Münchner Philharmoniker: Gegenwind für Gergiev

Kulturreferent Küppers soll klären, ob Gergiev wirklich die Solidaritätsadresse für Putins Krim-Politik unterschrieben hat und notfalls den Vertrag auflösen, fordern jetzt die Grünen.
Robert Braunmüller |
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Die Münchner Philharmoniker schweigen. Bei der Orchesterversammlung am Freitag soll den Musikern ein Maulkorb in Sachen Gergiev verpasst worden sein. Das städtische Kulturreferat hält den großrussischen Nationalismus des Dirigenten Valery Gergievs im Gespräch mit der Zeitschrift „Argumenty i Fakty“ und die Unterzeichnung eines dröhnenden Pro-Putin-Treueschwurs in der Zeitung „Iswestija“ nach wie vor für private politische Äußerungen, die keines Kommentars bedürfen.

Natürlich gilt die Meinungsfreiheit auch für Dirigenten und städtische Angestellte. Aber Valery Gergiev strebt nicht irgendein Amt an: Er möchte als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker ab 2015 diese Stadt bei Gastspielen des Orchesters in der Welt vertreten. Deshalb ist es sehr wohl von politischer Bedeutung, welche Position dieser Dirigent zu Anti-Schwulen-Gesetzen in seiner Heimat annimmt und dass er Putins aggressive und Krim-Politik öffentlich unterstützt.

Wachsende Kritik

Nach verhaltener Kritik seitens der SPD, der CSU und schärferen Tönen seitens des Stadtrats Thomas Niederbühl (Rosa Liste) meldete sich am Freitag Florian Roth zu Wort, der Vorsitzende der gemeinsamen Stadtratsfraktion Die Grünen/Rosa Liste. Roth fordert den Kulturreferenten Hans-Georg Küppers auf, mit Gergiev über dessen politische Aktivitäten zu sprechen.

Vom Verlauf des Gesprächs soll nach Auffassung Roths abhängen, ob Gergiev wie geplant seine Stelle als Chefdirigent antritt oder ob die Stadt nach Wegen sucht, wie der Vertrag aufgelöst werden könnte. „Offene Unterstützung für völkerrechtswidrige Annexionspolitik ist keine Haltung, die die Stadt München bei einem ihrer wichtigsten kulturpolitischen Repräsentanten akzeptieren könnte“, erklärt Roth. Sollte es sich herausstellen, dass Gergiev diese Solidaritätsadresse tatsächlich unterschrieben habe und dieses Vorgehen unverändert für richtig halte, sei er als Chefdirigent unserer Philharmoniker untragbar.

Der Ruf der Philharmoniker nimmt Schaden

Roth hätte sich nach den „fragwürdigen Erklärungen Gergievs zu Putins homophober Gesetzgebung“ mehr Zurückhaltung und Fingerspitzengefühl erwartet. Nun ist für Roth allerdings eine Rote Linie überschritten: „Anscheinend ist Herr Gergiev nicht willens und in der Lage, sich ein wenig in die Mentalität der Stadt einzufühlen, die er demnächst auf internationalem Parkett vertreten soll. Damit ist er für die Stelle des Chefdirigenten der Philharmoniker ungeeignet.“

Dass die Unterschrift authentisch ist, steht nach den Aussagen des Dirigenten in dem Interview mit „Argumenty i Fakty“ eigentlich außer Frage. Davon gingen am Donnerstag sowohl Kulturreferat als auch die Philharmoniker aus. Dieser Mann bezieht seit Jahren eindeutig Position: Gergiev dirigierte 2008 im russisch besetzte n Südossetien, 2012 unterstützte er die Wahl Putins, im Februar trug er die olympische Fahne ins Stadion von Sotschi.

Die Stadt sollte nicht abwarten, bis vor Gergievs nächstem Konzert im Mai am Gasteig demonstriert wird. Es gilt, den guten internationalen Ruf der Philharmoniker durch Aussitzen und Schweigen nicht weiter zu beschädigen.
 

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