Streit am Verwaltungsgerichtshof: Für Diesel-Autos schaut's bald schlecht aus

Umweltschützer wollen Bayern jetzt gerichtlich zum Handeln zwingen: Mit dem Feinstaub ist es zwar besser geworden, aber die Werte beim Stickstoffdioxid sind viel zu hoch.
dpa/az |
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Eine Messstation zur Feinstaub-Bestimmung in München an der Landshuter Allee.
Matthias Schrader/dpa Eine Messstation zur Feinstaub-Bestimmung in München an der Landshuter Allee.

München - Umweltschützer und der Freistaat Bayern haben am Donnerstag vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof über Maßnahmen für eine bessere Luft in München gestritten. Die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid sind in der Landeshauptstadt an zwei Brennpunkten überschritten. 2012 hatte das Verwaltungsgericht München den Freistaat Bayern auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hin verpflichtet, schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen.

"So wie es ausschaut, führt kein Weg an Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge vorbei"

Der Vorsitzende Richter Rainer Schenk sagte, die Frage dürfte auf partielle Diesel-Fahrverbote hinauslaufen. "So wie es ausschaut, führt kein Weg an Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge vorbei", auch wenn "womöglich stufenweise" vorgegangen werden müsse. Es gebe nach wie vor "eklatante Überschreitungen des Stickstoffdioxidwertes" - und anders als beim Feinstaub "keinen günstigen Trend".

Schenk zufolge ist es aber nicht unbedingt Sache eines Gerichts, konkrete Vorgaben zu machen. Richter müssten "allgemeine Leitplanken" geben. Es sei dem beklagten Freistaat überlassen, wie er die Einhaltung der seit 2010 geltenden EU-Grenzwerte erreiche.

Vertreter von Freistaat und Stadt kritisierten hingegen, das Verwaltungsgericht München habe 2012 keine konkrete Vorgabe gemacht. Es sei somit die Frage, welche Verpflichtung dem Freistaat auferlegt worden sei, sagte Landesanwältin Martina Ebner.

Stickstoffdioxid begünstigt Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen

"Es ist doch Ihre Aufgabe, die Konsequenzen daraus zu ziehen", rief DUH-Anwalt Remo Klinger. "Ich klage seit 2012 als Rechtsanwalt auf Einhaltung der Grenzwerte. Warum handeln Sie nicht?"

Stickstoffdioxid kann Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen verursachen. Europäische Umweltbehörden gehen von jährlich rund 10.600 vorzeitigen Todesfällen in Deutschland aus. In München gehe es um mehrere Hundert Tote, sagte Anwalt Klinger. "Seit zehn Jahren sind Sie untätig. Rechnen Sie es hoch auf mehrere tausend Todesfälle."

Das Verwaltungsgericht hatte 2012 verlangt, den Luftreinhalteplan für München so zu ändern, dass er Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid enthält. Die Feinstaubwerte wurden seit 2012 eingehalten, die NO2-Werte von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft hingegen an der Landshuter Allee und am Stachus alljährlich überschritten. 2016 drohte das Gericht dem Freistaat auf Vollstreckungsantrag der DUH 10.000 Euro Zwangsgeld an, falls er dem Urteil nicht bis Juni 2017 nachkomme. Der Freistaat legte Beschwerde ein, der Streit landete beim Verwaltungsgerichtshof.

Diesel-Fahrverbot für München ab Januar 2018?

Richter Schenk sagte, zunächst seien 10.000 Euro die Maximalsumme. Höchste Gerichte hätten aber auch schärfere Maßnahmen gesehen. "Im Rechtsstaat müssen Urteile eben durchgesetzt werden."

Die DUH will ein Diesel-Fahrverbot für München ab Januar 2018. Busse müssten mit Filtern ausgestattet und Autobauer zur Nachrüstung von Autos der Euro 6-, aber auch der Euro 5-Norm verpflichtet werden.

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Auch in vielen anderen Städten gibt es immer wieder zu hohe NO2-Werte. Die DUH hat nach eigenen Angaben Klage gegen mehrere Bundesländer wegen der Luftreinhalteplanung eingereicht. Es gehe um Köln, Bonn, Aachen, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Frankfurt am Main, Stuttgart und Berlin.

Feinstaubbelastung seit Anfang des Jahres ist enorm

Die Feinstaubbelastung in Bayern hat sich in den letzten Jahren zwar verbessert. Seit Anfang des Jahres wurde der Grenzwert allein in München allerdings schon 20 Mal überschritten.

An gleich 25 Mess-Stationen in allen Regierungsbezirken des Freistaats war am Mittwoch der Tagesgrenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft überschritten worden, wie aus dem täglichen Bericht des Landesamtes für Umwelt in Augsburg am Donnerstag hervorging. Der höchste Tageswert wurde demnach in Würzburg (Stadtring Süd) mit 90 Mikrogramm registriert, in Nürnberg (Von-der-Tann-Straße) waren es 86.

2016 wurde der Wert in München 15 Mal überschritten

Zum Schutz der menschlichen Gesundheit gelten seit 2005 europaweit Grenzwerte für Feinstaub. Der Tagesgrenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft darf nicht öfter als 35 Mal im Jahr überschritten werden. Im gesamten Jahr 2016 hatte die Münchner Station Landshuter Allee die meisten Überschreitungen im Freistaat aufzuweisen, an 15 Tagen lag die Feinstaubbelastung über dem Grenzwert.

Im noch jungen Jahr sieht die Bilanz düster aus: An der Nürnberger Von-der-Tann-Straße wurde bis Mittwoch der Grenzwert bereits an 21 Tagen überschritten. An 20 Tagen war dies der Fall am Münchner Stachus, in Würzburg (Stadtring Süd) gab es bereits 19 Überschreitungen. Auch am Donnerstag zeichneten sich wieder an zahlreichen Stationen deutlich erhöhte Feinstaub-Belastungen ab.

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