Interview

Lebenserwartungsblues: Maxi Pongratz spricht über sein neues Album "Meine Ängste"

Maxi Pongratz über seine Vergangenheit bei den Passionsspielen und sein neues Album "Meine Ängste".
Volker Isfort
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Maxi Pongratz
Maxi Pongratz © Foto: Gerald von Foris

Baumlang, dürr und mit dem Kopf in den Wolken verkörpert Maxi Pongratz schon physisch den leicht schräg ins Leben gestellten Außenseiter. Aber das war ja schon immer der interessanteste Beobachtungsposten. Auf dem zweiten Solo-Album "Meine Ängste" des in Giesing wohnenden Sängers der Oberammergau Band Kofelgschroa besticht Pongratz durch persönliche Lieder, die mit einem besonders kantigen Hintersinn das Leben befragen.

Er nimmt die Hörer aber auch mit auf Instrumentalreisen zwischen der Giesinger Kistlerstraße und dem amerikanischen Death Valley. Und weil sein Album in Pandemiezeiten entstand, hatten viele Freunde Zeit, Maxi Pongratz Akkordeonklangteppich zu verzieren, darunter Evi Keglmaier (Bratsche), Maria Hafner (Geige) Theresa Loibl (Tuba), Philip Bradatsch (Gitarre), oder Nico Sierig (Orgel).

Darum war Maxi Pongratz nicht bei den Passionsspielen dabei

AZ: Herr Pongratz, in Oberammergau herrscht wieder Ausnahmezustand. Warum sind Sie dieses Mal bei den Passionsspielen nicht dabei?
MAXI PONGRATZ: Ich glaube, ich habe mich emanzipieren müssen. Man steht ja auch zwischen Mai und Oktober jeden Tag bis auf Montag und Mittwoch auf der Bühne. Und touren als eigenständiger Künstler kannst Du dann halt vergessen. Mein Herz hängt natürlich schon an der Passion. Ich war schon als Dreijähriger auf dem Arm vom Papa mit dabei, dann mit 13 und mit 23 war ich ein Bruder Jesu. Ich hatte immer schon eine Ambition zum Theaterspielen. Aber ich habe in Oberammergau nie eine große Rolle bekommen. Das wäre schon eine große Sache gewesen, wenn man zu den 20 Hauptrollen gehört hätte. Ich glaube aber, ich bin für das Passionsspiel zu lustig und für das Bauerntheater zu traurig. Ich habe da nirgendwo richtig reingepasst.

Aber Sie haben schon vor Kofelgschroa damit viel Bühnenerfahrung gesammelt.
Das ist die Erfahrung als Kind, dass man ein Teil von etwas Größerem ist. Man wächst in Oberammergau schon mit so einem Bühnengefühl auf. Ich sehe das aber auch kritisch.

Wieso?
Es macht einfach etwas mit einem. Und das liegt auch an den Passionsspielen und dem weltweiten Interesse daran.

Pongratz: "Wir waren für viele im Ort immer die Kasperlband"

Wie war das eigentlich, als Kofelgschroa im Passionstheater vor Tausenden von Leuten beim Heimatsound-Festival gespielt haben?
Krass. Überhaupt die Konzerte im Passionsspielhaus, das war wie ein Mauerfall. Die Konservativen haben sich ja den Mund darüber zerrissen, dass auch der Hans Söllner im Passionstheater auftreten konnte, an einem heiligen Ort! Und wir waren für viele im Ort immer so die lächerliche Band, die Kasperlband. Dass wir da spielen durften, war für uns unfassbar und sehr emotional.

Kofelgschroa pausiert auf unbestimmte Zeit. Sie haben nun Ihre zweite Soloplatte gemacht "Mein Ängste", da klingt schon die Pandemiepause mit.
Ich möchte aber behaupten, dass dies das fröhlichste Album ist, dass ich je gemacht habe. Ich habe den Anfang der Pandemie auch irgendwie genossen. Ich habe viel geschrieben und komponiert und es war schön, mal Ruhe zu haben. Irgendwann hat einen aber dann doch die Ausweglosigkeit bedrückt, weil man zu der Berufsgruppe gehört, die man am schnellsten absägt, den Künstlern.

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Andere Künstler, wie zuvor schon ihre Bandkollegen von Kofelgschroa, sind in ihre "normalen" Berufe zurückgekehrt. Das war für Sie keine Option?
Nein, das mit normaler Arbeit und mir hat nie so gepasst. Mein Papa hatte mich damals reingesteckt in eine Lehre, weil er fand, dass ich zu planlos war, zwei linke Hände hätte und zu nichts zu gebrauchen sei. Da hat mein Papa dann mit dem Bürgermeister ausgekartelt, dass ich in die Gemeinde-Gärtnerei komme. Aber ich habe auch kein Talent für Pflanzen.

