizei am Wochenende unterwegs, um die Verfügung durchzusetzen. FDP und Linke greifen den OB dafür an: "Blinder Aktionismus"
von  Irene Kleber, Nina Job
Hunderte Münchner sitzen an einem lauen Abend auf dem Gärtnerplatz. (Archivbild)
Hunderte Münchner sitzen an einem lauen Abend auf dem Gärtnerplatz. (Archivbild) © Daniel von Loeper

München - Es war still diesmal am Freitag- und Samstagabend am sonst partyumtosten Gärtnerplatz. Keine Horden junger Leute, die mit Mitnehmbier dort eng an eng sitzen und feiern.

Es dürfte mehr am Dauerregen und am Herbsteinbruch gelegen haben als am nächtlichen, siebentägigen Alkoholverkaufs- und Trinkverbot, das OB-Dieter Reiter (SPD) am Freitag wegen der gestiegenen Coronazahlen verhängt hatte.

Ist das Alkoholverbot allgemein gültig?

Wobei sich auch das Chaos um die Frage herumgesprochen haben dürfte, ob diese Allgemeinverfügung zum Trinkverbot denn überhaupt gültig ist: Noch am Freitag hatte das Verwaltungsgericht einem einzelnen Kläger recht gegeben, der dagegen angegangen war. Urteil: Das zwischen 23 und 6 Uhr in der Öffentlichkeit bestehende coronabedingte Verbot, Alkohol zu konsumieren, sei "unverhältnismäßig" und "rechtswidrig". Weniger einschneidend wäre es gewesen, das Trinkverbot auf Hotspots zu beschränken.

Bei schönem Wetter feiern derzeit Tausende Münchner an der Isar. (Archivbild)
Bei schönem Wetter feiern derzeit Tausende Münchner an der Isar. (Archivbild) © dpa

Die Polizei hat am Wochenende dennoch Beamte an die Hotspots geschickt, um die Verfügung des Oberbürgermeisters durchzusetzen. "So lange es nicht endgültig beziehungsweise von einer höheren Instanz aufgehoben wird, bleibt es dabei, dass das Verbot gilt", erklärte am Sonntag ein Polizeisprecher. Es habe im Vorfeld Hinweise gegeben, dass sich wieder Leute an den einschlägigen Plätzen versammeln wollten. Doch angetroffen wurde niemand. Mangels Feiernder gab's keine Bußgelder.

FDP-Stadtrat kritisiert OB Reiter

Nicht allen Stadträten behagt der Standpunkt des OB, seine Verfügung als gültig zu betrachten – obwohl erst am Montag klar sein dürfte, wie die Rechtslage tatsächlich ist. Dann nämlich, wenn der Verwaltungsgerichtshof auf Betreiben der Stadt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom Freitag überprüft.

"Wenn ein Gericht sagt, die Maßnahme sei unverhältnismäßig, dann muss auch der OB das akzeptieren und andere Konzepte finden", sagte am Sonntag FDP-Stadtrat Jörg Hoffmann auf AZ-Anfrage. "Irritierend ist, dass der OB nun behauptet, dass das Urteil nur für den einzelnen Kläger gelte. Das offenbart schon eine eigenartige Einstellung zum Rechtsstaat. Soll jetzt jeder Betroffene einzeln klagen und damit das Rechtssystem überlasten?"

Jörg Hoffmann (FDP).
Jörg Hoffmann (FDP). © FDP

Auch die Linkspartei, die sich zuvor schon gegen die Verfügung gestellt hatte, kritisiert den Einsatz der Polizei. "Diese Verfügung durchzusetzen ohne die zweite Gerichtsentscheidung abzuwarten, ist aus meiner Sicht blinder Aktionismus", sagt Linke-Stadtrat Stefan Jagel.

SPD, Grüne, CSU und Freie Wähler im Rathaus dagegen stehen hinter Dieter Reiter. "Das Verbot sofort am Wochenende durchzusetzen, ist absolut in Ordnung", sagt CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl. Genau wie der Grüne Dominik Krause: "Ich gehe davon aus, dass der Oberbürgermeister rechtskonform handelt." Oder FW-Stadtrat Hans-Peter Mehling: "Ich stehe zu hundert Prozent hinter dieser Entscheidung. Die Chance, dadurch schärfere Maßnahmen zu vermeiden, rechtfertigt die Maßnahme auch ohne Abwarten der letztinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung."

Linkspartei fordert Freiflächen ohne Konsumzwang

Die Linkspartei will nun per Dringlichkeitsantrag ein Ziel erreichen, das sie schon lange fordert: Damit vertriebene Jugendliche künftig nicht auf Privatpartys feiern, wo der Mindestabstand überhaupt nicht eingehalten wird, soll die Stadt "umgehend fünf Freiflächen" nahe der Hotspots wie dem Gärtnerplatz zur Verfügung stellen, damit sich dort junge Leute in kleinen Gruppen versammeln können, ohne Konsumzwang.

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