"Der Watzmann ruft" im Circus Krone: Deftiges aus dem Alpenland
Die seit genau 60 Jahren rockenden Rolling Stones und das hochalpine Musical aus dem Jahr 1974 von Wolfgang Ambros, Manfred Tauchen und Joesi Prokopetz haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind das, was man als Kult bezeichnet und starten seit Jahren letzte Tourneen. Die "allerletzte Tournee" von "Der Watzmann ruft" war schon für den vorigen Herbst vorgesehen, konnte aber mit Corona-Verspätung erst jetzt auf die Reise gehen und wird für 24 Vorstellungen durch 19 Städte in Deutschland und Österreich führen.
Ambros zeigte sich am Premierenabend im Circus Krone bei der Vorstellung von Ensemble und Crew nicht undankbar dafür, dass es wirklich das letzte Mal sein wird, denn ein Mick Jagger des Austro-Pop ist er nicht. Aber der guten Stimmung der Fans schadete der sichtlich anstrengende Auftritt des von einem Leiden an der Wirbelsäule geplagten 70-Jährigen nicht.
Stimme markant, Tonsicherheit hört sich anders an
Seine Stimme ist noch immer markant, aber Tonsicherheit hört sich anders an. Schon 2019 musste er seine geplante Mitwirkung an einer eigens für das Deutsche Theater produzierten Neuinszenierung aus gesundheitlichen Gründen absagen.
Damals hörten viele Münchner den Ruf des Schicksalsbergs wie der Kabarettist Sven Kemmler oder der Musiker Ecco Meineke. Die hatten versucht, den Siebziger-Jahre-Stall gründlich auszumisten und die Bauerntheater- und Heimatfilmparodie in eine knackige Satire auf die touristische Vermarktung der Gebirgswelt und ihren Bewohnern verwandelt. Der größte Eingriff des damaligen Watzmann-Jahrgangs allerdings war die Besetzung der Gailtalerin: Die spielte tatsächlich eine Frau.
Bei der nun mutmaßlich letzten Tournee "in Originalbesetzung" ist heuer alles wieder beim Alten, denn die weibliche Hauptrolle ist mit Klaus Eberhartinger besetzt. Das ist ländlich-unsittliche Travestie vom Deftigsten, bei der der frühere Frontmann der Ersten Allgemeinen Verunsicherung blond bezopft viel Bein zeigen kann. Ihr Motto besingt die Gailtalerin mit wienerischer Heurigenseligkeit: "Des Schönste in mein Leben, des san de Sündn".
Der mit Abstand Jüngste ist 56
A bisserl Folklore geht auch sonst allweil, es wird schnadagehüpft und in geschmeidigen Choregrafien mitreißend geschuhplattelt. Ansonsten geht es krachert zu auf der Alm, denn die Ambros-Begleitband "Die No. 1 vom Wienerwald" produziert einen schnörkellos kernigen Rocksound. Dass die letzten 48 Jahre nicht ganz spurlos an den Watzmännern vorbei gegangen ist, erzählt Prokopetz mit dem Rollator, mit dem er als erster Knecht in die Berge klettert - das "Rustical" ist inzwischen auch ein Gerontical.
Der mit 56 Jahren mit Abstand Jüngste in der "Originalbesetzung" ist Christoph Fälbl, der nicht nur den greisen zweiten Knecht spielt, sondern natürlich auch den Bua, den es mit tödlichem Ausgang "aufi" zieht. Er ersetzte in den Neunziger Jahren Manfred Tauchen, der im Streit das Trio verließ und für einige Jahre eine Münchner "Watzmann"-Filiale erfolgreich im Lustspielhaus betrieb.
Ambros, Prokopetz und Fälbl haben indes das Feeling der geilen Siebziger recht vital rekonstruiert, gefällig aktualisiert mit Witzen über Putin, der der Bauernstube "den Strom abdraht" oder über das Passwort für das Internet, dass der tüttelige Vater (auch Prokopetz) zum Verzweifeln seines Buas vergessen hat.
Circus Krone, noch einmal am 14. September um 20 Uhr, Karten unter Telefon 01806570099