Bayerns Kunstminister Markus Blume will "den Knoten durchschlagen"
Der vorige Kunstminister ist der gegenwärtige: Auch nach der Landtagswahl ist Markus Blume im Amt geblieben. Er hat die "Kulturkaskade" angestoßen, um den Sanierungsstau zu beenden. Aber es bleibt eine Menge zu tun – und einige Verträge stehen zur Verlängerung an.
AZ: Herr Blume, der Stadtrat hat vor Weihnachten die Generalsanierung des Gasteig beschlossen. In 10 Jahren wird die Isarphilharmonie frei. Wäre das kein Zeitpunkt, das Konzerthaus im Werksviertel aufzugeben?
MARKUS BLUME: Der Freistaat hat versprochen, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks eine Heimat zu geben. Mit der Isarphilharmonie ist zwar das großartige Kunststück gelungen, mit wenig Geld einen sehr ordentlichen Konzertsaal zu schaffen. Sie hat aber ihre Grenzen. Wir haben ein Bekenntnis zum Werksviertel abgegeben, und dazu stehen wir.

Das Konzerthaus wurde vor allem vonseiten der Politik zum Großprojekt aufgeblasen. Wieso jetzt die "Redimensionierung" durch die Politik?
Das Konzerthaus musste zu viele Wünsche auf einmal erfüllen und ist deshalb zu teuer geraten. Mit der aktuellen Kostenschätzung von 1,3 Milliarden Euro ist die Schallmauer des Leistbaren weit durchbrochen. Ich will, dass aus dem Milliarden- wieder ein Millionenprojekt wird, aber ohne Abstriche beim Kern, dem Konzertsaal. Ich habe von Anne-Sophie Mutter bis Sir Simon Rattle mit fast allen Beteiligten gesprochen. Wir sind uns im Kern einig: Bei der Akustik sollen keine Abstriche gemacht werden, bei der Digitalität auch nicht. Außerdem muss unser Anspruch heute doch sein, dass der ökologische Fußabdruck in die Zeit passt – etwa durch eine begrünte Fassade. Ziel muss es sein, Raum für künstlerische Spitzenklasse zu schaffen und uns dabei auf das Wesentliche – einen Konzertsaal für die Münchner Weltklasse-Klangkörper – zu konzentrieren.
Was sagen die Architekten dazu?
Mit ihnen werden wir natürlich über die Redimensionierung sprechen. Es gibt gute Gründe, das Projekt noch einmal neu aufzusetzen und alles abzuspecken, was nicht essenziell ist. Mein Ziel ist, dass wir noch in dieser Legislaturperiode den Knoten durchschlagen.
Segen und Fluch für Markus Blume: "Im Kulturbereich wird man nie fertig"
Was werden die nächsten Stufen der Kulturkaskade sein?
Wir müssen die anstehenden Baumaßnahmen unserer großen Kultureinrichtungen jetzt angehen. Das geht nur mit ineinandergreifenden und zeitlich aufeinander abgestimmten Sanierungen. Die ersten Steine sind gesetzt: Wir haben das Proben- und Werkstättenzentrum des Residenztheaters auf den Weg gebracht und den Planungsauftrag für die Sanierung der Musikhochschule erteilt. In der laufenden Legislatur wird die Umsetzungsphase beim Haus der Kunst beginnen, außerdem die Planung der Sanierung des Residenztheaters und eine Machbarkeitsstudie für die Sanierung der Staatsoper. Mein Ziel bei allen Baumaßnahmen: mehr Urbanität. Ich wünsche mir, dass unsere kulturellen Bauten Teil des städtischen Lebens sind, sich mehr als Mittelpunkte einer modernen Stadt begreifen.

Sie haben mit der "Kulturkaskade" manches angestoßen, nun kommen die Mühen der Ebene.
Im Kulturbereich wird man nie fertig. Das kann auch schön sein. Kultur ist eine kreative Baustelle, an der viele mitwirken können. Ich denke zum Beispiel daran, eine Kulturstiftung zu errichten. So könnten sich Mäzene verlässlich bei Projekten engagieren, die ohne privates Engagement nicht möglich wären. Ich würde es jedenfalls begrüßen, wenn privates Kapital die staatliche und kommunale Kulturförderung noch stärker als bisher ergänzen würde. Im Sport ist ein solches Engagement ja längst üblich. Warum nicht auch in der Kultur?
Ist mit finanziellen Kürzungen im kulturellen Bereich zu rechnen?
Bei Kunst und Kultur wird nicht gespart, auch 2024 nicht. Das hat unser Ministerpräsident Markus Söder in seiner jüngsten Regierungserklärung versprochen. Also ein klares Bekenntnis zum Kulturstaat Bayern – der übrigens wieder an die erfolgreichen Vor-Corona-Zeiten anknüpft: Museen und Theater sind wieder gut besucht, das Staatstheater Nürnberg hatte im November sogar einen Umsatzrekord und das Deutsche Museum einen Publikumsrekord zu verzeichnen! Und wir können uns über weitere Erfolge freuen: Regensburg ist auf dem Weg zum Staatstheater, Augsburg bekommt ein Orchester der Tarifgruppe A. Die Auslastung der Bayerischen Staatsoper liegt bei 92 Prozent – das spricht für sich. Sie wurde erst kürzlich als "Opernhaus des Jahres" international ausgezeichnet und zudem für die mutige Inszenierung von Prokofjews "Krieg und Frieden" geehrt. Bayern spielt auch kulturell in der Champions League.

