Konzertsäle: Wie machen es die anderen?

Eine Gruppe von Abgeordneten des Bayerischen Landtags hat sich Konzertsäle in ganz Europa angeschaut.
von  Robert Braunmüller
Die neue Philharmonie in Luxemburg, entworfen vom Architekten Christian de Portzamparc.
Die neue Philharmonie in Luxemburg, entworfen vom Architekten Christian de Portzamparc. © Zimmermann

München - Ende Oktober fiel die Entscheidung im Architektenwettbewerb zum Bau des Konzerthauses im Werksviertel. Der vor allem vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gewünschte Neubau ist ein staatliches Projekt, über das der Landtag abstimmen wird.

In der vergangenen Woche schauten sich eine Gruppe von Abgeordneten die Konzertsaalneubauten in Paris, Luxemburg, Luzern, Hamburg und im finnischen Lahti an. Die Haushalts- und Kulturpolitiker werden Anfang Dezember die Ergebnisse der Reise diskutieren.

Interview mit Sepp Dürr (Kultursprecher der Grünen)

AZ: Herr Dürr, wäre es nicht besser gewesen, die Säle vor der Wettbewerbs-Entscheidung anzusehen?
SEPP DÜRR:
Ich habe von Anfang an darauf gedrungen, den Landtag stärker in die Entscheidung zum Konzertssaal einzubeziehen und auch einen entsprechenden Antrag gestellt. Ein Vertreter des Landtags in der Jury wäre aus meiner Sicht auch besser gewesen.

Sie haben nun Lahti, Luzern, Luxemburg, Paris und Hamburg gesehen. Welcher Saal hat bei Ihnen den stärksten Eindruck hinterlassen?
Jeder ist auf seine Weise besonders. Der Saal in Lahti wäre für Münchner Verhältnisse zu klein. Aber er ist mit einem großen, offenen Foyer sehr bürgerfreundlich angelegt. Und er hat ein herausragendes Preis-Leistungsverhältnis. Er hat nur 20 Millionen Euro gekostet – allerdings war der Bauunternehmer hinterher bankrott. Trotzdem beweist Lahti: Man muss nicht viel Geld ausgeben, um etwas Hervorragendes zu bekommen. In Luzern und Luxemburg ist außerdem die Aufwertung eines Viertels sehr gut gelungen – in Paris weniger.

Was stört Sie da? Die Lage an einer Art Mittlerem Ring?
Das ist eher der Frankfurter Ring oder noch weiter draußen, an der äußersten Peripherie. Dahinter beginnt die Banlieu, die reine Vorstadt. Mich stört vor allem der Gestus: „Wir bringen den Armen die Kultur!“ und setzt ihnen ein Betongebäude vor die Nase. Ist da nicht ein Ausgehviertel mit Musik- und Theaterhallen nebenan? Wir hatten nicht viel Zeit. Es ist eher schwer, nach dem Konzert etwas zum Essen zu bekommen. Die Aufwertung des Viertels ist in Paris nicht gelungen. Die Pariser reden nur von einer Demokratisierung von Kultur, in Lahti ist es gelungen. Der dortige Bau vermittelt keine Schwellenangst, er schüchtert auch nicht durch Angeberei ein.

Warum ist das in Luxemburg gelungen?
In der Umgebung gibt es nur Banken und Bürokraten. Man wollte die Leute aus ganz Europa ansprechen, die hier arbeiten und das abends tote Viertel aufwerten. Das ist sehr gut gelungen. Der Bau ist auch von außen ansprechend. Es wurde kein Marmor verbaut, sondern Beton und Glas. Die architektonische Eleganz spricht einen trotzdem an. Allerdings fehlt ein einladendes Foyer.

Wie hat Ihnen die Elbphilharmonie gefallen?
In einem Konzertsaal in Weinberg-Form gibt es die Tendenz, dass sich die Stadtgesellschaft selbst besichtigt. Das scheint mir in Hamburg der Fall zu sein. München hat sich für eine Schuhschachtel entschieden, bei der die Musik im Mittelpunkt steht. Der Blick auf den Hafen und die Stadt macht einen neidisch – ähnlich wie in Luzern die Lage am See und an den Bergen.

Der neue Saal in Luzern wird nicht nur für Konzerte, sondern auch für Kongresse genutzt. Ist das ein Vorbild für das Werksviertel?
Auch in Luxemburg gibt es Kongressvermietung. Lahti muss ebenfalls hinzuverdienen. In München wurde noch nicht entschieden, ob sich der neue Saal selbst tragen soll oder durch den Staat quersubventioniert wird. Die Nutzung für Zwecke jenseits der Konzerte sollte man sich allerdings bei der Planung gut überlegen: Alle Säle, die wir besichtigt haben, klagen über den Mangel an Flächen. In Paris fehlt sogar eine Kantine.

Was ist die wichtigste Lehre, die Sie aus der Reise gezogen haben?
Erst die Detailplanung, dann über die Kosten reden. Das Nutzungskonzept für den Saal muss klar, sauber und in Ruhe festgelegt werden: Das ist also der nächste Schritt in München. Bei der Frage, welchen Zweck der Bau genau erfüllen muss, ist auch der Landtag gefragt. Es muss eine Instanz geben, die alle Interessen bündelt, etwa eine Stiftung. Und zwar schon vorher, bei der Planung.

Und was ist noch wichtig?
Man darf den Saal nicht allein sehen. Das ganze Umfeld muss einbezogen werden – als Gesamtkonzept für das Werksviertel, über das mit dem Eigentümer Werner Eckart noch geredet werden muss.

Was ist der nächste Schritt im Landtag?
Der Haushaltsausschuss wird Anfang Dezember die Ergebnisse der Reise diskutieren. Dann muss die staatliche Verwaltung die Entwurfsplanung vorlegen. Es war gut, dass auch Vertreter des Staatlichen Bauamts, der Obersten Baubehörde, aus dem Kunstministerium und der Grundstückseigentümer Werner Eckart bei der Reise dabei waren.

Wie finden Sie den Siegerentwurf von Andreas Cukrowicz Anton Sturm-Nachbaur?
Innen ist alles möglich. Er kann sehr gut werden. Das Äußere, das mich an eine umgedrehte Kathedrale oder ein umgedrehtes Kirchenschiff erinnert, zieht den Blick auf sich. Das ist im Werksviertel mit seinen recht disparaten Bauten gut.

Haben Sie auf Ihrer Reise etwas gesehen, das Sie sich gerne hätten einpacken lassen?
Luzern fand ich zu protzig und zu sehr Anbetung fordernd. Den Konzertsaal Luxemburg finde ich auch angesichts der zivilen Kosten von 130 Millionen sehr gelungen. Am besten gefiel mir das gewaltige Foyer in Lahti, ein Holzbau, der das ehemalige Sägewerk mit dem Saal verbindet.

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