Abschied vom roten Schorsch

München - Es gibt diese Anekdote. KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle hat sie der AZ anlässlich des 85. Geburtstags von Alt-OB Georg Kronawitter erzählt. Demnach kam Prinz Luitpold von Bayern einmal ins Rathaus, weil er mit seinem Bier gerne auf die Wiesn wollte. Und als seine königliche Hoheit das OB-Büro betrat, soll Kronawitter gesagt haben: „Eines vorweg, Herr Bayern, bei mir ist jeder Bürger gleich.“
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Ja, so war er, der „rote Schorsch“: aufrecht, stur und auch durch große Namen nicht einzuschüchtern. Eine Woche nach seinem 88 Geburtstag ist Kronawitter am Donnerstagabend nun gestorben, nach kurzer, aber schwerer Krankheit.
Mit Kronawitter verliert die SPD einen Sozialdemokraten, wie er im Buche steht. Der als Bauernsohn in Oberthann bei Pfaffenhofen geborene Berufspolitiker galt Zeit seines Lebens als „Anwalt der kleinen Leute“, als „Robin Hood der Finanzpolitik“. Er hat sich stets für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer eingesetzt. Die Großkopferten im Zaum zu halten, das hat er als seine Lebensaufgabe angesehen.
Eigentlich wollte Kronawitter gerne Bayerns erster roter Landwirtschaftsminister werden. Stattdessen hat er einen Großteil seiner Karriere dann jedoch mit Kommunalpolitik verbracht. 15 Jahre lang war er insgesamt Oberbürgermeister von München – und das waren wahrlich nicht die Ruhigsten.
Es ging schon recht ungemütlich los. Innerparteiliche Flügelkämpfe hatten Amtsinhaber Hans-Jochen Vogel derart zermürbt, dass der keine Lust mehr hatte, für die SPD noch einmal als OB-Kandidat anzutreten. Stattdessen kandidierte dann Kronawitter und zog 1972 auch sogleich ins Rathaus ein.
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Kronawitters Vorstellung von Gerechtigkeit kam in der Partei gut an. Dem linken Parteiflügel war er aber doch zu konservativ. Neue Grabenkämpfe waren letztlich also nur eine Frage der Zeit.
Kronawitters einende Kraft hatte sich schnell verbraucht. Schon sechs Jahre später war die SPD wieder so zerstritten, dass eine bis heute einmalige Situation eintrat: Die CSU eroberte mit Erich Kiesl den OB-Sessel.
Statt aufzustecken, gab sich Kronawitter jedoch kämpferisch. Er bearbeitete die Parteibasis, holte sich das Vertrauen zurück und kehrte 1984 ins Rathaus zurück. Dort blieb er unangefochten an der Spitze – bis er das Amt 1993 an seinen Wunsch-Nachfolger Christian Ude übergab.
In seiner Zeit als Oberbürgermeister hat Kronawitter den Wohnungsbau angekurbelt, die Arbeitslosigkeit zurückgefahren und den Mieterschutz verbessert.
Danach ist er in den Landtag zurückgekehrt und hat in der Folgezeit eigentlich nur noch einmal auf sich aufmerksam gemacht: 2005 war das, als er per Bürgerentscheid durchsetzte, dass in München nicht über die Höhe der Frauentürme hinaus gebaut werden darf.
Seinem Ziehsohn Ude hat er damit zwar eine schmerzhafte Niederlage beigebracht. Aber so war Kronawitter eben: Wenn er sich etwas in den Dickkopf gesetzt hatte, dann hat er das auch durchgesetzt – auch wenn es den eigenen Leuten wehtat.