Simon Verhoeven auf dem roten Sofa der AZ: Schwächelt der deutsche Film?

Simon Verhoeven war am Freitagabend auf dem roten Sofa der AZ zu Gast. Großes Thema: Die deutsche Film- und Kinolandschaft – und ihre möglichen Schwachstellen.
Margret Köhler |
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Simon Verhoeven auf dem roten Sofa der AZ.
Simon Verhoeven auf dem roten Sofa der AZ. © Daniel von Loeper

Simon Verhoeven hat es als Regisseur und Drehbuchautor geschafft. Nicht, weil er aus einer Künstlerfamilie kommt, seine Eltern sind Senta Berger und Michael Verhoeven, sondern weil er nicht Kunst und Kommerz gegeneinander ausspielt, sondern beides wunderbar zusammenführt. Beides habe eine Existenzberechtigung, "aber nicht als Schulaufsatz", wie der 50-Jährige auf dem roten Sofa der Abendzeitung erklärte.

Schon mit "Männerherzen" gewann er 2009 die Zuschauerherzen, "Willkommen bei den Hartmanns" über die Aufnahme eines Flüchtlings in eine bürgerliche Familie brachte es auf 3,8 Millionen Zuschauer, "Nightlife" auf 1,4 Millionen Zuschauer allein in drei Wochen, dann machte Corona der Auswertung einen Strich durch die Rechnung.

Weihnachten soll sein neuester Coup starten: "Girl you know its true" über die tragische Geschichte des Popduos Milli Vanilli mit Matthias Schweighöfer als Produzent Frank Farian. Erfolg sei toll, "aber nur Geld verdienen" sieht er nicht als Ziel.

Verhoeven: "Wer viel Glück hat, kriegt was auf die Fresse"

Beim Vergleich mit der Kinolust der Franzosen hinken die Deutschen hinterher, "die lieben ihr Land und ihre Sprache. Ein gesundes, nicht wie bei uns konfliktbeladenes Verhältnis zu sich selbst, ist wichtig".

Warum behandelt Deutschland seine Stars so schlecht? Die Frage traf ins Schwarze. Der 50-Jährige erinnert sich, wie seine Mutter Zettel mit Beschimpfungen am Auto fand. Kino sei kein "heiliger Tempel", oft herrsche Neid und eine Mentalität des "nicht gönnen können. Wer viel Glück hat, kriegt was auf die Fresse."

Auf großen Festivals im Ausland ist der deutsche Film mager vertreten, es gibt positive Ausreißer wie "Tony Erdmann" oder "Werk ohne Autor", Erfolg ist eben "nicht mathematisch herleitbar. Es kann passieren, dass alle Elemente stimmen und keiner kommt". Dagegen waren die Prognosen bei "Willkommen bei den Hartmanns" eher düster, doch der Film wurde zum Hit.

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Viele Filmstarts: Die Gefahr der Kannibalisierung bleibt

Eine Crux ist die Vielzahl von Filmstarts. 2020 waren es 643 Filme, inzwischen ist die Zahl gesunken. Doch die Gefahr der Kannibalisierung bleibt. Wichtig ist für Verhoeven: Die Verbindung zum Zuschauer muss stimmen, egal bei welchem Genre, auch wenn Komödien die Nase vorn haben. 

Zwar sank der durchschnittliche Kinobesuch nach Corona 2022 auf 0,93 im Jahr, aber er bleibt optimistisch: "Den Raum Kino kann man noch nicht ersetzen." Netflix-Filme auf dem Laptop seien keine Alternative, "Oscars" für diese Produktionen, die pro forma nur kurz im Kino laufen, "gefährden die Filmbranche. Aber Netflix hat eben die besten Lobbyisten was Preise angeht", so Verhoevens Kritik.

Filmförderung in Deutschland: "Ein sehr komplexes Thema"

Hoffnung geben ihm Filme wie "Sonne und Beton", der in der zweiten Woche schon 300.000 Zuschauer zählte und die Sprache der Jugend spricht. Ganz angetan ist er von "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" basierend auf dem autobiografischen Roman von Joachim Meyerhoff, "ein unangestrengter Film, der mit großer Zärtlichkeit in die Figuren eintaucht. Ich hätte ihn wahrscheinlich anders erzählt und bin froh, dass ich ihn nicht gemacht habe", sagt Verhoeven lachend.

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Und was ist mit dem deutschen "Förderdschungel"? "Ein sehr komplexes Thema", stöhnt er und hält sich zurück, kann sich aber den Hinweis auf die regionale Filmförderung mit einer absurden Reiserei nicht verkneifen.

Um den deutschen Film wieder nach vorne zu bringen, brauche es vor allem gute Drehbücher. Die Vorschläge von Kulturstaatsministerin Claudia Roth für eine Reform der Filmförderung wie Stärkung der Stoffentwicklung oder der Kino- und Verleiherlandschaft, Streamingplattformen finanziell in die Pflicht zu nehmen sowie die Grundsätze von Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit, unterstützt er voll und ganz.

Allerdings könnte sich Roth am Plan einer Verzahnung von Bundes- und Landesförderung die Zähne ausbeißen. Aber, und da ist er zuversichtlich: "Es rockt schon was." Nur dürfe kein "bestgemeinter Film" dabei herauskommen: "Es muss was Originelles oder nicht politisch Korrektes her." Dann geht's auch wieder aufwärts mit dem deutschen Film.


Anmerkung der Redaktion: Das rote Sofa wurde von Möbel Höffner zur Verfügung gestellt.

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