Rod Stewart in München: War das wirklich seine letzte Party hier?
Ach, die Abschiedstourneen. Es war ja ohnehin noch nie juristisch oder sonst wie bindend, wenn ein Sänger seine letzte Konzertreise ankündigt, der Rücktritt vom Rücktritt blieb stets möglich bis wahrscheinlich, man denke an die bislang sieben Abschiedstourneen des Peter Kraus. Elton Johns Abschiedstour dauerte stolze fünf Jahre, länger als manche Popkarriere, und zuletzt ist der Begriff weiter verwässert: Peter Maffay etwa hat bei der Ankündigung seiner Abschiedstournee klargemacht, dass er auch danach weiterhin Konzerte zu geben gedenke.
Während er also am Freitagabend auf dem Königsplatz seinem eigenen Musiker-Reiseleben, nicht aber zwingend seinen Fans, Servus sagte, machte zeitgleich in der Olympiahalle die Tournee von Rod Stewart Halt, deren Titel ebenfalls von Rückzug kündet: "One Last Time“. Ein letztes Mal wolle er heuer mit Riesentross die Welt bereisen, hatte der 79-jährige Brite angekündigt – aber klar, sein geliebtes Live-Leben solle auch danach weitergehen. Im nächsten Jahr etwa bei einer Swing-Tour mit Jools Holland, die längst in Planung ist.
Eine Party mit den Fans
Doch allein diese Minimal-Ankündigung, ein klein wenig kürzer zu treten, musste reichen, um "One Last Time“ auf die Tickets zu drucken. Aber davon will Sir Rod Stewart dann auf der Bühne der ausverkauften Olympiahalle gar nichts mehr wissen. Von Abschied ist weder die Rede noch irgendetwas zu spüren. Der Zeithorizont ist ein ganz anderer: "Wir spielen zwei Stunden, 25 Songs, es ist Freitagnacht“, sagt Sir Rod zur Begrüßung. "Genießt es!“
Und genau darum geht es hier, Rod Stewart feiert einfach eine weitere Party mit seinen Fans. Als sich zur Cover-Version von Robert Palmers "Addicted To Love“ der Vorhang hebt, steht der ewige Blonde inmitten von fünf Blondinen, vor deren kurzen Outfits weiße Instrumente hängen, auf denen sie noch nicht mal zu spielen vortäuschen.
Britisch-irischer Kolorit
Drei von ihnen entpuppen sich dann als Background-Sängerinnen, zwei andere machen ab dem Klassiker "You Wear It Well“ an Geige und Harfe weiter, eine weitere Solo-Geigerin kommt hinzu, die immer wieder für britisch-irischen Kolorit sorgt. Zur Begleitband gehören außerdem sieben Männer, allesamt erstklassig wie Saxofonist Jimmy Roberts oder Stewarts Langzeit-Keyboarder Kevin Savigar. Ihr Sound verschwimmt erstmal im Hall der Halle, doch schon vor der Hälfte des Konzerts kriegen ihn die Mischmeister in den Griff.

Zum Glück, denn da kommen hintereinander die drei besten Stücke des Abends: erst die wunderbare Ballade "I Don’t Want To Talk It” von Danny Whitten, dann Stewarts Signature-Song "Maggie May“, der 1971 als B-Seite erschien, dennoch Nummer eins in den USA und Großbritannien erreichte und ihn zum Superstar machte. Auf der Großleinwand werden die Textzeilen eingeblendet, vielleicht auch auf einem Teleprompter, doch das ist Stewart wurscht: Er singt die Zeilen, die in vielen Varianten Sinn ergeben, zwei Mal in anderer Reihenfolge.
Jede Note hat Soul
Dann folgt der absolute musikalische Höhepunkt des Abends: "I’d Rather Go Blind“, die Etta-James-Nummer, die Stewart 1972 aufgenommen hatte. "Ich werde den Blues singen, und ich werde mir das Herz raussingen“, kündigt er vorher an – und hält, was er verspricht. Und wie dieser Mann noch immer singen kann: Jede Note hat Soul. Es ist das Feeling, die Phrasierungskunst, die ihn zum großen Sänger macht, und eben nicht nur die unverwechselbare Reibeisenstimme. Dass die bei dem 79-Jährigen ein klein wenig an Volumen verloren hat, weiß er schlau zu kompensieren. Er umgeht einfach geschickt ein paar Stellen, bei denen es auffallen könnte – so klingt sein Gesang weiterhin großartig.
Mit einem krassen Stilwechsel zu "Young Turks“ geht‘s weiter, und der Rest ist ein bunter Abend, ach was, ein knallbunter. Auf der Bühne ist ständig Betrieb und Abwechslung, Stewart führt rund ein halbes Dutzend Outfits vor, die meisten glitzern, und wenn er zum Umziehen oder kurzen Ausruhen die Bühne verlässt, übernehmen die Solisten oder die Sängerinnen, etwas beliebig mit "I’m So Excited“ von den Pointer Sisters oder Donna Summers "Hot Stuff“. Danach stolziert und tänzelt Stewart wieder auf die Bühne, animiert das Publikum, dirigiert die Band und gockelt mit den Sängerinnen, immer locker, immer charmant, immer verschmitzt und nie ganz ernst.
Krieg, Fußball und (k)ein Abschiedsgruß
Nur bei "Rhythm Of My Heart“ ist das anders, da verdammt der Sänger Putin und seinen Angriffskrieg und bekundet seine Solidarität mit dem ukrainischen Volk. In Leipzig hatten Zuschauer an dieser Stelle kürzlich, man fasst es nicht, gebuht. Bei den Münchnern schlägt das Herz im richtigen Rhythmus: Sie stehen auf, viele filmen die Bilder der Kriegsschrecken, die auf der Großleinwand zu sehen sind. Und applaudieren lautstark, als Stewart zum Schlussakkord auf das riesige Bild des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj blickt.
Dann geht es, typisch für diesen wilden und etwas dramaturgiearmen Mix, mit Fußball weiter: "You’re In My Heart“ widmet Stewart seinem geliebten Klub Celtic Glasgow, und er bedankt sich bei den Münchnern, die schottischen Fußballfans so freundlich aufgenommen zu haben: "Ihr habt sie geliebt und sie haben Euch geliebt.“ Als Zuschauer nach dem Song den Stadion-Gesang "Seven Nation Army“ anstimmen, würgt er aber lieber gleich ab und lässt Kevin Savigar am Klavier "Have I Told You Lately“ anstimmen, und die Van-Morrison-Ballade gerät sehr schön.
Nach einem letzten Kostümwechsel gibt’s dann noch "Baby Jane“ und den nicht besonders zwingenden Abschluss "Some Guys Have All The Luck“, als Zugabe "Da Ya Think I’m Sexy?“ und als Schlussnummer, was sonst: "Sailing“. Sir Rod Stewart singt schon mit dem Publikum, als ihm eine Backgroundsängerin eine Kapitänsmütze aufsetzt. Die nimmt er dann zum Schlussakkord ab, verbeugt sich vor dem Publikum der rechten Hallenseite, da senkt sich auch schon der Vorhang, Captain Stewart winkt lässig ab und schlüpft schnell dahinter.
Doch der Vorhang hebt sich überraschend noch einmal – und die ganze Besatzung liegt reglos auf dem Boden. Ist das nun doch der finale Abschiedsgruß? Oder, ebenso cool formuliert, die Botschaft: Ich mache weiter, bis ich umfalle? Wir plädieren für letzteres. Bis zur nächsten Abschiedstour!
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