Alkoholverbot am Münchner Viktualienmarkt: Standl-Betreiber gespalten
München - Die Oktobersonne taucht den Viktualienmarkt in ein warmes Licht. Liebespärchen geben sich am Liesl-Karlstadt-Brunnen Küsschen, ein paar Meter weiter sitzen Leute gemütlich beim Bier zusammen.
Der Streit um das partielle Bierverbot, das seit dem Wochenende gilt, wirkt da schon fast wie ein Sturm im Wasserglas – in diesem Fall besser gesagt: im Bierglas. Doch genau darum geht es – um Leute, die den Liesl-Karlstadt-Brunnen kurzerhand zur Bar umfunktioniert haben und jeden Tag dort ihr Bier kippen.
"Die stopften den Brunnen voll mit Flaschen", sagt Elke Fett, Sprecherin der Standlbetreiber. Manchmal seien es bis zu 50 Leute, berichten Marktleute. Die Beschwerden häufen sich. Denn mit steigendem Alkoholpegel gibt es unter den Brunnen-Fans auch zunehmend Streit. Dazu bleiben am Ende oft Müll und Glasscherben zurück.
Standl-Besitzer: "Da bleiben uns die Kunden weg"
Das Fass zum Überlaufen brachte der letzte Sommer: "Da standen manche halbnackt mit freiem Oberkörper am Brunnen", sagt Fett. Kein schöner Anblick. "Da bleiben uns die Kunden weg", beschweren sich manche Marktleute.
Die Brunnen-Fans brachten zudem ihr eigenes Bier mit. Manche fingen an, Flaschen zu verkaufen – natürlich viel billiger als die Halbe für vier Euro im Biergarten nebenan.
Der Stadtspaziergänger beweist es: München ist bunt
Das Kommunalreferat erließ eine Allgemeinverfügung. Sie gilt seit Freitag und besagt, dass sich Personen nicht auf dem Marktgelände aufhalten dürfen, wenn sie erkennbar betrunken sind, unter Drogen stehen oder andere Menschen gefährden.
Wer dagegen verstößt, dem drohen Bußgelder oder Platzverweise. "Der Viktualienmarkt ist die gute Stube Münchens, weshalb wir ein besonderes Augenmerk darauf richten", so Kristina Frank (CSU), die neue Chefin des Kommunalreferats – die den Stadtrat nicht über die Verfügung abstimmen ließ.
Polizei freut sich über neue Verordnung
Verboten ist zudem, Getränke zum Kühlen in den Brunnen zu lagern, so Birgit Unterhuber, Sprecherin im Kommunalreferat. Die Verordnung gilt auf dem gesamten Marktgelände. SPD und Grüne im Stadtrat sehen die Verordnung skeptisch. Und fordern jetzt, dass der OB das Thema zur Chefsache macht. "Wir werden einen Dringlichkeitsantrag stellen, dass Dieter Reiter die Allgemeinverfügung aufheben soll", sagte Grünen-Fraktions-Vize Dominik Krause am Montag der AZ. "Der Stadtrat soll sich damit beschäftigen. Dann darf sich auch gerne die Kommunalreferentin wieder damit befassen – aber bitte nicht mehr im Alleingang."
Polizei und Kommunaler Außendienst kontrollieren bereits. Wer sich nicht an die Regeln hält, riskiert ein Platzverbot oder ein Bußgeld. "Die Verordnung erleichtert uns das polizeiliche Einschreiten", sagt Sprecher Benjamin Castro-Tellez.
Strenggenommen war es laut Lebensmittelmarktsatzung schon vorher nicht erlaubt, außerhalb der Freischankflächen Getränke zu konsumieren. Und auch der Verkauf von Alkohol ohne Lizenz war bereits untersagt.
Alkohol-Verbot soll bestimmtes Klientel verdrängen
"Es geht nicht darum, Leuten das Bier nach Feierabend zu vermiesen", sagt Elke Fett. "Auch ich stehe gelegentlich mit einem Espresso am Valentin Brunnen." Vielmehr soll offenbar ein bestimmtes Klientel vom Viktualienmarkt verdrängt werden.
Wie sich die neuen Regeln in der Praxis bewähren? Die Brunnen-Fans treffen sich das ganze Jahr über. Saufgelage mit nacktem Oberkörper sind im Oktober nicht mehr zu erwarten. Am Montag war es schon merklich ruhiger und viele Brunnen gehen eh bald in die Winterpause. "Wir sind mit der neuen Regelung jedenfalls sehr zufrieden", sagt Fett. "Ich habe im Kommunalreferat angerufen und mich bei Kristina Frank bedankt. Endlich mal jemand mit Fingerspitzengefühl."
Umfrage: Das sagen Betroffene zum Alkohol-Streit am Viktualienmarkt

Standl-Angestellter Bekire Ukelli (45): "Ich hatte noch nie Probleme mit den Leuten, die sich beim Liesl-Karlstadt-Brunnen verabreden – und ihr Bier trinken. Das sind wirklich nette Leute, die meistens so ab 13 Uhr herkommen und eine gute Zeit miteinander haben wollen. Ich bin da wirklich sehr entspannt."

Markt-Besucherin Irmgard Kellner (79): "Im Großen und Ganzen stört es mich nicht, wenn sich Leute mit ihrem Bier an dem Brunnen treffen. Warum soll es da nicht ein bisserl Geselligkeit geben? Ich bin Münchnerin und vielleicht bin ich einfach ein liberaler Mensch. Ich sehe nicht die Notwendigkeit einer Verfügung."

Sprecherin der Standlbetreiber, Elke Fett (74): "Es gibt seit etwa fünf Jahren immer wieder Stress an dem Brunnen. Die Polizei war da und es ist einiges ungut verlaufen.
Ich finde es ganz toll, wie Kommunalreferentin Kristina Frank jetzt die Verfügung erlassen hat. Wir mögen alle diejenigen, die sich vergnügen und wohlfühlen – aber sobald Leute betrunken sind, ist das unangenehm. Ich glaube, mit der neuen Regelung können alle leben. Ich wünsche mir ein ganz friedliches und harmonisches Miteinader auf diesem Markt – und ich will keine Randale."

Markt-Besucher Michael Watschinger (58): "Die Liesl-Karlstadt-Freunde gibt es als geschlossene Gruppe bei Facebook mit 855 Leuten. Wir trinken friedlich unser Bier. Bis 16 Uhr kommen die Pensionisten – und danach kommen Berufstätige aus allen Bereichen des Lebens. Wir helfen uns untereinander aus, wenn der eine oder andere Hilfe braucht. Wir knüpfen Kontakte – und genießen dabei gerne ein Bierchen. Also von meiner Gruppe pöbelt auf jeden Fall keiner."

Markt-Besucher Stefan Huber (46): "Ich bin einer von den Freunden des Liesl-Karlstadt-Brunnens am Viktualienmarkt. Ich denke, man sollte den Leuten Freiraum lassen. Dass die Leute sich auffällig verhalten, stimmt einfach nicht. Der Brunnen hat Stammtisch-Charakter und ist eine Art Outdoor-Wirtshaus und obendrein noch ein bisserl intimer als ein Biergarten. Es ist ein toller Treffpunkt unterschiedlichster Leute – und es ist schade, das mittels Verfügungen einzuschränken."