Abgase in München: Hier ist die Luft besonders schlecht

München - In Atemmasken und Schutzanzügen stehen Aktivisten der Umweltorganisation Green City an der Kreuzung von Blumen- und Corneliusstraße. Auf den Transparenten, die sie halten, ist zu lesen: "Luft ist gesund. Hier nicht." Gelegentlich bleiben Passanten stehen und wundern sich, auch Autos bremsen beim Anblick der Mini-Kundgebung merklich ab.
Green-City-Aktivisten bei der Demo an der Blumenstraße – auch hier sind die Werte zu hoch. Foto: Petra Schramek
Der Auftritt am Freitagmorgen war von den Mitgliedern des Vereins bewusst dramatisch gestaltet worden, ging es doch um ein für sie drängendes Problem: die Abgasbelastung in der Stadt. Dass die schon seit Jahren zu hoch ist, ist kein Geheimnis. Neue Messungen des Vereins und der Ludwig-Bölkow-Stiftung zeigen jedoch: Das Problem könnte gravierender und flächendeckender sein als bisher angenommen.
Im November und Dezember des letzten Jahres konnten Münchner direkt vor ihrer Haustür die Stickstoffdioxid-Konzentration messen – ausgegangen ist die Abgas-Untersuchung von Green City e.V. und der Ludwig-Bölkow-Stiftung. In einer Mitteilung vom Freitag gibt die Umweltorganisation bekannt: "An mindestens 15 Orten im Stadtgebiet überschreiten die Werte teils deutlich die gesetzlichen Grenzen."
Dicke Luft auch in den Wohngebieten
An der Erhebung mittels sogenannter Passivsammler beteiligten sich über zwei Monate lange insgesamt 50 Personen. An 15 Messpunkten wurde der gesetzliche Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter überschritten. Zum Vergleich: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt einen Grenzwert von 20 Mikrokramm pro Kubikmeter. Laut Green City e.V. gehören zu den ermittelten Orten mit einem zu hohen Grenzwert neben vielbefahrenen Straßen wie dem Mittleren Ring, dem Altstadtring oder der Schleißheimer Straße auch Bereiche in reinen Wohngebieten.
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Die Karte zeigt die 15 Messorte, an denen der gesetzliche Grenzwert von Stickstoffdioxid überschritten worden ist. (Zum Vergrößern bitte auf die Karte klicken.) Foto: Green City e.V./mapz.com
Dr. Werner Zittel von der Ludwig-Bölkow-Stiftung: "Unsere Messungen lassen den Schluss zu, dass fast in der gesamten Innenstadt dieser gesundheitsrelevante Schwellenwert dauerhaft überschritten wird. Außerdem ist davon auszugehen, dass München auch den gesetzlichen Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter an vielen weiteren Stellen nicht einhält." Für das Umweltbundesamt ist vor allem der Straßenverkehr und hier speziell die Abgase der Dieselfahrzeuge für die schlechten Werte in München verantwortlich.
München kann aber auch den gesetzlichen Grenzwert an einigen Stellen nicht einhalten, was schon in der Vergangenheit zu Diskussionen führte. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagte so bereits vor zwei Jahren gegen die Grenzwertüberschreitungen – und bekam Recht. Die Stadt muss nun bis Ende des Jahres einen Maßnahmenkatalog zur Luftreinhaltung entwickeln. Wirkt der nicht, könnte zum Beispiel angeordnet werden, die Innenstadt für besonders emissionsreiche Fahrzeuge sperren zu lassen.
Aber flächendeckend sind die offiziellen Messungen nicht. Lediglich fünf Messstandpunkte gibt es in der Stadt. Auch die Klage der DUH bezog sich hauptsächlich auf Werte, die am Stachus und an der Landshuter Allee gemessen wurden. Abseits der offiziellen Messegeräte beruft sich die Stadt gerne auf Simulationsrechnungen, die anhand von Daten wie Fahrzeugaufkommen, Bebauung und Windrichtung Belastungswerte errechnen.
Dass die das Problem nicht akkurat darstellen, will Green City mit seinen Messungen zeigen. Auch wenn der Verein eingesteht, dass die Passivsammler ungenauer sind als die offiziellen Einrichtungen.
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An vielen Orten in München wird der gesetzliche Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter nicht eingehalten. (Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken.) Foto: Green City e.V.
Bei der Vorstellung der Ergebnisse am Freitag forderte Green City e.V. langfristige Lösungen. Besonders der Ausbau des Rad- und Fußverkehrs sowie die öffentlichen Verkehrsmittel liegen der Umweltorganisation am Herzen. Zudem fordern sie weiter, dass der Bereich innerhalb des Altstadtrings autofrei werden soll.
Martin Glöckner, Geschäftsführer von Green City e.V., findet nach Veröffentlichung der Ergebnisse klare Worte: "Der Unwille von Politik und Industrie, endlich eine echte Verkehrswende einzuleiten, geht auf Kosten der Gesundheit von uns Allen. Die vorliegenden Messergebnisse sind ein weiterer, trauriger Beweis."
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