Moritz Eggert auf dem roten Sofa der AZ: "Es muss nicht alles nur massentauglich sein"

Der Münchner Komponist Moritz Eggert zu Gast auf dem roten Sofa der Abendzeitung: Mit Adrian Prechtel aus der Kulturredaktion sprach er über Neue Musik und neue Konzertformate, die Leichtigkeit der Operette und komponierende KI.
Autorenprofilbild Christa Sigg
Christa Sigg
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Charmant plaudernd auf dem roten Sofa (von Möbel Höffner) der AZ: Moritz Eggert.
Charmant plaudernd auf dem roten Sofa (von Möbel Höffner) der AZ: Moritz Eggert. © Daniel von Loeper

Der selbst etwas kauzige Wilhelm Killmayer hat sich oft darüber gegrämt, dass die Neue Musik so humorlos sei. Auch das Gralsgehabe der Szene schien dem Münchner mächtig auf den Geist zu gehen.

Deshalb hätte der 2017 mit 90 Jahren verstorbene Komponist mindestens gelächelt, als sein Schüler Moritz Eggert charmant plaudernd auf dem roten Sofa der Abendzeitung saß und just über Neue Musik sprach: humorvoll ernsthaft, zuweilen selbstironisch und mit einer Leidenschaft, die dem Metier gut tut.

Eggert pflegt – auch das tut den Neutönern gut – keine Berührungsängste und schrieb erst kürzlich eine Operette. Killmayers Kollegen hätten darüber noch die Nase gerümpft, Marika Rökk lag ein bisschen schwer im Magen, nach 1945 musste es einen radikalen Neuanfang geben. Aber es brauche genauso Schnittstellen wie die Operette, findet Eggert.

Moritz Eggert über die Herausforderung Komödie

Und schon der Titel "Die letzte Verschwörung" deutet darauf hin, dass sich der 57-Jährige durch ein ziemlich aktuelles wie heikles Thema komponiert hat – Uraufführung ist am 25. März an der Wiener Volksoper.

Adrian Prechtel im Gespräch mit Moritz Eggert auf dem roten Sofa (von Möbel Höffner).
Adrian Prechtel im Gespräch mit Moritz Eggert auf dem roten Sofa (von Möbel Höffner). © Daniel von Loeper

Damit knüpft er nicht zuletzt an die herrlich zeitkritischen Stücke Jacques Offenbachs an. Solche Formate hätten beträchtliches Potenzial. "Da ist dieser Hauch von Leichtigkeit und Witz", sagt Eggert, das sei das Schwerste überhaupt: "Komödien, wie sie Billy Wilder geschrieben hat, sind richtig harte Arbeit."

Moritz Eggert: "Es muss nicht alles nur massentauglich sein"

Dagegen sei das Musical, das den kritischen Stachel der Operette einst übernommen hat, nicht mehr das lebendigste Genre. Weshalb? Weil das Business mit massenkompatiblen Stücken samt eigens gebautem Theater dominiere. "Es muss nicht alles nur massentauglich sein, es braucht auch Zeit", betont Eggert. "Vieles, das heute zum Kanon gehört, hat man anfangs nicht verstanden oder sogar abgelehnt."

Georges Bizets "Carmen", die beim Publikum gnadenlos durchfiel, ist heute eine der am meisten gespielten Opern. Womöglich war die Pariser Opéra-comique für diese Premiere nicht die richtige Location? Zu schlecht geheizt? Wer weiß das schon, aber genau diese Faktoren treiben die Veranstalter bis heute um, mehr noch wahrscheinlich als damals.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Moritz Eggert: "Das Ausführliche hat genauso seine Berechtigung"

Zumal die Konkurrenz für die Klassik übermächtig geworden ist. Die Frage nach zeitgemäßen Konzertformaten könnte also wichtiger sein als die nach imposanten neuen Sälen. Dass sich Musikabende früher über vier, fünf Stunden gezogen haben, ein Satz-Häppchen nach dem anderen serviert wurde und das wild gemixt, ist heute nicht mehr denkbar.

Durch Künstliche Intelligenz (KI) würde etwas Neues, Verstörendes nicht mehr entstehen, befürchtet Moritz Eggert.
Durch Künstliche Intelligenz (KI) würde etwas Neues, Verstörendes nicht mehr entstehen, befürchtet Moritz Eggert. © Daniel von Loeper

Vielleicht liegt in der Kürze aber doch eine gewisse Würze? Eggert erinnert sich an knallvolle Mittags- und Abendkonzerte während seiner Londoner Studienzeit, das seien großartige 30 bis 60 Minuten gewesen. Das Ausführliche hätte aber genauso seine Berechtigung. Und warum nicht 48 Stunden Musik nonstop wie bei einem Festival in Odessa? Ein- und Austritt, wann immer man möchte, ein Happening?

Eggert: Kinder und Jugendliche mit Konzerten ansprechen

Das könnte auch ein anderes, neues Publikum anziehen, wobei sich bereits Paul Hindemith über das viele Grau im Saal Sorgen gemacht habe. Die mittleren Altersgruppen seien mit Familie und Job eingespannt und würden nach der Kinderphase schon wieder kommen. Sofern die Musik in jungen Jahren gehört und erlebt wurde.

Deshalb sei es so wichtig, Kinder und Jugendliche im Konzert zu haben. Da würden die Fundamente gelegt. Aber dann darf es auch nicht beim ewig gleichen Stoff aus dem 19. Jahrhundert bleiben – bei aller Verehrung für Schumann und Brahms.

So denkt Moritz Eggert über Künstliche Intelligenz in der Musik

Alte und Neue Musik würden so viel Ungewohntes bieten. Überhaupt müsse man immer wieder Neuland betreten, "Minimal Music war mit dem Einzug in die Musikhochschulen langweilig geworden", erklärt Moritz Eggert. Und plädiert für das Risiko: "Damit beginnt die wirklich interessante Kunst." Durch Künstliche Intelligenz (KI) würde etwas Neues, Verstörendes nicht mehr entstehen. Das bereitet auch Moritz Eggert Sorgen.

Seit 2010 ist er an der Münchner Musikhochschule Professor für Komposition und macht sich natürlich Gedanken über die Zukunft seiner Studenten. Dass die KI Jobs schlucken wird, steht für ihn außer Frage, vor allem im Bereich des "Durchschnittlichen", des täglich Angewandten – wie etwa bei Fernsehserien oder in der Werbung.

Da sei die KI immer billiger, auf der anderen Seite aber auch fad. Trainiert und programmiert werde ja auf der Basis des Vorhandenen. Bislang hätten ihn auch sämtliche KI-generierten Texte gelangweilt, da sei weder Sprachwitz noch ein origineller Gedanke zu finden. Für die tatsächlich Kreativen schaut es also nicht so schlecht aus. Doch wer darf das schon von sich behaupten?


Am Dienstag (7. März,  20 Uhr, Einlass 19.30 Uhr) sitzt Helmut Markwort auf dem roten Sofa im Silbersaal des Deutschen Theaters (Schwanthalerstraße 13) und zwar zum Thema: "Sagen die Medien alle das Gleiche?" (Abendkasse, 14 Euro, Barzahlung, inklusive Essen und Getränken)

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.