Müssten Sie die Verträge von Vladimir Jurowski und Serge Dorny nicht schnellstens verlängern, damit Ihnen die beiden keiner wegengagiert?
Ich kann Ihnen versichern, wir haben alles im Blick.
Im Zusammenhang mit den Tarifverhandlungen war zu hören, Bühnentechniker würden bei den städtischen Kammerspielen erheblich mehr verdienen als an einem Staatstheater. Ist die Gefahr von Abwanderungen gebannt?
Mit dem Abschluss des neuen Tarifvertrags der Länder ist dieses Problem vom Tisch. Es herrscht wieder Gleichstand zum Tarifvertrag der Kommunen. Auch wenn es jeden Finanzminister schmerzt: Es war wichtig, hier wettbewerbsfähig zu bleiben. Unser Versprechen gilt: Wir nehmen 2024 deutlich mehr Geld in die Hand, um die steigenden Personal- und Energiekosten abfedern zu können.
Sanierung des Hauses der Kunst in München: "Ich wünschte, wir hätten eine Sparbüchse"
Sie haben Geld in der Sparbüchse: Vor zehn Jahren hat der Landtag 50 Millionen für die Sanierung des Hauses der Kunst bewilligt. Davon wurden nur 50 Euro für Eimer ausgegeben – wenn es reinregnet.
Ich wünschte, wir hätten eine Sparbüchse. Die Wahrheit ist: Für alle Maßnahmen des Freistaats im Hochbau, Neubauten und Modernisierungen, brauchen wir Milliarden. Beim Haus der Kunst gab es in der Vergangenheit mehrere Herausforderungen. Mir war es am wichtigsten, das Haus künstlerisch wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Das ist mit Andrea Lissoni gelungen. Ich bin froh, dass wir seinen Vertrag verlängern konnten. Sein Kurs ist anspruchsvoll und kommt zugleich beim Publikum an.

Warum ist denn seit 2013 nichts passiert?
Bei den alten Planungen ging der Blick für das Wesentliche verloren, sie sind heute untauglich. Das Haus der Kunst ist Teil meiner Kulturkaskade, das heißt: Es geht jetzt in großen Schritten voran.
Auch in Bayreuth gab es zuletzt Wirbel um die drohende Verkleinerung des Chors wegen fehlender Mittel. Wie ist das ausgegangen?
Wie wohl derzeit jede Theaterleitung steht auch die Geschäftsführung der Bayreuther Festspiele vor der Herausforderung deutlicher Kostensteigerungen. In dieser Situation gehören auch Strukturen und Potenziale zur Kostensenkung auf den Prüfstand. Das neue Modell entspricht in der Verbindung aus einem stehenden Chor und einem Extrachor dem, was an anderen Spielstätten erfolgreich gelebt wird – etwa in München. Künstlerische Abstriche wird es nicht geben.

Mir schien das Ganze ein Hilfeschrei zu sein, dass es an der Finanzierung generell hapert.
Alles in Bayreuth ist ein bisschen Drama. Festspiele ohne Aufregung gibt es nicht - für mich ist das ein Zeichen für die Leidenschaft, mit der dort gearbeitet wird. Für den Freistaat kann ich sagen: Wir stehen zum Grünen Hügel und wollen uns in Zukunft finanziell noch stärker einbringen, unsere Anteile erhöhen. Dabei gehe ich davon aus, dass auch der Bund parallel zum Freistaat Bayern mehr Verantwortung übernimmt.
Bayreuther Festspiele: Vertrag von Katharina Wagner "wird verlängert, wenn das Konzept stimmt"
Wann wird Katharina Wagners Vertrag verlängert?
Der Vertrag wird verlängert, wenn das Konzept stimmt. Wir legen hier höchste Maßstäbe an, schließlich müssen die hohen Erwartungen an die Festspiele immer wieder neu künstlerisch eingelöst werden. Das geht nur mit einem exzellenten Konzept – mit klarer Vision und einer großen Portion Mut.

Zwischen der Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Ihnen gibt es zum schwierigen Thema Restitutionen Konsens im Großen - aber Uneinigkeiten im Detail.
Freiwilligkeit und Haltung sind gut, aber Recht ist noch besser! Wir brauchen eine gesetzliche Grundlage, eine bundesweit verbindliche Lösung für die Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut. Das ist längst überfällig. Ich appelliere an Claudia Roth, hier endlich Rechtssicherheit zu schaffen. Das sind wir den Erben schuldig. Davon abgesehen: Bayern engagiert sich an der Spitze der Länder bei der Wiedergutmachung von NS-Unrecht – ohne Wenn und Aber. Die bayerischen Staatsgemäldesammlungen waren zum Beispiel eines der ersten Museen überhaupt, die sich der Provenienzforschung verschrieben haben. Allein dort wurden inzwischen 25 Werke zurückgegeben, insgesamt wurden seit Inkrafttreten der Washingtoner Erklärung 245 Objekte durch staatliche Einrichtungen in Bayern restituiert. Ein Fall bleibt umstritten: Picassos "Madame Soler". Die Analyse unabhängiger Provenienzforscher hat ergeben, dass hier kein verfolgungsbedingter NS-Entzug vorliegt. Die Erben sind anderer Ansicht. Mir liegt daran, mit den Erben persönlich ins Gespräch zu kommen und ihnen Einblicke in die Ergebnisse der Forschung zu geben. Ich will von einem Gegeneinander zu einem Miteinander kommen.