Neuanfang als Auftrag: Lydia Grün wird Präsidentin der Musikhochschule
München - Die Wahl endete mit einem Paukenschlag, um im Fall der Münchner Musikhochschule im Bild zu bleiben. Der neue Präsident wird eine Präsidentin, Lydia Grün, 46, Professorin für Musikvermittlung von der Hochschule Detmold. Zum ersten Mal ist es eine Frau, die an der Spitze der 1846 gegründeten, ehemals ruhmreichen, in jüngster Vergangenheit mit vielen Affären belasteten Hochschule steht.
Ein Professor: "Grün ist eine exzellente Kommunikatorin"
Das ist nicht weniger als eine Zäsur. Der seit 2014 amtierende Präsident Bernd Redmann ist damit abgewählt, womit kaum einer im Vorfeld gerechnet hatte. "Grün ist eine exzellente Kommunikatorin und damit eine gute Wahl für München", sagt ein Professor. Seinen Namen will er lieber nicht verraten, um Grün nicht schon vor ihrem Amtsantritt zu beschädigen und ihre Unabhängigkeit in Frage zu stellen.
Lydia Grün ist eine externe Lösung ohne jede Verstrickung in Skandale der Vergangenheit
Grün kommt von außen, auch das ein Novum in München, sie ist keinem der im Umfeld der Hochschule ausgemachten Lager zuzuordnen, auch hat sie keinerlei Verstrickungen in die skandalösen Vorgänge der Vergangenheit, die Prozesse und Verurteilungen um Ex-Präsident Siegfried Mauser und Kompositionsprofessor Hans-Jürgen von Bose. Das Disziplinarverfahren gegen ihn wurde kürzlich erst beendet: Bose wird aufgrund einer rechtskräftigen Bewährungsstrafe wegen Drogenbesitzes in den nächsten fünf Jahren das Ruhestandsgehalt um zehn Prozent gekürzt.
"Erst jetzt, mit Grün, ist die Möglichkeit zu einem wirklichen Neuanfang da, die Redmann nur versprochen hat", sagt der namenlose Professor zur AZ.

Am Ende war es eine Fifty-Fifty-Entscheidung: der Amtsinhaber, der mit Unterbrechungen seit über 30 Jahren als Student, Professor, Vize-Präsident oder Chef an der Hochschule weilt, gegen die 46-jährige Essenerin ohne Hausmacht. Am Ende überzeugte das Konzept der Musikwissenschaftlerin, Journalistin und Kommunikationsexpertin die Mehrheit der Mitglieder des Hochschulrats im direkten Vergleich mit Redmann.
Lydia Grün wirbt für eine offene Diskurskultur
Bei der Anhörung letzte Woche vor Senat und Rat machte Grün, zugleich Gleichstellungsbeauftragte in Detmold, mit ihrer Agenda unmittelbar den Unterschied deutlich zum amtierenden Präsidenten, dessen Verstrickungen in die Mauser-Ära bis heute nicht restlos geklärt sind und immer wieder thematisiert werden.
Wie von Sitzungsteilnehmern berichtet wird, warb Grün für eine offene Diskurskultur, mit der sich Top-Down geführten Hochschulen oft schwertun. Sie sprach einer maximalen Transparenz und Beteiligung das Wort, die es nicht nur als Konzept geben darf, sondern auch in die Umsetzung muss.
Das durfte Amtsinhaber Redmann durchaus als Wink verstanden wissen, dem genau das gerne vorgehalten wird: dass er viel von Transparenz spricht, sie im Grunde aber gar nicht will. Auch zu den energiepolitischen Fragen rund um die anstehende Generalsanierung zeigte sich Grün im Bilde, was die Sitzungsteilnehmer beeindruckte.
Da half es auch nichts, dass nach der Anhörung der Kandidaten Senatsmitglied Wen-Sinn Yang, ein ehemaliger Vize-Präsident unter Mauser, unverhohlen Werbung für den amtierenden Präsidenten machte und erklärte, sein Institut möchte, dass Redmann Präsident bleibe.
Lydia Grün triumphiert - auch ohne ausgeprägte Wechselstimmung
Er ist es nicht geblieben, obwohl es keine ausgeprägte Wechselstimmung an der Hochschule gab. Für die meisten Professoren, die sich nur für ihren Unterricht, ihr Institut interessieren, war Redmann der ideale Präsident. Der Hochschulrat als Wahlgremium, zur Hälfte mit externen Mitgliedern besetzt, sah das anders.
Während im Vorfeld der Wahl sich Redmann-Kritiker an der Hochschule verärgert darüber zeigten, dass Professoren wie Studierende bis zum Wahltag nicht wussten, wer gegen Redmann ins Rennen ging und schon den Münchner Klüngel an die Wand malten ("Im Vergleich zu uns ist die katholische Kirche ein Transparenzverein", so ein Professor), ist die Überraschung jetzt um so größer, dass erstmals in der Geschichte der Hochschule ein amtierender Präsident ab- und eine Frau gewählt wurde. Wissenschaftsminister Markus Blume dürfte die Wahl nicht ungelegen kommen.
Sollte Grün ihr Amt im Oktober antreten, dürfte die Negativschlagzeilen produzierende Musikhochschule bald Geschichte sein. Der Neuanfang, nichts weniger, ist ihr Auftrag.
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