Kritik

Peter Maffay in der Olympiahalle: Vom Schmalz befreit

Peter Maffay spielt in der Olympiahalle vor mehr als 12.000 Menschen ein rockig-buntes Drei-Stunden-Konzert.
Philipp Seidel
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Die Lederjacke flog schon bald zu Boden: Peter Maffay am Donnerstag in der Olympiahalle.
Die Lederjacke flog schon bald zu Boden: Peter Maffay am Donnerstag in der Olympiahalle. © Foto: Jens Niering

München - "Nimm das, (sehr verehrter) Axl Rose!", denkt man, und dann auch: "Nimm das, (ebenfalls sehr verehrter) Jon Bon Jovi!" Hier steht einer, der 13 Jahre älter ist als ihr und noch immer seine alten Lieder singen kann, ohne dass es peinlich klingt. Beziehungsweise der die Lieder mit den hohen Tönen klugerweise einfach weglässt.

Fantastische Band

Die gitarrenförmige Bühne mit dem Gitarrenhals als Rampe steht mitten in der Halle, weshalb Maffay und die ganze fantastische Band (unter anderem Schlagzeuger Bertram Engel und Gitarrist Carl Carlton) ständig in Bewegung sein müssen, damit alle Augen im weiten Kreis etwas zu sehen haben.

Mal schmusig, mal rockig

Wenn man ermessen will, wer da vor einem steht, muss man nur die Titelbilder der "Bravo" anschauen, die über den Bildschirm über der Bühne laufen. Immer wieder: Peter Maffay als Coverbild, mal schmusig, mal rockig, frisurenmäßig vermutlich frühe 70er Jahre. (Irgendwo zwischen diesen Covern hat man selbst das Licht der Welt erblickt.) Oder die Auftritte in der ZDF-"Hitparade in türkisem Samtanzug.

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Neues Album

Die schwarze Lederjacke fliegt kurz nach Beginn aufs Schlagzeugpodest, dann wird in weißer Weste weitergemacht. Es ist ein stimmungsmäßig ziemlich weit gespannter Abend. Zum einen muss Maffay seine pandemiebedingt abgebrochene "Jetzt!"-Tour nachholen. Dann ist während der Pandemie noch das Album "So weit" entstanden, in dem er unter anderem den Tod seines Vaters verarbeitet ("Wenn wir uns wiedersehen").

Willy will's wissen"-Stimmung

Mittendrin wird es dann recht bunt. Eines von Maffays Kreativkindern, das grüne, wird im nächsten Jahr 40 - und so gab es schon mal ein paar Kostproben aus dem neuen Tabaluga-Album. Das Lied "Elektrizität", gesungen im Duett mit der geigespielenden Percussionistin Charly Klauser, lässt dann kurz leichte "Willy will's wissen"-Stimmung aufkommen. Getragen-pädagogisch wird es dann mit "Königreich der Liebe" im Duett mit Linda Teodosiu. Der Titelsong des neuen Tabaluga-Albums "Die Welt ist wunderbar" wird dann gleich zweimal hintereinander gespielt - fürs Video.

Die frühen Hits

Und dann kommt der Teil, der für alle Musiker Fluch wie Segen gleichermaßen ist (vor allem für die, die sich weiterentwickelt haben): die frühen Hits. Und Peter Maffay hat im Lauf der Jahrzehnte diverse Stilwechsel und -erweiterungen mitgemacht und ziemlich viele Hits geschaffen. "Wir gehen bis an den Anfang", kündigt er unter dem Jubel des Publikums an. 

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Schmalzüberschuss und Pathos

Seinen ersten Hit, "Du" (1970!), könnte man heute nur noch ironisch auf Schlagerpartys spielen - oder ihm Schmalzüberschuss und Pathos nehmen, indem man Instrumente und Tempo zusetzt - es klappt, alle sind zufrieden. Ähnlich bei "Weil es Dich gibt", das Karat-Cover "Über sieben Brücken musst Du gehn" und bei "Eiszeit", das gerade eine so traurige neue Aktualität hat. Überhaupt keine Starthilfe braucht dazwischen "Samstag Abend in unserer Straße" von 1974: Das Stück walzt herrlich groovend durchs Rund der Olympiahalle.

Schwülstiger 80er-Jahre-Schmachter

Das alles wird noch mal gesteigert durch "Sonne in der Nacht", diesen schwülstig-schönen 80er-Jahre-Schmachter. Maffay und seine Band machen aus dem Verschwitzte-Laken-Stück eine Rock'n'Roll-Romanze wie unter einer Überdosis Energy-Drinks - mit einem sensationell wuchtigen Finale, das vielleicht das knalligere Ende für dieses Konzert gewesen wäre.

Gefeierte Zugabe

Als - natürlich ebenfalls gefeierte - Zugabe kommt dann noch "Und es war Sommer" von 1976. Maffay nimmt diesem Knabe-liebt-reife-Frau-Stück alles eventuell Peinliche, indem er das Publikum den markanten Gitarrenteil mitsingen lässt: "Piu-piu-piu!" Das klappt erst so mittel, macht aber gleich gute Klassenfahrt-Stimmung. Dann noch "Freiheit, die ich meine" zum Fußwippen und schließlich das stille Vokal-Finale mit "Die Töne sind verklungen", bei dem die ganze Band andächtig um das nun unbesetzte Schlagzeug-Podest herum steht.

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