Ist Valery Gergiev als Chefdirigent zu halten?

Putins dunkler Schatten: Aus dem Stadtrat kommt erste Kritik an Valery Gergiev, dem künftigen Chefdirigenten der Philharmoniker.
Robert Braunmüller |
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Im Mai setzt er seinen Strawinsky-Zyklus mit einem Gastspiel seines Petersburger Mariinski-Orchesters fort, im Juni dirigiert er die Münchner Philharmoniker im Gasteig. Wird Valery Gergiev dann bei einer Pressekonferenz erklären, dass er viele Freunde in der Ukraine habe und die Politik Putins nicht in allen Einzelheiten kenne?

Eigentlich wollte sich der designierte Chefdirigent des Orchesters der Stadt im Frühjahr mit der schwulen Community treffen, um Missverständnisse über seine Ansichten zur russischen Gesetzgebung gegen „homosexuelle Propaganda“ auszuräumen. Erklärt er dann, warum der Osten der Ukraine auch unbedingt russisch werden muss?

Laut der Zeitung „Iswestija“ hat Gergiev einen Aufruf russischer Künstler unterzeichnet, der die Krim- und Ukraine-Politik des Präsidenten Putin unterstützt – ein Vorgehen, das von der deutschen Politik ungewohnt einmütig als Aggression und Bruch des Völkerrechts angesehen wird. Eine offizielle Bestätigung der Unterschrift liegt nicht vor. Dass Gergiev den Aufruf inhaltlich teilt, folgt aber aus einem Interview in der Wochenzeitung „Argumenty i Fakty“.

Ein Patriot

Der Dirigent formuliert hier die Positionen eines großrussischen Nationalisten, der westlichen Werten misstraut und das neue chinesische Selbstbewusstsein lobt. Die Probleme in Russland seien nicht größer als die in Europa, aber auf Pressekonferenzen dort erlebe er immer, wie sein Land schlecht gemacht werde. Und natürlich beklagt er die Desinformation westlicher Medien in der Ukraine-Frage in diesem neuen „Kalten Krieg“ und warnt vor dem angeblichen Faschismus beim slawischen Brudervolk.

Es ist, fast wörtlich, die Position Putins. Natürlich fallen solche Äußerungen unter die Meinungsfreiheit. Im Unterschied zu Gergievs Verteidigung der antischwulen Gesetze werden dabei auch keine städtischen Regelungen berührt. Insofern ist die Position des Kulturreferats, es handle sich um private Äußerungen des Dirigenten, formal nicht zu beanstanden.

Kritische Stimmen aus dem Stadtrat?

Nur: Ist es klug, an diesem Chefdirigenten festzuhalten? Gergiev versteht sich als kultureller Botschafter Russlands, er wird auch in Zukunft nicht schweigen. Putins Politik wird bis auf Weiteres jeden seiner Auftritte überschatten. Sollten die Russen plötzlich ihre Landsleute in Riga befreien wollen, wird er dies gewiss ebenso verteidigen wie jeden anderen Schritt seines Präsidenten.

Heikel ist die Angelegenheit auch deshalb, weil München eine Städtepartnerschaft mit Kiew unterhält und viele Ukrainer hier leben. „Wenn Valery Gergiev die Krim-Politik von Putin wirklich öffentlich unterstützt, dann wäre es völlig unakzeptabel, dass er eine so herausragende Position in München einnehmen darf“, sagt Andriy Dovganyuk, Kanzler der Ukrainischen Freien Universität in München. „Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Politik Putins klar als Bruch des Völkerrechts bezeichnet, die ganze westliche Welt sieht das so.“

Aus dem Stadtrat mehren sich kritische Stimmen. Richard Quaas (CSU) wäre es lieber, wenn Gergiev schweigen würde. Er will nach Prüfung der Aussagen das Thema im Kulturausschuss und im Philharmonischen Rat besprechen. Ähnliches ist von der SPD zu hören.

Schärfer formuliert es Thomas Niederbühl, Stadtrat der Rosa Liste und Mitglied im Philharmonischen Rat: „Sollte sich Gergiev wirklich so eindeutig politisch positioniert haben, so müsste es die Stadt München wohl auch tun und eine Vertragsauflösung anstreben.“

Am Freitag treffen sich die Philharmoniker zu einer Orchesterversammlung. Auch der Fall Gergiev wird ein Thema sein.

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