Pestizid-Belastung: Ist Bio wirklich gesund?

Bio-Produkte enthalten keine Schadstoffe? Jein. Ökobauern dürfen konventionelle Pflanzenschutzmittel nicht einsetzen, darüber wachen in Deutschland Kontrolleure. Aber in Einzelfällen finden sich auch auf Bio-Äpfeln oder -Getreide Spuren von Pestiziden. Einige EU-Staaten fordern dafür klare Grenzen – jetzt wollen die Agrarminister gemeinsam in Luxemburg eine Lösung finden.
Worum geht es bei der Reform der Öko-Regeln?
Wer Bio kauft, kann mehr erwarten. Entsprechend streng sollten die Regeln für diese Waren sein – mit diesem Grundgedanken hat die EU-Kommission im Frühjahr 2013 eine Reform der Gesetzgebung für den Ökolandbau vorgeschlagen. Nun versuchen die EU-Staaten, sich zu einigen, auch das Europaparlament muss zustimmen.
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Ein Stolperstein aus deutscher Sicht ist nun vor allem die Diskussion um spezielle Schadstoff-Grenzwerte für Ökoprodukte. In Belgien und Italien gelten solche Grenzen, auch eine Reihe vor allem osteuropäischer Staaten plädiert dafür. Deutschland und andere lehnen das strikt ab.
Warum denn?
Die Bundesregierung befürchtet, dass extrastrenge Grenzwerte das Wachstum der Bio-Branche abwürgen könnten. Denn die Kosten für die Analysen würden die Produktion unverhältnismäßig verteuern, heißt es. Bisher gelten für Spuren von Pflanzenschutzmitteln die gleichen Grenzwerte wie bei allen anderen Lebensmitteln auch.
Speziell überprüft wird bei Bio-Produkten, ob ein Landwirt nach ökologischen Standards arbeitet – also etwa keine unzulässigen Düngerarten nutzt und Nutztiere an die frische Luft lässt.
Was sagen die Erzeuger und Händler zum Thema Grenzwerte?
Der deutsche Spitzenverband der Branche, der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (kurz: BÖLW), teilt die Sorge der Bundesregierung und nennt die Pläne ein „Bio-Schrumpfungsprogramm“. Es könne außerdem nicht sein, dass Ökolandwirte den Pestizid-Einsatz auf angrenzenden Feldern ausbaden müssten, meint Geschäftsführer Peter Röhrig. „Dann würde ein Bio-Bauer sein Produkt nicht mehr als ,Bio’ vermarkten können, weil sein Nachbar gespritzt hat.“
Wie geht es der Bio-Branche überhaupt?
Der Ökolandbau ist seit Jahren auf dem Vormarsch. Ende 2014 waren nach Daten des BÖLW 8,4 Prozent aller deutschen Agrarbetriebe Bio. Gemeinsam bewirtschafteten sie 6,5 Prozent der Anbaufläche und erlösten 2013 insgesamt 1,58 Milliarden Euro, 3,5 Prozent der Gesamteinnahmen der deutschen Landwirtschaft.
Europaweit ist Deutschland in absoluten Zahlen einer der wichtigsten Erzeuger. Vom erklärten Ziel der Bundesregierung, Ökolandbau auf jedem fünften Hektar Land, ist die Branche noch weit entfernt.
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Und wie kommt Bio bei den Verbrauchern an?
Zunehmend gut, besonders bei den Deutschen. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov greift jeder Zweite zumindest gelegentlich zu Bio-Produkten. Vor allem Obst, Gemüse und Eier werden laut Ökobarometer 2013 gekauft. „Der Markt wächst, aber die Landwirte stellen nicht genug her“, sagt der Grüne Martin Häusling, der das Thema als Abgeordneter im Europaparlament federführend betreut. Die Politik dürfe die Branche daher nicht „klein und fein halten“.
Was bedeutet der Grenzwerte-Streit für die Bio-Käufer?
Aus Sicht der Verbraucherorganisation Foodwatch sind sie die klaren Verlierer, falls sich die deutsche Position durchsetzt. „Wer so einen großen Vertrauensvorschuss genießt und auch für sich reklamiert wie die ökologische Lebensmittelwirtschaft, der ist in der Bringschuld, was Transparenz angeht“, meint Vize-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt. Die Verpflichtung auf strikte Grenzwerte wäre seiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit – und dass die Branche sich dagegen wehrt, versteht er nicht. „Denn es gibt eigentlich gar kein Problem.“
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Stimmt das denn?
Tatsächlich sind Bio-Produkte selten belastet. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2013, dem Ökomonitoring Baden-Württemberg, hatte normales Obst im Mittel einen rund 40-fach höheren Pestizid-Gehalt als Öko-Obst, bei Gemüse war der Wert sogar 95 Mal so hoch. Nur 2,8 Prozent aller Proben von frischen Öko-Erzeugnissen wurden von den Prüfern beanstandet.