Biennale-Ende in der Muffathalle: Von Revolte und Unterdrückung
Das Neue darf nicht nur scheitern, sondern muss es manchmal auch, um sich selber frei zu machen für eine mögliche Perspektive des Anderen in der Zukunft.
Das metallisch-gewaltvoll drohende Schlagwerk nutzt sich ab
Mit "The Damned and the Saved" sind Malin Bång und der Autor Pat To Yan aus Hongkong zwar nicht ganz gescheitert, aber: Leider blieb dieses Werk hinter den hohen Erwartungen zurück. Für diese finale Produktion kooperierte die Münchener Biennale für neues Musiktheater wurde mit dem Nationaltheater Mannheim.
Da ist die Musik von Bång: Die Komponistin aus Schweden zählt zu den aufregenden Stimmen der Gegenwart. In ihren Werken stellt sie oft den gewohnten Orchesterklang auf dem Kopf, um nicht zuletzt eine bühnenwirksame Kraft zu entfesseln. Das gelingt ihr zunächst auch hier, allerdings nutzt sich das metallisch-gewaltvoll drohende Schlagwerk, die jähen Bläser-Attacken oder die geräuschhaften Partikel der Streicher mit der Zeit ab. Auch das Libretto von Yan wirkt in der Sprache bald beliebig und pathetisch.
Eine Art Mensch-Maschine regiert als König
Er ist ein Theaterautor. Für eine Vertonung eignet sich die Kreation nur bedingt, weshalb der Text vor allem gesprochen wird. Das Sujet selber ist das, was die diesjährige Biennale ganz besonders ist, nämlich: politisch. Es ist ein totalitärer Überwachungs- und Terror-Staat, in dem die "Verdammten und Geretteten" ihr Dasein fristen. Eine Art Mensch-Maschine regiert als König. Sie wird mit Sachen und Worten der Bevölkerung gefüttert, die ein "Datensammler" (Matthias Breitenbach) sammelt: darunter Bücher, blutverschmierte T-Shirts, Müll.
Runder, maschinenartiger Raum bildet das Zentrum der Bühne
In dieser abgründigen Märchendystopie stehen zwei Frauen im Zentrum. Sie werden jeweils von einer Schauspielerin und einer Sängerin gestaltet: Dana (Maria Munkert und Johanna Greulich) sowie Sara (Jessica Higgins und Eva Resch).
Gleich zu Beginn lässt sie Regisseurin und Choreografin Sandra Strunz eine gefühlte Ewigkeit in ihren Zellen stumm zucken, zappeln, zittern. Für das Zentrum der Bühne hat Ausstatterin Sabine Kohlstedt einen runden, maschinenartiger Raum entworfen, rechts außen davon die Musiker.
Vieles scheint dem Roman 1984 von George Orwell entsprungen
Der Gesang der Gefolterten gibt ihren Träumen eine Stimme. Sie bleiben nicht verborgen, sondern werden von einem "Traumdeuter" eingefangen (Oberton-Sänger Ilya Lapich). Auch die Mitglieder des Mannheimer Nationaltheater-Orchesters sind Teil der Inszenierung, zumal sie Kostüme tragen. Immer wieder mischen sich Blechbläser oder Schlagzeuger in die Handlung ein, sind zunächst Teil des Unterdrückungsapparats, um in der finalen Revolte ebenfalls aufzubegehren.
Vieles scheint dem Roman 1984 von George Orwell entsprungen, der wiederum inspiriert ist von dem Buch "Wir" von 1920 des sowjetischen Autors Jewgeni Samjatin. In dieser Dystopie nimmt der Co-Librettist von Dmitri Schostakowitschs Oper "Die Nase" den totalitären Terror unter Lenin und Stalin vorweg, um 1931 mithilfe von Maxim Gorki dem Stalinismus zu entfliehen. Wie bei Samjatin und Orwell tragen auch hier die Menschen offiziell Nummern, aber: Dringlichkeit vermag dieses Projekt nicht zu entfalten.
Diese Biennale war die bislang stärkste von Manos Tsangaris und Daniel Ott
Manches wirkt platt und unfreiwillig komisch. Weitaus kurzweiliger und noch dazu unpolitisch humorvoll die "Plans für Future Operas": Hier experimentiert der Norweger Oyvind Torvund mit einem Wald samt Vogelzwitschern, einem Meeresstrand, einem Autostau mit Hupkonzert oder lässt das Diesseits mit dem Jenseits miteinander kommunizieren. Neben Mark Knoop am Klavier und Keyboard brillierte die Sopranistin Juliet Fraser. Sie ist eine ganz Große der zeitgenössischen Musik, arbeitet intensiv mit Rebecca Saunders. Diese Biennale war die bislang stärkste von Manos Tsangaris und Daniel Ott.
"The Damned and the Saved" noch einmal am 18. und 19. Mai um 19.30 Uhr in der Muffathalle
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