"Ein Text ist auch dafür da, ein Lied zu verlängern"

Aber für Texte: So einen Song wie "Lebenserwartungsblues" muss man in seinem ganzen Irrwitz erst einmal hinbekommen.
Ich stecke ja selber in mir drin, ich finde das gar nicht so außergewöhnlich. Und mein Papa war halt Maurer und hat mir die Endlichkeit des Lebens mit seinem Meterstock erklärt, so wie im Liedtext. Ich schreibe an die Lieder allerdings immer ziemlich lange hin. Der Refrain stand schon seit Jahren, das Lied hätte auch schon auf einem Kofelgschroa-Album sein sollen, aber ich bin nie fertig geworden. Ich habe viele Songbaustellen gleichzeitig und mache immer da weiter, wo dann grad was geht, ich puzzle an vielen Puzzles gleichzeitig.

"Lebenserwartungsblues" ist eigentlich maximal unsingbar, außer für Sie?
Bei dem Lied bin ich wirklich vom Text her gekommen, bei anderen steht erst die Musik, dann muss noch ein Text daher. Wobei, ich bin ja eigentlich ein Instrumental-Fan. Für mich spricht die Musik selbst, sie erzählt was, da brauchst Du eigentlich keinen Text mehr. Wenn ich meinem Label Trikont einen neuen Song vorspiele, dann warten die immer: Singt er jetzt noch, kommt da noch was? Und manchmal kommt dann halt nix mehr. Ein Text ist auch dafür da, ein Lied zu verlängern.

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Als Solo-Künstler sind Ihre Lieder kürzer als beim Zusammenspiel mit Kofelgschroa?
Wir waren ausufernder als Band und sehr gut eingespielt. Ich habe schon so eine mäandernde Sehnsucht in mir, aber das ist alleine auf der Bühne schwieriger umzusetzen. Unsere Musik war ja nie so verschult. Wir kamen aus dem Jam, weg von den Noten hin zur geschlamperten Musik, aber das möglichst perfekt. Der Papa von Martin und Michi hat uns ein bisschen beigebracht, wie man zusammenspielt, Akkorde begleitet, das habe ich in der Musikschule nie gelernt. Da spielt man einfach sein Oberkrainer-Musikheft durch und das ist es. Aber der Ansatz mit den Kofels hat für mich eine Welt aufgemacht. Da habe ich angefangen zu komponieren oder zu stricken, wie ich sage.

"Ich konnte nicht weinen": Pongratz widmet einen Song seiner verstorbenen Oma

Ihre Texte werden immer als valentinesk oder dadaistisch bezeichnet. Ist das überhaupt Ihr literarischer Einfluss?
Nein, ich selber hätte auch nie Valentin gesagt, aber es stört mich natürlich auch nicht. Es ist ein schönes Kompliment, auch wenn es nicht richtig passt. Ich bin trauriger als der Valentin. Der Vergleich rührt wahrscheinlich auch daher, dass ich so lang bin. Deswegen sagen das die Leut. Aber angeschaut im Fernsehen habe ich ihn schon und vielleicht hat er deswegen ein paar Spuren hinterlassen. Ansonsten habe ich auch viel Attwenger gehört. Ich denke, die waren schon ein Einfluss.

Ihre Songs auf "Meine Ängste" sind sehr persönlich so wie "Telefon" der Abschiedssong an die Oma.
Meine Oma ist vor einem Jahr gestorben und ich habe auf der Beerdigung gespielt. Das war in Graswang bei Ettal in einer ganz kleinen Kapelle, wo sie Mesnerin war. Ich habe da gar nicht so trauern können, weil ich so aufgeregt war. Vor meiner Familie zu spielen, ist für mich viel aufregender als vor Publikum bei Konzerten. Ich konnte gar nicht weinen. Erst hinterher, als ich wieder alleine war, habe ich einen ganzen Tag lang geweint und der Oma dieses Lied geschrieben.

Im Song "Ich träume intensiv" dominieren Sie ihre Träume, damit sie nicht schlecht enden - eine wunderbare Idee.
Ich kenne das, dass ich aufwache, wieder einschlafe und daran anknüpfe, was ich zuvor geträumt hatte, aber das geht natürlich nicht immer. Ich genieße es manchmal, den Wecker zu stellen auf eine Uhrzeit, wo ich nicht aufstehen muss. Das Gefühl, den Wecker auszumachen und einfach weiterzuschlafen und zu träumen, ist einfach großartig.


Maxi Pongratz stellt sein neues Album "Meine Ängste" (Trikont) am 27. Mai im Volkstheater vor

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